Die Albrecht-Brüder schrieben mit der Erfindung des Discounters Wirtschaftsgeschichte. Die Inflation steigert die Attraktivität der Billiganbieter noch. Doch in einem Bereich sehen Experten bei Aldi noch Nachholbedarf.
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Angesichts der dramatischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln erleben die Discounter zur Zeit einen Höhenflug. Mit ihrer Konzentration auf preiswerte Produkte treffen sie den Nerv der Zeit. Da passt es gut, dass der Discount-Erfinder Aldi in diesem Jahr ein wichtiges Jubiläum feiert. Vor 110 Jahren legte die Aldi-Gründerfamilie Albrecht den Grundstein für ihr heutiges Handelsimperium. Der Bäcker Karl Albrecht startete am 10. April 1913 in Essen einen "Handel mit Backwaren".
"Die Discounter sind mit ihren günstigen Angeboten heute mehr denn je eine wichtige Stütze für viele Haushalte", sagte der Handelsexperte Robert Kecskes vom Marktforschungsunternehmen GfK der Deutschen Presse-Agentur. Kein Wunder also, dass die Discounter ihren Marktanteil in Deutschland laut GfK innerhalb von nur 12 Monaten bis Ende 2022 von 34,8 auf 36,9 Prozent gesteigert haben - zu Lasten von Supermärkten und Fachhandel.
Auch zu Jahresbeginn hielt die Verlagerung von Umsätzen zu den Billiganbietern ungebremst an. Hinter der Erfolgsgeschichte der Familie Albrecht steht allerdings trotz allen Pioniergeistes nicht der Bäcker Karl Albrecht. Es sind seine Söhne Karl Junior und Theo Albrecht, die das Unternehmen groß gemacht haben.
Durchmarsch der Discounter
Nach dem Tod des Vaters übernahmen sie Verantwortung im elterlichen Geschäft und entwickelten das Discount-Konzept. Der erste "Aldi"-Markt - die Abkürzung steht für "Albrecht-Diskount" - wurde 1962 eröffnet, also vor gut 60 Jahren. Das ursprüngliche Erfolgsrezept: Ein kleines Sortiment in kargem Ambiente zu Tiefstpreisen.
Damit lehrten Aldi und ein wenig später auch der Rivale Lidl in Deutschland und in der Folge auch in vielen anderen Ländern die Supermarkt-Konkurrenz das Fürchten.
Design statt Europalette
Allerdings haben die heutigen Aldi-Filialen mit denen der Anfangszeit nur noch wenig gemein. Wo einst kaltes Neonlicht und Waren auf Holzpaletten das Ladenbild prägten, hat längst modernes Ladendesign mit Wohlfühlambiente Einzug gehalten. Und neben den klassischen Eigenmarken finden sich auch bei Aldi inzwischen immer mehr Markenartikel. "Die Menschen wollen heute ein angenehmes Einkaufsumfeld. Da hatten die Discounter viel nachzuholen und sie haben es getan", sagte Kecskes.
Ausgerechnet bei ihrem wichtigsten Merkmal - den günstigen Preisen - haben die Discounter im Moment allerdings zu kämpfen. Auch sie mussten zuletzt die Preise kräftig anheben - prozentual gesehen sogar stärker als viele Markenartikler, wie Kecskes berichtet.
Denn die drastisch gestiegenen Energie und Beschaffungskosten schlugen bei den preislich auf niedrigerem Niveau angesiedelten Eigenmarken noch stärker durch als bei den Herstellermarken mit ihren in der Regel deutlich höheren Werbeausgaben und Gewinnmargen. Ausschlaggebender für die Kunden ist allerdings wohl: Trotz des Preissprungs sind die Eigenmarken in der Regel an der Kasse nach wie vor deutlich günstiger als die Markenartikel.
Baustelle Onlinehandel
Ist also im Jubiläumsjahr alles im grünen Bereich? Nicht ganz. Gerade bei Aldi gibt es nach Einschätzung des Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein noch eine vernachlässigte Baustelle: den Onlinehandel. "Die Discounter hatten es bisher nicht nötig, sich groß mit dem Thema Onlinehandel zu beschäftigen", sagt der Handelsexperte.
Doch sei es nur eine Frage der Zeit, bis das Thema auch für sie relevant werde. "Und dann wird es schwierig für Aldi, denn der Rivale Lidl hat hier einen beträchtlichen Vorsprung."
Zieht der ewige Rivale davon?
Tatsächlich hat es Lidl geschafft, sich mit seinem Onlineshop im jüngsten Ranking des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI einen Platz unter den Top Ten der deutschen E-Commerce-Händler zu sichern. Mit einem Umsatz von gut einer Milliarde Euro belegte lidl.de Platz 8 im Ranking, obwohl der Discounter online kaum Lebensmittel anbietet. Zum Vergleich: Aldi kommt mit seinem Onlineshop unter den Top 100 überhaupt nicht vor.
Heinemann ist überzeugt, das Ungleichgewicht sollte bei Aldi die Alarmglocken schrillen lasen. "Für Lidl ist es ein leichtes, den Hebel umzulegen und auch Lebensmittel zu verkaufen, wenn es soweit ist. Aldi ist noch lange nicht soweit."
11 nützliche Tipps für den deutschen Supermarkt
Wo liegen die Eier? Warum sind die Einkaufswagen aneinander gekettet? Die folgenden Hürden müssen nach Deutschland Zugezogene beim ersten Besuch in einem deutschen Supermarkt überwinden.
Bild: DW/E. Grenier
Kenne Dein Ziel
Die Lebensmittelgeschäfte in Deutschland sind kategorisiert, was Neuankömmlinge verwirren kann. Einige Ketten sind Supermärkte, andere heißen Discounter. Hinzu kommen Bio-Märkte, die nur Bio-Lebensmittel verkaufen. Für Rezepte aus dem Nahen Osten empfehlen sich türkische und arabische Märkte, für die asiatische Küche der, na? Asiamarkt! Ist doch gar nicht so schwer, wenn man weiß, was man will.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
Vielfalt gegen Preis
Während typische Supermärkte eine größere Auswahl an Produkten anbieten, bieten Discount-Ketten weniger Marken und Waren an, was die Suche frustrierend enden lassen kann. Trotzdem hat sich der Sparfuchs-Ansatz der deutschen Discounter zum Exportschlager entwickelt. Lidl und Aldi haben Filialen in der ganzen Welt eröffnet.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat
Ohne Kleingeld kein Einkaufswagen!
Viele Auswanderer amüsieren sich über die aneinander geketteten Einkaufswagen. 50 Cent, ein oder zwei Euro sind zum Entsperren notwendig - und könnten wohl niemanden ernsthaft vom Diebstahl abhalten. Darum geht es aber nicht: Der Pfand soll die Kunden motivieren, die Wagen nach ihrem Gebrauch ordentlich zurückzustellen. Erst, wenn der Wagen wieder angeschlossen ist, wird die Münze freigegeben.
Bild: DW/E. Grenier
Verblüffe Deine Heimat mit billigen Preisen
Ein Pudding in einem Discounter sorgte für einen diplomatischen Aufruhr, als ein Israeli auf der inzwischen gelöschten Facebook-Seite Olim L'Berlin ("Lasst uns nach Berlin ziehen") seinen Kassenbon als Beleg für die unschlagbar günstigen Lebenshaltungskosten in der deutschen Hauptstadt postete. Israelische Politiker reagierten wütend, weil die Menschen "Israel für einen Pudding verlassen" könnten.
Bild: DW/E. Grenier
Eier liegen nicht in der Kühltheke
Jeder Nordamerikaner würde auf der Suche nach Eiern das Kühlregal ansteuern. In Deutschland liegen sie im ganz normalen Regal. Warum? Um Salmonellen zu verhindern, werden Eier in den USA desinfiziert, bevor sie in die Läden kommen. Der Prozess zerstört jedoch die äußere Schutzschicht, weshalb die Eier gekühlt werden müssen. In der EU bleiben die Eier unbehandelt, hier werden die Hühner geimpft.
Bild: picture-alliance/Eibner-Pressefoto
Für Sonntag im Voraus planen
Füllen Sie den Kühlschrank im Voraus, denn die Geschäfte haben sonntags geschlossen. Die Öffnungszeiten sind gesetzlich geregelt, damit Arbeitnehmer einen garantierten Ruhetag haben. Eine Alternative sind Kioske und Tankstellen, die sonntags geöffnet sind und das Nötigste anbieten. Und es gibt Ausnahmen: An verkaufsoffenen Sonntagen - besonders vor Weihnachten - dürfen alle Läden die Türen öffnen.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst
Lange Wochenenden sind wie die Apokalypse
Feiertage wie Ostern und Weihnachten begehen deutsche Familien wie auch andernorts oft mit festlichen Mahlzeiten. Beim Einkauf kurz davor herrscht im Supermarkt eine Atmosphäre wie vor einem drohenden Atomangriff. Wenn Sie an so einem Tag nur Brot oder Schokolade benötigen: Gehen Sie zum Bäcker, in den Kiosk oder verzichten Sie am besten komplett darauf! Wirklich, das ist ein gut gemeinter Rat!
Bild: picture-alliance/imageBROKER
Eine neue Kasse führt zu Chaos
Die klischeebeladene deutsche Ordnung landet schnell über Bord, sobald eine weitere Supermarktkasse öffnet. Vorrang hat nicht, wer bereits am längsten in einer der schon bestehenden Schlangen wartet, stattdessen bricht ein Wettrennen aus, bei dem der Einsatz von Ellbogen und Einkaufswagen als Hilfsmittel erlaubt scheinen. Wenn es darum geht, ein paar Minuten zu sparen, kennen die Deutschen nichts.
Bild: DW/E. Grenier
Die Bedeutung der Warentrenner
Mal ehrlich: Hätten Sie gewusst, wie dieses zollstocklange Ding heißt, das die Waren der Kunden voneinander trennt? Sollten Sie Ihren Einkauf aufs Band legen und denken, es bliebe noch Zeit, den Warentrenner einzusetzen, weil es ja noch ein paar Meter bis zur Kasse sind: Vergessen Sie's! Böse Blicke sind Ihnen sonst sicher, eine Zurechtweisung möglich. Manche Priorität sollte man nicht anzweifeln.
Bild: DW/E. Grenier
Kassierer sind auch im Sitzen effektiv
Wer aus anderen Teilen Europas nach Deutschland kommt, stolpert hier nicht über einen kulturellen Unterschied - anders als Nordamerikaner, die aus den Supermärkten ihrer Heimat stehende Kassiererinnen und Kassierer gewöhnt sind. In Deutschland sitzt man an der Kasse. Diese Tatsache hindert Kassierer nicht daran, äußerst effektiv zu sein.
Bild: picture alliance/dpa/O. Berg
Schnell einpacken!
Unter Zugezogenen ist es längst ein Running Gag: Schnelle Abfertigung + wenig Platz zum Einpacken = Stress! Erinnern Sie sich an den Warentrenner? Eben noch so wichtig, spielt der plötzlich keine Rolle mehr, die Kassierer schieben die Waren des nächsten Kunden einfach in Ihren Einkauf rein. Wer langsam packt, ist selber Schuld.