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Politik

Albanien: Kampagne für ersten "Wildflusspark"

22. März 2021

Wissenschaftler und Umweltschützer sind sich einig: Entlang des Flusses Vjosa soll der erste Wildfluss-Nationalpark Europas entstehen. Doch bisher macht die albanische Regierung nicht mit.

Vjosa Tal Fluss Albanien
Blick auf die Kiesinseln und Sandbänke der Vjosa, eines der letzten unberührten Flüsse auf dem Balkan und in EuropaBild: Imago

Leonardo di Caprio warb als erster für den kurzen Film, den der Outdoorartikel-Hersteller Patagonia produziert hat: "Der Vjosa-Fluss, seine Arten und die Lebewesen, die von ihnen abhängen, sind von der dauerhaften Zerstörung durch Dämme bedroht. Sehen Sie sich 'Vjosa Forever' von Patagonia an und unterschreiben Sie die Petition, mit der die albanische Regierung gebeten wird, #VjosaNationalParkNow zu unterstützen", schrieb der Schauspieler und Umweltaktivist am 11.03.2021 auf Twitter.

Der Film ist Teil einer Kampagne von Wissenschaftlern und Umweltaktivisten, die unter dem Hashtag #VjosaNationalParkNow in den sozialen Medien läuft. Ziel ist, dass das gesamte Gebiet des Laufs der Vjosa noch vor den Wahlen in Albanien am 25. April 2021 verbindlich zum ersten Wildfluss-Nationalpark Europas erklärt wird.

Der 270 Kilometer lange Fluss, der in Nordgriechenland als "Aoos" entspringt, fließt durch die steilen Schluchten und Hänge Südalbaniens; dann windet er sich zwischen einzigartigen Kiesinseln und Sandbänken Richtung Nordwesten, wobei er eine Breite von bis zu zwei Kilometern erreicht; nahe der Hafenstadt Vlora mündet er letztlich in die Adria.

38 Staudämme waren nach Angaben des deutschen Umweltverbands EuroNatur bis vor kurzem in der Vjosa geplant. Für zwei von wurden bereits Verträge unterschrieben; mit dem Bau war nur nicht begonnen worden, weil Gerichtsverfahren anhängig sind. 2020 kündigte Albaniens Premierminister Edi Rama dann nach Protesten an, sein Land werde sich aus allen Wasserkraftprojekten zurückziehen.

Unberührte Wildnis

"Die Vjosa ist der letzte unberührte Fluss auf dem Balkan und in Europa", sagt Andrej Sovinc von der internationalen Umweltschutzorganisation "Weltkommission für Schutzgebiete" (IUCN World Commission on Protected Areas, WCPA) im DW-Interview. "Seine Arme, die bis heute nicht durch Wasserkraftwerke unterbrochen werden, transportieren extrem hohe Mengen an Sedimenten, Wasser und Sand, und unterstützen damit eine extrem große Artenvielfalt und viele Lebensräume."

Die steilen Schluchten und Hänge Südalbaniens: Touristen auf der Hängebrücke über den oberen Teil der VjosaBild: picture-alliance/dpa/R.Zimmermann

Über 1175 Tier- und Pflanzenarten wurden bislang in und an der Vjosa nachgewiesen. 39 davon stehen auf der internationalen Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion (International Union of Conservation of Nature, IUCN), etwa der europäische Aal, eine besondere Steinfliege, der Sandlaufkäfer oder die Grabschrecke.

Ende der Staudammpläne?

Am 18.03.2021 präsentierte Andrej Sovinc in einer virtuellen Konferenz den ersten Entwurf einer Studie zum Schutz des gesamten Gebiets entlang der Vjosa. Das Vorhaben wird von mehreren Umweltverbänden unterstützt, darunter neben EuroNatur aus Deutschland auch RiverWatch aus Österreich. Im September 2020 hatte Premier Rama angekündigt, Albanien wolle einen Teil der Vjosa zum Nationalpark erklären.

Der albanische Premierminister Edi Rama bei der EU-Geberkonferenz für Albanien im Februar 2020 in BrüsselBild: DW/A. Bajrami

Stattdessen jedoch erklärte die albanische Regierung einen Teil des Vjosa-Gebiets im Dezember 2020 lediglich zum Naturschutzgebiet, sagt Olsi Nika von der albanischen Nichtregierungsorganisation "Eco Albania" im DW Interview. Gemeinsam mit 19 weiteren albanischen Umweltorganisationen hat er Anfang Februar 2021 Umweltminister Blendi Klosi einen Antrag auf Einrichtung eines Nationalparks entlang des gesamten Flusslaufs übergeben. "Nur so kann man garantieren, dass die nächste Regierung auch wirklich keine Staudämme bauen lässt", erklärt Nika diesen Schritt.

Eine Frage des politischen Willlens

Der Leiter der Agentur für Naturschutzgebiete der Republik Albanien, Zamir Dedej, ist da skeptisch. "Letzten Endes entscheidet der politische Wille, ob man ein Gebiet tatsächlich schützt oder es nur als geschützt bezeichnet", argumentierte Dedej bei der virtuellen Konferenz am 18.03.2021 und positionierte sich damit klar gegen die Einrichtung eines Nationalparks entlang der Vjosa.

"Eco Albania"-Aktivist Olsi Nika (M.) bei einer Demonstration gegen Staudammprojekte im Juli 2019Bild: Besjana Guri

Dass in Albanien politische Macht über dem Gesetz steht, könne man an mehreren aktuellen Projekten in geschützten Gebieten sehen, erklärt Umweltaktivist Nika gegenüber der DW. So habe die Regierung Anfang März 2021 den Bau eines zweiten Flughafens bei Vlora im Süden des Landes freigegeben. Das Baugelände befinde sich mitten in einem Naturschutzgebiet, das zur Region um die Vjosa gehöre. Unweit davon liege einer der wichtigsten Rastplätze für Wandervögel wie Flamingos, Wildenten oder Störche auf ihrem Weg von Europa nach Afrika. Genau deshalb brauche es einen Nationalpark.

Chance Zertifizierung

Auch Michael Succow, deutscher Biologe und Agrarwissenschaftler sowie Träger des Alternativen Nobelpreises, ist für den Wildflusspark. Er hat sich in einem offenen Brief an die Institutionen Albaniens und der EU gewandt, in dem er dafür wirbt, die ganze einzigartige Landschaft um die Vjosa zum Nationalpark zu erklären.

Michael Succow während der Verleihung des Deutschen Umweltpreises in Essen am 8.11.20215Bild: picture-alliance/dpa/Revierfoto

"Ein Nationalpark oder ein nach UN-Kriterien zertifiziertes Weltnaturerbe ist gesichert und kann auch von den EU-Finanzierungen profitieren", argumentiert der 79-Jährige im DW Interview. Das sähe bei einem Naturschutzgebiet anders aus: "Da kann ja jeder machen, was er will: Die einen bauen Stauwerke, die anderen riesige Straßensysteme oder Hotelkomplexe".

Die Vjosa sei ein Geschenk für ganz Europa, betont Succow: "Deshalb mein Rat an die Regierung: Erhaltet diese Landschaft, für Euch, für euer Volk und für Europa."

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