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Albaner retteten fast 2000 Juden

Aida Cama21. Dezember 2012

Während des Zweiten Weltkriegs retteten die mehrheitlich muslimischen Albaner fast 2000 Juden vor der Deportation in Konzentrationslager - zum Beispiel die Familie von Johanna Jutta Neumann.

Porträt von Johanna Jutta Neumann als junges Mädchen (Foto: DAFG Verlag)
Bild: DAFG Verlag

"Die Albaner waren fantastisch - dort gab es nach dem Krieg sogar mehr Juden als vor dem Krieg", sagt die 83-jährige Johanna Jutta Neumann. Während des Zweiten Weltkriegs fand die Jüdin aus Hamburg Schutz bei einer muslimischen Familie in Albanien. In dem kleinen südosteuropäischen Land lebten vor dem Krieg nur knapp 200 Juden (bei einer Gesamtbevölkerung von damals weniger als einer Million Einwohnern) - und kurz danach mehr als 2000.

Heute wohnt Johanna Jutta Neumann in Washington. Nach Deutschland wurde sie von der Deutsch-Albanischen Freundschaftsgesellschaft eingeladen, um ihr Buch "Umweg über Albanien" vorzustellen. Darin beschreibt sie die Flucht ihrer Familie im Frühjahr 1938 in das damals von italienischen Truppen besetzte Albanien. Die Albanische Botschaft in Berlin stellte Juden noch bis 1942 Visa aus. So beantragten bis zum Sommer 1943 viele Juden aus Europa Asyl in Albanien, weil das in anderen Ländern nicht mehr möglich war.

Hilfe für den Gast: Eine Frage der Ehre

Dem Gast ("Mikut") soll man in Albanien nach althergebrachter Sitte persönliche Treue und Gastfreundschaft entgegen bringen und für seine Sicherheit garantieren. Gibt der Albaner dem Gast sein Wort, also die "Besa", dann muss er auch dazu stehen. Genau diese Tradition trug dazu bei, dass zwischen 1938 und 1945 Juden aus ganz Europa einen sicheren Zufluchtsort in einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung finden konnten. Dort lebten die meisten von ihnen bis Anfang der 1990er Jahre. Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes wanderten viele albanische Juden nach Israel und in die USA aus.

Johanna Jutta Neumann hat ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben

Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis jetzt 69 Albaner mit dem Preis "Gerechter unter den Völkern" geehrt. Einige von ihnen werden auch durch die Wanderausstellung "Besa: Eine Sache der Ehre" gewürdigt, die 2008 zuerst im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York gezeigt wurde und in Deutschland gerade in Dresden zu sehen war. Die nächsten Stationen sind Görlitz und Leipzig.

Auch für die Familie von Johanna Jutta Neumann war Albanien die Rettung vor Deportation und Vernichtung. Zuerst lebten sie in einem Hotel, doch schon bald lernten sie die albanische Gastfreundschaft kennen: "Wir sind nach etwa drei Monaten aus dem Hotel ausgezogen und wohnten bei einer muslimischen Familie. Und da erlebten wir zum ersten Mal die Feste Ramadan und Bajram. Es war wunderbar. Die Leute haben uns behandelt wie ihre eigene Familie."

Albanien als Zufluchtsraum

Zwar versuchten die faschistischen Besatzer auch in Albanien, die Juden zu deportieren. Doch die albanische Bevölkerung weigerte sich, die in ihrem Land lebenden Juden auszuliefern. Sogar Regierungsangehörige statteten jüdische Familien mit falschen Papieren aus.

Die Holocaust-Gedenkstätte Yad VashemBild: picture-alliance/dpa

Viele albanische Bauern nahmen Juden auf und versteckten sie: Zum Beispiel in dem Dorf "Tre Vllaznit" (Drei Brüder), in der Nähe von "Vlora" (Zuflucht), wo die Familie von Anna Cohen Zuflucht fand. "Ich bin kurz nach Kriegsende in Albanien geboren und dort aufgewachsen. Ich habe mich immer als Albanerin jüdischer Herkunft gefühlt. Meine Familie war aus Thessaloniki geflohen", erinnert sich die New Yorker Zahnärztin, die Albanien 1992 verließ.

Was die Situation der Juden angeht, sei Albanien ein Gegenmodell zu den übrigen osteuropäischen Ländern unter nationalsozialistischer Besatzung - es sei zum Zufluchtsraum geworden, schreibt der Historiker und Balkan-Experte Michael Schmidt-Neke aus Kiel in einem Aufsatz.

Zwischen 1938 und 1945 waren über 70 Prozent der albanischen Bevölkerung muslimisch. Die anderen 30 Prozent waren Christen orthodoxer und katholischer Konfession. Diese Verhältnisse hätten zu einer besonderen interreligiösen Toleranz geführt, meint Schmidt-Neke. Die Bereitschaft, verfolgten Juden zu helfen, habe sich durch alle sozialen, religiösen und politischen Gruppen gezogen, erklärt der Wissenschaftler: "Es gab sowohl Leute, die mit dem kommunistischen Widerstand zusammenarbeiteten, die Juden gerettet haben, als auch andere, die mit den Besatzern zusammenarbeiteten und trotzdem Juden bei sich zu Hause versteckt hielten."

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