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PolitikSyrien

Al-Baschir: Syrer sollen "Ruhe und Stabilität genießen"

Veröffentlicht 11. Dezember 2024Zuletzt aktualisiert 11. Dezember 2024

Der Chef der Übergangsregierung wie auch HTS-Anführer Al-Dschulani sind darum bemüht, eine neue, friedliche Ära für Syrien zu beschwören. Der Westen hofft und mahnt zugleich. Aus Israel kommen ernste Warnungen.

Der syrische Übergangsregierungschef Mohammed al-Baschir am Kabinettstisch in Damaskus
Mohammed al-Baschir soll bis Anfang März 2025 die syrische Übergangsregierung führenBild: Stringer/SANA/AFP

Der Chef der syrischen Übergangsregierung hat nach dem Sturz des Machthabers Baschar al-Assad zu "Stabilität und Ruhe" in dem Nahost-Land aufgerufen. In einem Interview des arabischen Senders Al Jazeera sagte Mohammed al-Baschir, es sei nun für das Volk an der Zeit, "Stabilität und Ruhe zu genießen" und zu wissen, dass die Regierung die Dienste erbringe, die es brauche. Al-Baschir hatte zuvor im Telegram-Kanal des syrischen Staatsfernsehens erklärt, er sei damit beauftragt worden, bis zum 1. März eine Übergangsregierung zu führen.

In einem Interview der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" rief al-Baschir zudem die syrischen Flüchtlinge in aller Welt auf, in ihre Heimat zurückzukehren: "Mein Appell richtet sich an alle Syrer im Ausland: Syrien ist jetzt ein freies Land, das seinen Stolz und seine Würde wiedererlangt hat. Kommen Sie zurück!"

Bislang war al-Baschir der Chef der von der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) ausgerufenen "Regierung" in der Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes gewesen. Kämpfer unter Führung der HTS hatten am Wochenende die Hauptstadt Damaskus erobert und Assad gestürzt. Der Einnahme der syrischen Hauptstadt war ein rasanter Vormarsch der Milizen durch das Land vorangegangen. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen wird, floh nach Russland.

Der Anführer der islamistischen Miliz HTS, Abu Mohammed al-Dschulani, bei einer Ansprache in der Umayyaden-Moschee in DamaskusBild: Omar Albam/AP/dpa/picture alliance

Al-Dschulani: "Auf dem Weg zu Entwicklung und Wiederaufbau"

HTS-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani hatte bereits Gespräche über eine Machtübergabe angekündigt und erklärt, an Folter und Kriegsverbrechen beteiligte hochrangige Ex-Beamte zur Verantwortung zu ziehen. Am Dienstag bemühte er sich, Befürchtungen über die Zukunft Syriens zu beschwichtigen: Dem britischen Sender Sky News sagte er, das Land steuere nicht erneut auf einen Krieg zu. "Syrien wird wiederaufgebaut werden (...)", sagte al-Dschulani. "Das Land ist auf dem Weg zu Entwicklung und Wiederaufbau. Es geht in Richtung Stabilität." Die Menschen seien "vom Krieg erschöpft", fuhr er fort. "Das Land ist also nicht bereit für einen weiteren und wird auch nicht in einen weiteren geraten." Abu Mohammed al-Dschulani ist der Kampfname des Milizenchefs. Seit dem Umsturz in Syrien nutzt er auch wieder seinen bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa. 

Der Umayyaden-Platz in Syriens Hauptstadt ist weiter der zentrale Treffpunkt für die Menschen, die ihre Freude über den Sturz von Langzeit-Machthaber Baschar al-Assad ausdücken wollenBild: NAEL CHAHINE/Middle East Images/AFP/Getty Images

Kallas: "Kein zweites Irak, Libyen oder Afghanistan" 

US-Außenminister Antony Blinken forderte alle Nationen dazu auf, einen "inklusiven" politischen Prozess in Syrien zu unterstützen. Die künftige Regierung in Damaskus müsse "glaubwürdig, inklusiv und nicht sektiererisch" sein und verhindern, dass Syrien "als Basis für den Terrorismus" genutzt werde, sagte Blinken in Washington. Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) hält zwar keine syrischen Gebiete mehr unter ihrer Kontrolle, ist aber nach wie vor aktiv. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, IS-Kämpfer hätten 54 Soldaten der Regierung gefangengenommen und getötet.

Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas warnte in diesem Zusammenhang, dass Syrien kein zweites LibyenAfghanistan oder kein zweiter Irak werden dürfe. Konfessionelle Gewalt gelte es ebenso zu verhindern wie ein Wiederaufleben des Extremismus und ein Regierungsvakuum, so Kallas.    

Netanjahu: "Israel wird einen hohen Preis fordern"    

Derweil weitete Israel seine Luftangriffe auf das Nachbarland massiv aus. Nach eigenen Angaben flog die israelische Armee seit Sonntag bereits rund 480 Luftangriffe auf militärische Ziele in Syrien. Die Armee habe "einen Großteil der strategischen Waffenlager" in Syrien ins Visier genommen und "verhindert, dass sie Terroristen in die Hände fallen". Zuvor hatte Israels Verteidigungsminister Israel Katz erklärt, die Marine seines Landes habe in der Nacht auf Dienstag "mit großem Erfolg die syrische Flotte zerstört".

Der Hafen der syrischen Stadt Latakia am Dienstag nach einem israelischen Luftangriff Bild: BILAL ALHAMMOUD/Middle East Images/AFP/Getty Images

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte die neuen syrischen Machthaber davor, ein Wiedererstarken des iranischen Einflusses in Syrien zuzulassen. Jede Bedrohung für Israel werde unerbittlich bekämpft. "Wenn das neue Regime in Syrien dem Iran erlaubt, sich wieder zu etablieren, oder den Transport iranischer Waffen an die (libanesische) Hisbollah zulässt, werden wir energisch reagieren und einen hohen Preis fordern", betonte Netanjahu. Was zuvor mit dem Assad-Regime geschehen sei, werde dann auch mit der neuen syrischen Führung geschehen.

Unter Assad war Syrien ein wichtiger Bestandteil der vom Iran angeführten "Achse des Widerstands" gegen Israel, zu der auch die Hisbollah-Miliz im Libanon und die Hamas im Gazastreifen gehören. Beide Organisationen werden von zahlreichen Staaten als Terrororganisationen gelistet.

Feuerpause zwischen Kurdenmilizen und pro-türkischen Kämpfern

Unterdessen kündigten die von den USA unterstützten Kurdenmilizen im Norden Syriens an, sich im Rahmen einer Waffenruhe mit den Türkei-nahen Milizen aus der Stadt Manbidsch zurückzuziehen. Der Kommandeur der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, bezeichnete die Vereinbarung als Mittel zum Schutz von Zivilisten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatte zuvor bestätigt, dass die von Ankara unterstützte Syrische Nationale Armee (SNA) die Kontrolle in Manbidsch nach schweren Gefechten übernommen habe.

Kämpfer der pro-türkischen Syrischen Nationalen Armee (SNA) vor wenigen Tagen auf dem Weg nach ManbidschBild: Mutez Muhammed/Anadolu/picture alliance

Um die Stadt nahe der türkischen Grenze mit rund 70.000 Einwohnern gab es zuvor zwei Wochen lang Kämpfe - parallel zum Vormarsch der von Islamisten angeführten Rebellenallianz in Richtung Damaskus. Manbidsch ist für die Ziele der Türkei in Syrien von großer Bedeutung. Es war die letzte von den Kurdenmilizen kontrollierte Stadt westlich des Flusses Euphrat. Die Türkei will die Kurdenmilizen in Gebiete östlich des Flusses drängen - möglicherweise für einen weiteren Vormarsch der protürkischen Gruppen bis zur syrisch-kurdischen Grenzstadt Kobane.

sti/se (afp, dpa, rtr)