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Politik

Al-Sisi, Präsident auf Lebenszeit?

6. Februar 2019

Der ägyptische Präsident al-Sisi strebt offenbar mindestens noch eine weitere Amtszeit an. Dazu wird die Verfassung überarbeitet. Nicht oder kaum begrenzte Herrschaft hat Tradition in der Region. Kritiker sind besorgt.

Bildkombo | Umar al-Baschir | Abd al-Fattah as-Sisi | Abd al-Aziz Bouteflika
Auf ewig im Amt: der sudanesische Präsident Omar al-Baschir (li.), der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika (re.) - und bald auch Abdel Fattah al-Sisi (Mi.)?Bild: picture-alliance/dpa/epa/abaca/K. E. Fiqi/R. Meigneux/M. Messara

Die zweite Amtszeit des ägyptischen Staatspräsidenten Abdel Fattah al-Sisi ist noch nicht einmal ein Jahr alt, da sorgen sich der Amtsinhaber und seine Berater bereits um deren Ende. Die Amtszeit an der Staatsspitze dauert vier Jahre, so will es die Verfassung. Ebenso will sie, dass der Präsident dem Land nur zwei Legislaturperioden vorstehen kann. Für al-Sisi wäre damit im Jahr 2022 endgültig Schluss.

Das aber soll nach Ansicht seiner Unterstützer nicht sein. So sind seine Berater damit befasst, Vorschläge für eine Verfassungsreform auszuarbeiten, die die Amtszeit um zwei auf dann sechs Jahre verlängern soll. Weil die neue Regelung uneingeschränkt für jeden Kandidaten, auch für den derzeitigen Amtsinhaber, gelten soll, könnte auch al-Sisi nach 2022 noch einmal ganz neu antreten. Er bliebe den Ägyptern dann bis zum Jahr 2034 erhalten. Er wäre dann 79 Jahre alt.

Tradition der langen Herrschaft

Die derzeitigen Vorbereitungen für eine Verfassungsänderung lassen vermuten, dass al-Sisi gewillt ist, sich in die Reihe der über lange oder sogar sehr lange Amtszeiten regierenden Staats- und Regierungschefs einzugliedern, die bislang ein Kennzeichen der Region waren: al-Sisis Amtsvorgänger Husni Mubarak regierte Ägypten fast 30 Jahre, vom Oktober 1981 bis zum Februar 2011. Als die Ägypter ihn stürzten, war er fast 83 Jahre alt. Noch länger regierte libysche Staatspräsident und Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi sein Land, nämlich von 1969 bis 2011. Auch Gaddafi wurde im Revolutionsjahr 2011 gestürzt.

Autokraten unter sich: Muammar al-Gaddafi (Mi.) mit dem damaligen jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh (li.) und dem ehemaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak (re.), Oktober 2010 Bild: Reuters/A. Waguih

Zu den derzeit am längsten amtierenden Präsidenten der Region gehört der sudanesische Staatschef Omar al-Baschir, der das Land seit einem Putsch im Jahr 1989 regiert. Wie einst Mubarak und Gaddafi sieht er sich derzeit einer mächtigen, seinen Rücktritt fordernden Oppositionsbewegung gegenüber. Immerhin ist al-Baschir, 75, halbwegs jung im Vergleich mit seinem algerischen Amtskollegen Abdelaziz Bouteflika. Der wird in wenigen Tagen 82 Jahre alt, hat mehrere Schlaganfälle hinter sich und soll bei den kommenden Präsidentschaftswahlen in Kürze für eine weitere, die dann fünfte Amtszeit antreten. Und das, obwohl der greise Präsident in der Öffentlichkeit so gut wie überhaupt nicht mehr zu sehen ist.

Elite profitiert von autoritärem System

Nun also bereitet sich offenbar Abdel Fattah al-Sisi auf eine lange Herrschaft vor - wenig beeindruckt offenbar von dem Volkszorn, der seinen Vorgänger 2011 aus dem Amt trieb. Vordergründig kann sich al-Sisi auf hohe Zustimmung berufen: Bei den Wahlen im Frühjahr vergangenen Jahres konnte er 97 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Allerdings trat auch nur ein einziger, sich fast schon devot gebender Herausforderer an. Die anderen hatten es angesichts wachsenden politischen und juristischen Drucks, der bis zu fragwürdigen Verhaftungen reichte, vorgezogen, ihre Kandidatur zurückzuziehen.

