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Politik

Aleppo: Das Versagen der Weltgemeinschaft

Daniel Heinrich
14. Dezember 2016

Die Lage in Aleppo ist dramatisch, die Kämpfe dort gehen weiter. Die Hilfsorganisation World Vision erhebt im Gespräch mit der DW schwere Vorwürfe gegen die UN. Vor allem Zivilisten seien die Leidtragenden.

Syrien Zivilisten fliehen vor Gewalt im Gebiet Bustan al-Qasr in Aleppo
Bild: Getty Images/AFP/Stringer

Man merkt Conny Lenneberg die Erschütterung an, ihre Stimme zittert, sie ringt um Fassung. Lenneberg arbeitet als Regionaldirektorin Naher Osten für die Hilfsorganisation World Vision. Seit über 25 Jahren arbeitet sie in der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Das, was gerade in Aleppo geschieht, macht sie fassungslos:

"Die Lage dort ist momentan katastrophal, es gibt keine funktionierenden Krankenhäuser, es gibt keinerlei medizinische Versorgung, zu großen Teilen kann nicht einmal eine Grundversorgung von Wasser und Lebensmitteln gewährleistet werden."

Aleppo galt als letzte verbliebene Hochburg der syrischen Rebellen. Inzwischen hat die syrische Armee mit Unterstützung Russlands und des Irans die Stadt fast vollständig zurück erobert. Auf Druck Russlands und der Türkei hatte sich die syrische Führung zu Beginn der Woche zu einem Waffenstillstand bereiterklärt. Am Morgen des 14. Dezember kam es jedoch wieder zu Kämpfen. Journalisten vor Ort portraitieren eine Stadt in Trümmern.

Angst um Zivilbevölkerung

Die Hilfsorganisation World Vision ist seit vier Jahren in Syrien aktiv. Es ist keine leichte Aufgabe. Für Conny Lenneberg geht es vor allem darum, eine Grundversorgung mit Wasser und Lebensmitteln sicher zu stellen. Sie treibt vor allem die Sorge um die Zivilbevölkerung um:

"Wir haben sehr große Angst was mit der Zivilbevölkerung passiert. Die Tatsache, dass Kinder, Frauen und Männer, die nichts mit dem bewaffneten Konflikt zu tun haben, zwischen den Fronten stehen, offenbart das komplette Versagen der Internationalen Gemeinschaft."

Viele Bewohner Aleppos wollen aus der Stadt zu fliehen. Immer wieder werden die versprochenen Busfahrten unterbrochen.Bild: Getty Images/AFP/G. Ourfalian

Immer wieder wurden Hoffnungen auf einen dauerhaften Frieden zerstört. Wie zerfahren die Situation ist und wie zerstritten sich die Weltgemeinschaft im Syrien-Konflikt zeigt, wurde im Herbst deutlich: Anfang Oktober hatten die USA ihre direkten Gespräche mit Russland über eine Waffenruhe in Syrien auf Eis gelegt.

Und so tobt der Bürgerkrieg in Syrien mit aller Grausamkeit weiter. Seit dessen Ausbruch im Jahr 2012 sind ihm Millionen von Menschen zum Opfer gefallen.

Ein Volk auf der Flucht

Die Grausamkeit der Kämpfe treibt die Menschen zur Flucht. Im gesamten Land befinden sich seit Ausbruch des Bürgerkriegs 12 Millionen Menschen auf der Flucht. Das ist mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung. 

Conny Lenneberg mag angesichts der bedrückenden Zahlen mit ihrer Verachtung für die Untätigkeit der Internationalen Gemeinschaft nicht mehr hinter dem Berg halten.

"Wissen Sie, ich bin als Kind mit Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen. Meine Oma hat immer erzählt, wie es für sie als junge Mutter mit vier Kindern auf der Flucht war. Mitten im Winter, ohne genau zu wissen, wo es hingeht, wo die nächste Unterkunft ist, wo sie das nächste Mal etwas zu essen finden können. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Vereinten Nationen aus genau einem Grund geschaffen worden: Um zu verhindern, dass sich so ein Leid wiederholt." In Syrien, so Lenneberg komplett desillusioniert, "sehen wir seit vier Jahren, dass die Internationale Gemeinschaft nicht in der Lage ist, ihrer Pflicht nachzukommen."