Der US-Schauspieler Alec Baldwin hat mit einer Requisitenwaffe eine Kamerafrau erschossen. Ein DW-Interview mit dem Film-Waffenexperten Oliver Jürgen Rasch.
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Tragische Unfälle bei Dreharbeiten
Schauspieler Alec Baldwin schießt am Set zu "Rust" versehentlich auf zwei Menschen. Nicht zum ersten Mal kommt es bei Dreharbeiten zu so einem tragischen Unfall.
Bild: Rich Polk/Getty Images for IMDb
Alec Baldwin - "Rust"
Bei den Dreharbeiten zu "Rust" löst sich ein Schuss aus einer Requisitenwaffe, die Alec Baldwin in der Hand hält. Später gibt der Schauspieler an, nicht gewusst zu haben, dass sie mit echter Munition geladen war: Die Schüsse treffen Kamerafrau Halyna Hutchins, die kurz darauf ihren Verletzungen im Krankenhaus erliegt. Filmregisseur Joel Souza wird bei dem Vorfall ebenfalls angeschossen.
Bild: Rich Polk/Getty Images for IMDb
Brandon Lee - "The Crow"
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Unglück mit Todesfolgen an einem Filmset geschieht: 1993 stirbt Brandon Lee, der Sohn von Kampfsportlegende Jason Lee, bei Dreharbeiten zu "The Crow". In einer Requisitenwaffe steckt eine echte Patronenhülse. Die Kugel trifft raf Lee in den Bauch. Er erliegt kurz darauf seinen Verletzungen. Lee wurde 28 Jahre alt. Der Film wurde dennoch fertig gestellt.
Bild: United Archives/IMAGO
"Twilight Zone"
Beim letzten Drehtag zu "Twilight Zone" sterben drei Menschen bei einem schrecklichen Unfall: Schauspieler Vic Morrow (53) und die beiden Kinderschauspieler Renee Shinn Chen (6) und Myca Dinh Le (7) fliehen in einer Kriegsszene vor einem Helikopter. Spezialeffekte in Form von Explosionen werden gezündet. Der Pilot des Helikopters verliert die Kontrolle und stürzt auf die drei Darsteller.
Bild: AP Photo/picture alliance
"In tödlicher Mission"
Auch die James-Bond-Reihe wird von einem Unfall mit Todesfolgen überschattet: In "In tödlicher Mission" wird Roger Moore als James Bond durch eine Bobbahn in Cortina d‘Ampezzo verfolgt. Beim Dreh dieser Szene wird der beteiligte Viererbob an der falschen Stelle aus der Bahn geschleudert und prallt auf einen Baum. Der junge Stuntman Paolo Rigon, der vorne im Schlitten sitzt, kommt ums Leben.
Noch einmal Glück gehabt, hat Jason Statham (2.v.l.) beim Dreh zum Actionfilm "The Expendables 3". Der Schauspieler sollte einen LKW am Rand eines Piers entlang manövrieren. Als er das Auto stoppen will, versagen die Bremsen. Statham rast mit voller Geschwindigkeit ins Meer. Glücklicherweise kann er sich selbstständig aus der Fahrerkabine befreien, bevor der Wagen untergeht.
Bild: Ian Langsdon/EPA/picture alliance
Tom Cruise - "Mission Impossible 6"
Auch Tom Cruise kam noch mal mit einem blauen Auge davon. Der Schauspieler ist dafür bekannt, dass er seine Stunts selbst macht. Beim Dreh zu "Mission Impossible 6" springt Cruise von einem Hausdach auf ein anderes. Bei seiner Landung rammt er mit dem Fuß in einem so ungünstigen Winkel gegen die Hauswand, dass der Knöchel bricht. Cruise war gesichert, sonst wäre er in die Tiefe gestürzt.
Bild: Paramount Pictures/Zuma Press/IMAGO
Jackie Chan
Auch Actionstar Jackie Chan ist dafür bekannt, seine Stunts selbst zu realisieren. Schon mehrmals hat er sich schwere Verletzungen zugezogen. Unter anderem erleidet er beim Dreh zu "Der rechte Arm der Götter" einen Schädelbasisbruch, als er von einem Baum fällt. Trotz eines sofortigen chirurgischen Eingriffs bleiben Folgeschäden zurück: Seit dem Unfall hört Jackie Chan auf dem rechten Ohr schwer.
Bild: Constantin/dpa/picture alliance
Margaret Hamilton - "Der Zauberer von Oz"
In "Der Zauberer von Oz" soll sich Margaret Hamilton in Rauch auflösen. 1939 gibt es noch keine Computerspezialeffekte; die Szene soll mit Rauch, Pyrotechnik und einer exakt platzierten Falltür entstehen. Die Falltür öffnet sich allerdings nicht schnell genug, wodurch Flammen Hamiltons Gewand erfassen und ihr schwere Brandverletzungen zufügen. Die Szene wird trotzdem für den Film verwendet.
Bild: Mary Evans Picture Library/picture-alliance
Leonardo DiCaprio - "Django Unchained"
Es kommt häufig vor, dass Szenen, in denen sich die Stars verletzten, dennoch für den fertigen Film verwendet werden. So auch jene Szene, in der sich Leonardo DiCaprio in "Django Unchained" die Hand verletzt, als er sie auf einen Glastisch schmettert. DiCaprio spielt trotz blutender Hand weiter und lässt sich erst verarzten, als die Szene im Kasten ist.
Bild: Andrew Cooper/SMPSP/The Weinstein Company/AP Photo/picture alliance
Martin Sheen - "Apocalypse Now"
Auch die Anfangsszene aus Francis Ford Coppolas Kriegsfilm "Apocalypse Now" ist echt: Martin Sheen (l.) war während des Drehs alkoholabhängig. Er taucht betrunken am Set auf und zerschlägt mit bloßer Hand einen Spiegel. Dann verteilt er das Blut auf dem Bett und in seinem Gesicht. Die Szene passt so gut zu der Persönlichkeit, die Sheen im Film verkörpert, dass Coppola sie nicht rausschneidet.
Oliver Jürgen Rasch: Als erstes habe ich mich gefragt, ob echte Munition am Set war. Wenn ein Schauspieler zweimal schießt und zweimal wird jemand getroffen, dann muss es echte Munition gewesen sein. Es gab schon einmal einen tödlichen Unfall am Set mit Brandon Lee. Dieser Todesfall ist nie richtig geklärt worden. Da ging man von einem technischen Versagen aus, davon, dass etwas aus der Waffe ausgebrochen ist. Aber eben nur einmal. Baldwin hat gleich zweimal ein Projektil durch den Lauf schicken können, was dann diese verheerende Wirkung hatte.
Das heißt, Sie fragen sich, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Amerika zulässig ist, scharfe Munition am Set zu haben. In Deutschland hat eine scharfe Patrone am Set nichts zu suchen.
Das klingt nach einem Krimi - dass vielleicht jemand heimlich Requisitenwaffen mit scharfer Munition füllt…
Ja, vielleicht war die Patrone nicht entsprechend entschärft. Wenn wir in Deutschland so etwas drehen, wird die Patrone vorher geöffnet. Das Pulver wird rausgenommen. Und das Zündhütchen, was den Abbrand in Gang setzt, wenn ich am Abzug ziehe, wird ebenfalls für den Dreh manipuliert. Dann habe ich etwas, was aussieht wie eine Patrone, aber es kann damit nichts mehr passieren. Möglich, dass eine Requisite irgendwo vertauscht wurde, vielleicht irgendwo im Lager, so etwas kann aber auch aus zeitlichen oder aus Aufsichtsgründen passieren. Und natürlich besteht die Möglichkeit, dass jemand echte Munition in die Waffe geschmuggelt hat. Da frage ich mich allerdings: Wurde die Waffe nicht durchgehend beaufsichtigt?
Wer kümmert sich um die Waffen am Filmset?
In Deutschland, wenn es eine Echtwaffe ist, muss der, der die Waffe mitbringt, vom Fach sein. Das heißt, er oder sie muss eine Waffenhandels- oder Herstellungsgenehmigung haben, andernfalls würde der gewerbliche Umgang mit Schusswaffen nicht genehmigt. Ein Jäger oder Sportschütze oder ein Polizist dürfte seine eigene Waffe selbst betreuen.
Eine Waffe am Filmset ist interessant. Viele wollen sich die mal angucken. Deshalb darf sie nicht einfach herumliegen. Wenn ich eine Waffe mit zum Set bringe, dann ist sie schon verschlossen.
Wieso bringen Sie überhaupt eine echte Waffe mit? Sie könnten ja genauso gut eine Fake-Waffe mitbringen, die nur aussieht wie eine echte?
Wir drehen des Öfteren Bilder, in denen wir die gehobene Gesellschaft zeigen - mit Jagdwaffen. Eine Jagdwaffe kann ganz schnell mal eine sechsstellige Summe kosten. Wenn wir jetzt fünf Jäger mit einer Waffe im sechsstelligen Bereich haben, ergibt das ein Bild mit Requisiten für 500.000 Euro. Würde ich nicht mit einer echten Waffe arbeiten, müsste ich vorher Waffen im Wert von 500.000 Euro auf Deko umbauen, so dass sie nicht mehr ladefähig sind. Ich glaube, das würde für fast alle Filme in Deutschland die Produktionskosten sprengen.
Da bestellt man dann lieber den Waffenmeister, der sich auskennt?
Genau, da kommt der Waffenmeister, der sich auskennt.
Wären Sie der oberste Waffenmeister der USA, wie würden Sie so ein Unglück verhindern?
Ich würde Standards festlegen, was erlaubt ist und was nicht. Ich würde für die nötige Qualifikation der Leute sorgen, die Waffen mitbringen. Scharfe Patronen am Set wären ein absolutes Tabu.
Steigt jetzt die Nachfrage nach Waffenmeistern beim Film ?
Die Nachfrage ist bereits hoch. Ich kann nur hoffen, dass wir die schwarzen Schafe in Deutschland bald aussortieren. Mich wundert, dass es hier noch nicht zu mehr tödlichen Unfällen gekommen ist.
Oliver Jürgen Rasch ist ausgebildete Waffenmeister, Pyrotechniker und Büchsenmacher. Der Troisdorfer verleiht auch Waffen und betreut Filmproduktionen. Das Interview führte Stefan Dege.