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Politik

Al-Baschir in Katar: Besuch bei Freunden?

Kersten Knipp | Siham Ouchtou
23. Januar 2019

Der sudanesische Präsident ist in Katar von Emir Prinz Tamim al-Thani empfangen worden. Beide Staatschefs verfolgen gemeinsame Interessen. Die Sudanesen beäugen den Besuch ihres Staatschefs mit abgeklärter Skepsis.

Katar Ankunft Omar al-Baschir, Präsident Sudan
Bild: picture-alliance/AP Photo/Qatar News Agency

Freundlich lächelnd spazierten sie über das Rollfeld: der sudanesische Präsident Omar al-Baschir und sein Gastgeber Prinz Tamim bin Hamad al-Thani, der Emir von Katar. Entsprechend freundlich verliefen Medienberichten zufolge die anschließenden Gespräche - auch wenn ein Anliegen des sudanesischen Präsidenten zumindest vorerst nicht in Erfüllung ging: Dringend benötigtes Geld, das zur Befriedung des seit Wochen von Protesten erschütterten Landes beitragen soll, wird er von seinem Besuch wohl nicht mit nach Hause bringen.

Mit vier Milliarden US-Dollar hatte das kleine, reiche Emirat die Entwicklung des sudanesischen Hafens Suakin im vergangenen Jahr unterstützt - eine ökonomische Investition, die der Regierung in Khartoum, die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor Augen, politisch höchst willkommen war. Neues Geld blieb nun zwar aus. Immerhin versprach der Emir aber, sein Land unterstütze "die Einheit und Stabilität" des Sudan - wie auch immer diese Hilfe aussehen mag.

Sudan und Katar: gemeinsame Interessen

An dieser Hilfe habe Katar erhebliches Interesse, sagt der libanesische Journalist Amin Qamoriah der DW. Sudan ist zwar kein unmittelbarer Nachbar des Emirats. Aber als Anrainerstaat des Roten Meers ist es für den Kleinstaat am Golf, der vor allem von seinen Bodenschätzen lebt, von erheblicher Bedeutung. Denn käme es zu Unruhen in dem ostafrikanischen Land, hätte das schnell auch Auswirkungen auf den internationalen Schiffsverkehr zwischen Asien und Europa. Dieser verläuft zu erheblichen Teilen durch das Rote Meer und den daran sich anschließenden Suezkanal wie durch ein Nadelöhr. "Aus diesem Grund setzt sich Katar für Stabilität im Sudan ein", so Qamoriah. Darum hatte Katar auch bereits im Darfur-Konflikt vermittelt.

Auch verbinde beide Staaten eine politische Nähe zur Muslimbruderschaft. Deren Programm eines gemäßigten Islam als ideologische Staatsgrundlage wird in beiden Ländern geschätzt. Verbunden sind die beiden Staaten auch durch die Präsenz von rund 60.000 sudanesischen Gastarbeitern in Katar.

Volkszorn: Proteste nach dem Tod eines Demonstranten in Khartum, 18.1.2019Bild: Reuters/M.N. Abdallah

Außenpolitische Erfolge

Die Reise in das Emirat dürfte Präsident al-Baschir aber nicht nur um materieller Unterstützung willen unternommen haben, sagt Philipp Jahn, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum. "Viele Sudanesen nehmen an, es gehe ihm auch darum, seine außenpolitischen Erfolge fortzusetzen." Zu diesen zählt etwa die Aufhebung der gegen den Sudan verhängten Sanktionen im Herbst 2017. Dazu zählen auch der - aus westlicher Sicht fragwürdige - Empfang durch den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in Damaskus im Dezember des vergangenen Jahres. Gerne verweist al-Baschir auch auf die neue Kooperation mit Russland, die im Frühjahr und Sommer des vergangenen Jahres vereinbart worden war.

Erfolge konnte Al-Baschir auch in Verhandlungen mit der Türkei vorweisen: Bei einem Besuch im Dezember vergangenen Jahres in Khartoum unterschrieb der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einen Leasingvertrag für die kleine Insel vor der Hafenstadt Suakin - eine touristische Destination, die aufgrund ihrer Lage aber auch strategisch von Bedeutung sein könnte. Bisher allerdings, hat sich dort seit dem Besuch Erdogans kaum etwas verändert.

"Wenn Al-Baschir nun nach Katar reist, so dürfte er die Reihe seiner außenpolitischen Erfolge um einen weiteren ergänzen wollen", sagt Philipp Jahn. Viele Sudanesen nehmen an, dass er sich durch diesen Besuch weiter profilieren will, um damit seine Position im eigenen Land zu stärken."

Über Jahrzehnte gewachsene Missstände

Ob der Empfang in Katars Hauptstadt Doha Eindruck auf Nord-Sudanesen machen wird, ist offen. Seit Wochen protestieren sie gegen die wirtschaftlichen Engpässe und die Inflation in ihrem Land. "Die Menschen protestieren gegen Missstände, die über mehrere Jahrzehnte gewachsen sind", sagt der Journalist Amin Qamoriah. "Um sie zu beheben, braucht es grundlegenden Änderungen am System selbst."

Unter Druck: Präsident Al-Baschir während einer Rede vor Anhängern in Khartum, 9.1.2019Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Hjaj

Die Demonstrationen hatten sich zunächst an gestiegenen Brotpreisen entzündet. In einigen Landesteilen gab es sogar überhaupt kein Brot mehr." Bald schon hatten die Proteste einen politischen Charakter angenommen und richteten sich gegen die Regierung Omar al-Baschirs, der 1989 durch einen Putsch an die Macht gekommen war. Durch die Unabhängigkeit des südlichen Landesteils hat das Land große Erdölvorkommen und damit einen erheblichen Teil seiner finanziellen Ressourcen verloren. Das hat den wirtschaftlichen Druck zusätzlich erhöht.

"Wir wollen einen neuen Sudan"

Bislang sind bei den Protesten mindestens 26 Menschen ums Leben gekommen, vornehmlich durch die rigoros vorgehenden Sicherheitskräfte des Regimes. Dies hat den Unmut der Demonstranten wachsen lassen. Ihren Wunsch nach grundsätzlicher Veränderung spiegelt auch ihr Slogan wider: "Wir wollen einen neuen Sudan".

Noch sieht es nicht danach aus, dass der Präsident dem Druck der Straße nachgeben würde. Allerdings sei vielen Sudanesen klar, dass sein Rücktritt die Probleme des Landes nicht unmittelbar lösen würde, sagt Philipp Jahn. "Das Land befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Wirtschaft wird aber nicht besser, nur weil plötzlich ein anderes Regime an die Macht kommt. Ich glaube darum, dass viele Oppositionellen, selbst wenn sie es könnten, ungern sofort die Macht übernehmen würden. Eine Forderung ihrer Proteste ist daher auch die Bildung einer Übergangsregierung aus Technokraten." Eine personelle Veränderung, spricht sich derzeit herum, wäre also nur der erste Schritt, dem weitere, grundlegende folgen müssten.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika