Ob Albrecht Dürer oder Paul Cézanne - viele Künstler malten männliche Akte. Eine Schau in Bremen zeigt männliche Aktdarstellungen aus sechs Jahrhunderten.
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Männliche Akte im Laufe der Geschichte
Die Kunsthalle Bremen zeigt in einer neuen Ausstellung die Bandbreite von Darstellungen des nackten männlichen Körpers: von Sportlern zu christlichen Märtyrern, vom 15. bis zum 20. Jahrhundert.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
Hendrick Goltzius: Herkules Farnese
Die Antike idealisierte den männlichen Körper: perfekte Proportionen standen für innere Harmonie und Schönheit. Der Akt drückte Stärke und Freiheit aus. Der Halbgott Herkules passte perfekt in dieses Ideal, schon allein wegen der ihm nachgesagten übermenschlichen Kräfte. Weit über die Antike hinaus war er ein beliebtes Motiv, so auch auf diesem Kupferstich von Hendrick Goltzius aus dem Jahr 1592.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
Rembrandt: Männlicher Akt vor einem Vorhang sitzend
Ausgehend von der Renaissance in Italien fand das Zeichnen von unbekleideten Modellen zum Ende des 17. Jahrhunderts seinen Weg auch in die Niederlande. In der Kunst des Barocks dominierten jedoch weibliche Akte. Eine Ausnahme bildet Rembrandt. Seine nach lebenden Modellen entstandenen Radierungen männlicher Akte sind vergleichsweise unbekannt.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
Juste de Juste: Pyramide aus fünf nackten Männern
In der Renaissance wurde das idealisierte Körperbild der Antike wiederbelebt. Dazu gehören auch nackte Diskuswerfer. Auf die Spitze getrieben wurde diese Idee vom französisch-italienischen Bildhauer Juste de Juste. Auf seiner Radierung aus dem Jahr 1543 turnen fünf nackte Männer waghalsige Bewegungen nach - eine Übung zum Zeichnen von männlichen Akten.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
Max Beckmann: Schlafender Athlet
Ruhiger geht es bei Max Beckmanns Lithografie "Schlafender Athlet" aus dem Jahr 1946 zu. Sie zeigt einen sichtlich ermatteten Boxer nach dem Wettkampf - zu erkennen nur an Handschuhen und Hantel. Für den Druck wandelte Beckmann - einer der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhundert - eine eigene Bildkomposition ab, die er drei Jahre zuvor zu Goethes Faust entworfen hatte.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
Henri Gabriel Ibels: Drei Ringer auf einer Bühne
Auch die Jahrmarkts-Ringer, die der französische Grafiker und Schriftsteller Henri Gabriel Ibels mit farbiger Kreide skizziert, entsprechen mit ihren eher untersetzten Körpern nicht dem Idealbild eines gestählten Sportlers. Die Zeichnung, die auf die Jahre 1892/93 datiert wird, ist charakteristisch für Ibels' Werk. Inspiration fand er im Zirkus, im Boxring und im Straßencafé.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
Otto Greiner: Der Litograph
Der Akt steht im Mittelpunkt von Otto Greiners Schaffen. Auf diesem Druck aus dem Jahr 1892 zeigt sich der deutsche Grafiker und Zeichner selbst beim Porträtieren eines männlichen Aktes. Oftmals zeichnete er Menschen in mythologischen Szenen, und bezog sich dabei auf antike Geschichten rund um Odysseus, Prometheus und Herkules.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
Paula Modersohn-Becker: Stehender Akt mit langen Haaren
Lange Zeit und bis ins 20. Jahrhundert hinein waren weibliche Künstlerinnen von den staatlichen Kunstakademien ausgeschlossen, und somit auch vom Unterricht im Aktzeichnen. So konnte Paula Modersohn-Becker nur an privaten Schulen studieren und dort nach männlichen Aktmodellen zeichnen.
Bild: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett
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Der männliche Akt ist aus der Geschichte der Kunst nicht wegzudenken. Die griechische Antike strotz nur so vor Beispielen an gemalten, in Bronze gegossenen oder in Stein gehauenen männlichen Körpern, die unbekleidet blieben.
