Albanien kämpft gegen wachsende Müllberge
8. Oktober 2025
Jeden Morgen fahren Müllfahrzeuge kreuz und quer durch die albanische Hauptstadt Tirana und sammeln den Hausmüll der Einwohner ein. Danach fahren sie zur Mülldeponie Sharra, einem wachsenden Müllberg am Stadtrand von Tirana. Sieben Jahre nachdem die Regierung versprochen hat, eine moderne Müllverbrennungsanlage zu bauen, die gleichzeitig Energie erzeugt, ist das Projekt noch immer unvollendet und steht derzeit unter Korruptionsverdacht.
Tirana ist die Heimat von fast einer Million Menschen, etwa ein Drittel der albanischen Gesamtbevölkerung. Die rasch wachsende Stadt produziert fast die Hälfte des städtischen Mülls, der in Albanien anfällt. Doch ihre Infrastruktur ist in den letzten Jahren nicht ausreichend mitgewachsen und kann den zunehmenden Anforderungen nicht standhalten. Die Müllabfuhr ist unregelmäßig, Recycling ist nahezu nicht existent, und die Hauptdeponie nähert sich ihrer Kapazitätsgrenze.
Der Umweltexperte Olsi Nika, Direktor der Nichtregierungsorganisation Eco Albania, sagt, dass die Abfallkrise der Hauptstadt einen kritischen Punkt erreicht hat. "Das liegt nicht nur an schlechter Verwaltung. Das ganze System hat nie wirklich funktioniert", sagt er. "Die Verbrennungsanlagen, die das Problem lösen sollten, wurden nie in Betrieb genommen, und die Sammelstellen um sie herum sind jetzt überfüllt. In Sharra, der Hauptdeponie der Hauptstadt, wurde zwar ein neuer Abschnitt eröffnet, aber sie kann nicht unbegrenzt erweitert werden."
Die Situation in Tirana spiegelt das größere Problem im ganzen Land wider. Laut dem Nationalen Statistikinstitut (INSTAT) fielen in Albanien im Jahr 2022 etwa 820.000 Tonnen städtischen Abfalls an. Fast 77 Prozent wurden auf Deponien gebracht, weniger als 20 Prozent recycelt und der Rest entweder verbrannt oder gar nicht erst eingesammelt.
Für Nika bestätigen diese Zahlen, wie fragil das ganze System ist. "Die Kommunalverwaltungen haben weder die Kapazitäten noch die Koordinationsfähigeit, um die Abfallentsorgung angemessen zu managen", erklärt er im Gespräch mit der DW. "Die meisten von ihnen arbeiten ohne angemessene Infrastruktur, und die Abfalltrennung an der Quelle - also in den Haushalten selbst - ist nahezu nicht existent."
EU-Standards und lokale Probleme
Reformen im Umweltsektor sind für Albanien zum größten Prüfstein auf seinem Weg zu einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union geworden. Die Abfallwirtschaft, lange Zeit als lokales Problem betrachtet, ist in den Mittelpunkt der EU-Beitrittsagenda des Landes gerückt. Kapitel 27 der EU-Beitrittsverhandlungen deckt Umwelt und Klima ab und gilt weithin als das komplexeste und teuerste Kapitel, das es zu erfüllen gilt.
Der albanische Ministerpräsident Edi Rama bezeichnete es als "das herausforderndste Verhandlungs-Kapitel und den schwierigsten Teil unseres EU-Beitritts". Er gab zu, dass die Fortschritte bei der Müllentsorgung und -verwertung bisher überschaubar seien.
Als Reaktion darauf hat die Regierung einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines integrierten Abfallmanagements vorgelegt und Pläne angekündigt, eine nationale Entsorgungsfirma zu gründen. Sie soll die Sammlung und Behandlung des Mülls landesweit koordinieren. Diese Reform wäre eine Abkehr vom bisherigen System, bei dem die Gemeinden die Abfallbewirtschaftung verantworten, hin zu einem zentralisierten System. Ziel ist es, die Effizienz der Müllentsorgung zu verbessern und die nationale Gesetzgebung an die Umweltstandards der EU anzunähern.
Umweltexperte Olsi Nika sagt, diese Reform könnte helfen, aber nur, wenn sie über eine institutionelle Umstrukturierung hinausgeht. "Zentralisierung könnte die Koordination verbessern", erklärt er, "aber ohne politischen Willen, ohne Transparenz und Finanzierung wird das neue Gesetz dasselbe Schicksal erleiden wie frühere Strategien".
Vermüllte Flüsse - Schaden für den Tourismus
Die 25-jährige Umweltaktivistin Denisa Kasa verbringt ihre Wochenenden damit, entlang verschmutzter Flüsse zu wandern. Im vergangenen Jahr gründete sie die Bürgerinitiative "Rrjedha", die sich der Erkundung und Säuberung der Flüsse Albaniens widmet. Was als kleine Aktion begann, hat inzwischen mehr als 180 Freiwillige im ganzen Land angezogen.
"Viele Flüsse sind zu Transportadern für Abfälle geworden", klagt Denisa. "In vielen Dörfern gibt es keine Müllbehälter oder Sammeldienste, so dass die Menschen ihren Müll direkt in den Fluss werfen oder am Ufer entsorgen." Durch Aufräumaktionen versuchen die Freiwilligen, unter der lokalen Bevölkerung Mitstreiter zu finden und sie zu ermutigen, an zukünftigen Aktionen teilzunehmen. Aber, fügt Denisa hinzu, das Bewusstsein für die Problematik sei noch begrenzt. "Die Menschen erwarten oft, dass die Veränderung von irgendwo anders herkommt, nicht von ihnen selbst. Und die Umweltinstitutionen haben bisher wenig getan, um eine Kultur der Eigeninitiative aufzubauen."
Olsi Nika unterstreicht, dass das Problem weit über das hinausgeht, was die Menschen sehen können. "Es geht nicht mehr nur um eine einzige Verschmutzungsquelle", erklärt er. "Flüsse transportieren die Abfälle entlang ihrem Lauf und so gelangen sie in den Boden, ins Grundwasser und sogar in die Luft, wenn Plastik verbrannt wird. Mit der Zeit zerfällt das Plastik in winzige Partikel, die in die Nahrungskette gelangen, eine unsichtbare, aber weit verbreitete Bedrohung."
Für die Umweltaktivistin Denisa Kasa widerspricht die Verschmutzung dem Bild eines touristenfreundlichen Albaniens, das die Regierung in den letzten Jahren gefördert hat. "Tourismus sollte das Letzte sein, was wir fördern, wenn wir schon unsere Abfallmengen nicht bewältigen können", sagt sie. "Die Besucher sehen Plastik entlang der Autobahnen, Flüsse und Strände, also in der Natur, mir wir eigentlich werben wollen." Der Tourismus selbst trage zu dem Problem bei, indem er mehr Konsum fördere und mehr Plastikmüll in die Umwelt bringe. Ohne ein funktionierendes Abfallsystem könnte dies leicht zum Bumerang werden. "Man kann sich immer noch an Albaniens Natur erfreuen, aber es ist schwer, nicht enttäuscht darüber zu sein, wie mit ihr umgegangen wird."
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Englisch.