"Alan Kurdi" steuert Olbia auf Sardinien an
24. September 2020Das deutsche Schiff "Alan Kurdi" (Archivbild) darf 125 aus dem Mittelmeer gerettete Migranten nun doch in Italien an Land lassen. Der Vorsitzende des Betreibervereins Sea-Eye, Gorden Isler, teilte mit, Olbia, im Norden Sardiniens gelegen, sei dem Schiff von der Rettungsleitzentrale in Rom als sicherer Hafen zugewiesen worden. Ein Offizier der italienischen Küstenwache habe per Funk mitgeteilt, die Ausschiffung solle bis Freitagmittag stattfinden, so Isler. Mit dem Eintreffen in Olbia rechnete er für Freitagmorgen.
Andere europäische Länder sollten den größten Teil der Menschen übernehmen, hieß es aus dem Innenministerium in Rom. Ein Verfahren zur Verteilung der Migranten innerhalb der EU sei auf dem Weg.
Inzwischen erreichte die "Alan Kurdi" den Hafen von Arbatax auf der Mittelmeerinsel. Dort solle dem Schiff Schutz vor schlechtem Wetter gewährt werden, erklärte Sea-Eye. Die deutschen und italienischen Behörden müssten nun sagen, warum man sich vier Tage lang "aus der Verantwortung gestohlen" habe.
Die "Alan Kurdi" hatte am Samstag in drei Einsätzen vor der libyschen Küste insgesamt 133 Menschen aus Seenot gerettet und vor der italienischen Insel Lampedusa vergeblich auf eine Erlaubnis zur Einfahrt in einen europäischen Hafen gewartet.
Acht Personen hatte die italienische Küstenwache am Dienstag von Bord geholt, darunter fünf Kinder. Anlegen durfte das Schiff jedoch nicht - weder Malta noch Italien oder der Flaggenstaat Deutschland hätten auf entsprechende Gesuche reagiert, so Sea-Eye. Die "Alan Kurdi" steuerte daraufhin den ursprünglichen Zielhafen Marseille in Südfrankreich an. Die Regierung in Paris habe allerdings an Italien appelliert, die humanitären Grundsätze zu beachten, wonach das Schiff im nächstgelegenen Hafen anlegen müsse. Später habe die italienische Rettungsleitstelle zwecks Wetterschutz den Hafen auf Sardinien vorgeschlagen.
Viel mehr Überfahrten als im Vorjahr
In diesem Jahr nahm die Zahl der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer deutlich zu. Die Menschen versuchen überwiegend von Libyen und Tunesien aus, in die EU zu gelangen, wobei viele von ihnen dabei ums Leben kommen. Gerettete Migranten müssen oft Tage oder Wochen auf Schiffen ausharren, ehe sie an Land gehen dürfen.
Die italienische Regierung plant offenbar, ein umstrittenes Sicherheitsdekret zu ändern, das der damalige Innenminister Matteo Salvini erlassen hatte. Die Zeitung "La Repubblica" schreibt, die drakonischen Strafen für ausländische private Seenotretter sollten abgeschafft werden.
Seit 2019 mussten Schiffsbesatzungen, die unerlaubt mit Migranten in italienische Gewässer einfuhren, mit einer Millionenstrafe rechnen. Laut dem Bericht soll die Höchstsumme nun auf das frühere Strafmaß, 50.000 Euro, reduziert werden. Zugleich würden das Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten untersagt und Abschiebungen verboten, sofern den Migranten im Herkunftsland Folter oder unmenschliche Behandlung drohe.
jj/se (dpa, afp, epd, kna)