Zu den berühmtesten Darstellungen männlicher Nacktheit gehört wohl die aus einem Stück Marmor gemeißelte Laokoon-Gruppe, die erst Anfang des 16. Jahrhunderts in Rom entdeckt wurde. Sie zeigt einen Vater und seine zwei Söhne, die sich im Todeskampf mit Schlangen befinden. Geschaffen wurde sie vermutlich vom Bildhauer-Trio Athanodoros, Hagesandros und Polydoros von Rhodos. Nach Angaben der vatikanischen Museen, wo die Skulptur seit ihrem Fund steht, entstand sie vermutlich um 40-30 v. Christus. Das Kuriose daran: Papst Julius II. machte die Darstellung nackter menschlicher Körper zum Mittelpunkt seiner Ausstellung, obwohl in der katholischen Kirche Nacktheit durch Adam und Evas Vertreibung aus dem Paradies mit Scham und Strafe behaftet war.
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Die Renaissance entdeckt den Akt neu
Ungefähr zu der Zeit, als die Laokoon-Gruppe aufgefunden wurde, verhalfen die Künstler der Renaissance wie Michelangelo oder Albrecht Dürer dem Akt zu neuer Blüte. Von letzterem stammt das älteste Bild, das die Kunsthalle Bremen in ihrer Schau "Manns-Bilder" zeigt. Es handelt sich um Dürers Holzschnitt "Das Männerbad", der auf die Jahre 1496/97 datiert wird. Darauf abgebildet ist eine Gruppe von sechs nur knapp bekleideten Männern, die gemeinsam musizieren und trinken. Dürer fertigte den Holzschnitt an, nachdem er von seiner ersten Italienreise zurückgekehrt war. Dieser Reise folgte eine intensive Auseinandersetzung mit dem nackten menschlichen Körper.
Mit einem Akt konnten verschiedene Sujets verhandelt werden: mythologische, biblische oder weltliche. Ein beliebtes Motiv waren christliche Märtyrer, deren verletzlicher Körper durch den Akt - häufig waren sie bis auf einen Lendenschurz nackt - in den Vordergrund gestellt wurden. So fertigte Dürer um 1500 zwei Kupferstiche des heiligen Sebastians an, der den Beschuss mit Pfeilen wie durch ein Wunder überlebte.
"Manns-Bilder": 80 Werke in zwei Sälen
Was gilt als männlich, welcher Körper in der jeweiligen Epoche als schön? Die in der Kunsthalle Bremen gezeigten Zeichnungen und Druckgrafiken geben einen Eindruck von den jeweils vorherrschenden Vorstellungen ihrer Entstehungszeit. Die jüngsten papiernen Werke stammen aus dem 20. Jahrhundert. An die 80 Werke, hauptsächlich aus dem eigenen Bestand, sind in den beiden Studiensälen des Kupferstichkabinetts zu sehen.
Auch die Frage der Perspektive auf den männlichen Akt wird verhandelt. Was heute selbstverständlich ist, war in den vergangenen Jahrhunderten praktisch unmöglich: Aktdarstellungen von weiblichen Künstlerinnen. Bis ins 20. Jahrhundert wurde Frauen der Zugang zu staatlichen Kunstakademien verwehrt. So blieb etwa Paula Modersohn-Becker nichts anderes übrig, als sich in privaten Schulen in Berlin und Paris zu schulen. Dort lernte sie das Zeichnen nach männlichem Aktmodell, zahlreiche ihrer Aktstudien sind erhalten.
Ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind Neuentdeckungen von Giulio Clovio und Anton Raphael Mengs, Kupferstiche von Marcantonio Raimondi und Hendrick Goltzius und selten gezeigte Blätter von Rembrandt und eben auch von Paula Modersohn-Becker.
Die Ausstellung "Manns-Bilder. Der männliche Akt auf Papier” ist vom 6. Juli bis zum 6. November 2022 in der Kunsthalle Bremen zu sehen.