Al-Sisi, hieß es nach der Wahl in einem Kommentar des Think-Tanks Council on Foreign Relations, setze damit die von Gamal Abdel Nasser begründete Geschichte autoritär regierender Staatschefs in Ägypten fort. "Die Lektion dieser Geschichte ist nicht, dass ägyptische Bürger für eine gerechtere, offenere und demokratischere Gesellschaft nicht vorbereitet wären. Eher zeigt sie, dass die ägyptische politische Elite immer vom autoritären System des Landes profitiert hat und es darum auf absehbare Zeit verteidigen wird."

Alaa al-Aswani: "Wir wagen es nicht, den Mund aufzumachen"

Al-Sisi, argwöhnt der ägyptische Erfolgsautor Alaa al-Aswani in seiner auf Arabisch verfassten DW-Kolumne, sei offenbar nicht willens, sein Amt nach der regulären Zeit zu verlassen. "Die Manipulation der Verfassung heißt, dass al-Sisi den Willen der Ägypter missachtet. Die Ägypter sind für ihn nicht Bürger, sondern bloß Bewohner des Landes, und der Herrscher kann mit ihnen jederzeit tun, was immer ihm beliebt. Die Manipulation bedeutet, dass wir unseren Willen und unsere Würde verloren haben und zu untergeordneten Wesen geworden sind, die weder zu denken, Einwände zu erheben oder auch nur zu sprechen wagen."

Auch andere prominente Ägypter äußerten sich kritisch. So etwa Mohammed el-Baradei, der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomorganisation, der vor allem die Verlängerung der Amtszeit und die schwindende Unabhängigkeit der Justiz anprangert.

Ebenfalls in scharfen Worten kommentierte der bekannte ägyptische Blogger The Big Pharaoh die Arbeiten zum Umbau der Verfassung. Dabei sei die Gesellschaft schon jetzt apathisch und verängstigt. Zudem vermisst er die Solidarität des Westens mit der ägyptischen Zivilgesellschaft.

Politikexperte: Ägypten hat Phase des "Chaos" hinter sich

Anders sieht es Ayman Samir, Außenpolitikexperte bei der Zeitung Al-Ahram. Die Überarbeitung der Verfassung sei nötig, sagt er im Gespräch mit der DW. Das Land habe eine Zeit des "Chaos" hinter sich und sei nun dabei, sich zu stabilisieren. Seit dem Amtsantritt al-Sisis sei der Terrorismus erfolgreich bekämpft worden. Auch sei die Arbeitslosenrate gefallen. Das Staatsdefizit sei reduziert worden, das Land befinde sich wieder auf Wachstumspfad. "Wenn jetzt die Verfassung überarbeitet wird, erlaubt das Präsident al-Sisi, mit seiner erfolgreichen Arbeit fortzufahren und sich für noch größere Stabilität einzusetzen."

Zudem, deutet Ayman Samir an, habe al-Sisi zumindest die implizite Unterstützung des Westens. "Der Westen will sich nach den Erfahrungen des Arabischen Frühlings nicht noch einmal in die inneren Angelegenheiten der arabischen Staaten einmischen." Dieser hätte den europäischen Ländern vor allem Terrorismus und eine hohe Zahl von Flüchtlingen gebracht.

Im Dialog: Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Abdel Fattah al-Sisi, Kairo, 3.2.2019Bild: picture-alliance/dpa/O. Zoheiry

"Heute hat man Angst vor dem Staat"

Tatsächlich äußerte sich der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bei seinem Besuch in Kairo zu Beginn dieser Woche zurückhaltend. Präsident al-Sisi habe eine klare Position, so Altmaier im DW-Interview:  "Dass er nämlich darauf Wert legt, dass Ägypten mit anderen Ländern nicht vergleichbar ist, sondern nur mit Ländern in dieser Region. Für mich ist entscheidend, das wir alles unterstützen, was letzten Endes auch die Entstehung einer Zivilgesellschaft stärkt und zu mehr Menschen mit Bürgerrechten führt."

Ob es dahin kommt? Der ägyptische Politikwissenschaftler Amr Hamzawy, der seit 2015 in den USA lebt und inzwischen an der Universität Stanford unterrichtet, glaubt nicht daran. Die Lage der Menschenrechte habe sich im Vergleich zur Regierung Mubarak massiv verschlechtert, erklärte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur EPD. "Früher hatte man Angst vor der Staatssicherheit, heute hat man Angst vor dem Staat."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika