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Politik

Albaniens schutzlose Journalisten

1. Februar 2017

In Albanien warten viele Journalisten monatelang auf ihr Gehalt - manchmal vergeblich. Und der finanzielle Druck ist nicht der einzige, unter dem Medienschaffende im kleinen Balkan-Land leiden.

Journalisten in Albanien - Gruppenfoto A1 News
Das Team von A1 News: Inzwischen wurde der Sender geschlossen Bild: A. Tota

Journalismus ist auch in Albanien für viele ein Traumberuf. Doch dafür zahlen sie oft einen hohen Preis: "Jedes Jahr bekommen rund 90 Prozent der Journalisten in Albanien ihre Löhne mit Verspätung", beklagt der Vorsitzende des Albanischen Journalistenverbands, Aleksander Çipa, im Gespräch mit der DW. Oft komme das Geld erst drei Monate später. Und in rund 75 Prozent der Medienhäuser in Albanien wiederhole sich das regelmäßig. "Die Eigentümer der Privatsender erklären oftmals gar nicht, wieso es dazu kommt", sagt Çipa. 

Viele albanische Journalisten dulden diese Missstände - aus Angst, den Job zu verlieren. Proteste sind eine Ausnahme. Dazu kam es vor wenigen Wochen, als Journalisten, Kameraleute und Techniker die Arbeit abgebrochen haben, um Druck auf den Besitzer ihres Privatsenders A1 News auszuüben. Sie forderten, dass verspätete Monatslöhne ausgezahlt werden. Inzwischen wurde der Sender von den albanischen Behörden geschlossen, ein Gericht soll über die Klagen der Journalisten entscheiden.

Alida Tota, ehemalige Chefredakteurin bei A1 News, wartet immer noch auf das Geld, das ihr zusteht. Sie bezeichnet diese Praxis der Lohnverzögerungen als eine neue Form der "Sklaverei" in albanischen Medienhäusern: "Wir überleben dank unserer Familien. Der Lohn wird zu einem Druckmittel. Nur zwei bis drei Mediengruppen bezahlen pünktlich, so wie es im Arbeitsvertrag steht. Die anderen halten sich an keinen Vertrag."

Alida Tota: Neue Form der "Sklaverei" in albanischen Medienhäusern Bild: A. Tota

"Wer den Lohn einfordert, wird entlassen"

In Albanien können die Besitzer von Medienunternehmen Druck auf Mitarbeiter ausüben, ohne Konsequenzen zu befürchten, berichtet Alida Tota. "Am Ende jedes Monats begann dieser Druck erneut. Bekommen wir das Geld oder nicht? Der Chef sagte, dass er kein Geld habe, und dass jeder, der den Lohn einfordert, entlassen wird." Im DW-Interview beantwortete dieser Chef - der Eigentümer des Medienunternehmens - die Frage nach dem Lohn der Journalisten nicht, sondern brach das Gespräch ab. Seine Begründung: Dringende private Probleme.

Die albanischen Journalisten seien der Willkür der Medieneigentümer ausgeliefert, kritisiert der Leiter der Journalismus-Abteilung an der Universität von Tirana, Professor Mark Marku. Zwar regele das albanische Arbeitsgesetzbuch im Detail das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer - allerdings nur theoretisch. In der Praxis sei das Gesetz ein Papiertiger, sagt Marku. "Ein Medieneigentümer kann einen Journalisten innerhalb eines Tages feuern - und nichts passiert. Die Journalisten selbst fordern ihre Rechte nicht ein, weil sie oft in einem nur halb formellen oder sogar informellen Arbeitsverhältnis stehen." 

"Geiselnahme des Journalismus"

Da in Albanien kollektive Tarifverträge fehlen, nach denen sich ein Sender richten müsste, werden die Verträge einzeln abgeschlossen. Aleksander Çipa bezeichnet sie als einseitige Verträge, weil die Bedingungen dem Kandidaten praktisch aufgezwungen werden: "Verträge sind oft so formuliert, dass sie keinen juristischen Wert haben. In vielen Fällen geben die Medieneigentümer ihren Mitarbeitern nicht einmal eine Kopie des Vertrags mit." Diese Praxis sei eine "Geiselnahme des Journalismus", warnt er. All das führe dazu, dass es für Journalisten noch schwieriger sei, unabhängig zu berichten. 

Wie kann ein Journalist seiner Arbeit frei und unabhängig nachgehen, wenn er oftmals zu spät oder gar nicht bezahlt wird? Alida Tota antwortet verbittert: "Wissen Sie, was wir Journalisten oft sagen? Um diesen Beruf in Albanien auszuüben, muss man ein Königssohn oder eine Königstochter sein. Unser Beruf wird mit Füßen getreten."

Einige albanische Journalistenverbände - die allerdings nicht mit den traditionellen Gewerkschaften nach europäischem Vorbild gleichzusetzen sind - kämpfen zwar gegen die informelle Beschäftigung von Journalisten und Lohnausfälle. Doch bislang bleibt jeder Erfolg aus: "Denn ihnen steht die Allianz der Medieneigentümer und der Politik gegenüber", sagt Alida Tota.   

Keine Solidarität unter den Journalisten

Dass sich die Politik nicht zu diesen Missständen äußert, liegt aus der Sicht von Aleksander Çipa an "einem schlechten Flirt der politischen Klasse mit den Medieneigentümern". Die nötigen Gesetze seien eigentlich da - man müsse sie nur konsequent anwenden, fordert der Vorsitzende des Albanischen Journalistenverbands. Seine Hoffnungen richtet er auf eine Parlamentarische Kommission für Medien: Sie habe zuletzt die Sorgen des Journalistenverbands zumindest in einer Anhörung registriert.

Viele Journalisten in Albanien klagen über eine Verwicklung der Medieneigentümer und der Politik. Der bekannte albanische Publizist Fatos Lubonja spricht in diesem Zusammenhang von einer "Putinisierung der albanischen Medien": Nur jene Medienhäuser würden überleben, "die eine Verbindung zur politischen Macht haben. Die anderen sind pleite gegangen. Und die Journalisten machen den Mund nicht auf, weil sie um ihr tägliches Brot fürchten müssen."

Die Journalisten in Albanien scheinen also sehr einsam zu sein. Das werden sie auch noch lange bleiben, wenn es keine Solidarität unter ihnen gibt, warnt der Journalist Zamir Alushi: "Es gibt keinen einzigen Streik der Journalisten. Weil die Medieneigentümer der verlängerte Arm der Politik sind, müssen wir selbst für unsere Rechte kämpfen und den Druck auf sie erhöhen."

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