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PolitikEuropa

Warum Ales Bjaljazki den Friedensnobelpreis erhält

10. Dezember 2022

Den diesjährigen Friedensnobelpreis konnte Ales Bjaljazki nicht persönlich entgegennehmen. Er sitzt in Minsk in Haft. Wie aus dem Menschenrechtler ein Held für Millionen und ein Gegner des Lukaschenko-Regimes wurde.

Friedensnobelpreis für Ales Bialiatski
Nobelpreisträger Ales Bjaljazki befindet sich in Minsk in UntersuchungshaftBild: Tatyana Zenkovich/EPA/dpa/picture alliance

Der belarussische Menschenrechtsaktivist Ales Bjaljazki konnte an diesem 10. Dezember nicht an der Verleihung des Friedensnobelpreises 2022 in Oslo teilnehmen. Er befindet sich in Minsk in Untersuchungshaft. Bjaljazki wurde in Oslo durch seine Frau Natalia Pintschuk und Mitarbeiter des Menschenrechtszentrums Wjasna (zu Deutsch: Frühling) vertreten.

Mit der Auszeichnung würdigt das Nobelkomitee Bjaljazkis 35-jährige Tätigkeit als Kämpfer für die Menschenrechte und erinnert daran, dass außer ihm Dutzende weitere Menschenrechtsaktivisten in Belarus hinter Gittern sitzen und auf ihren Prozess warten. Neben Bjaljazki bekommen auch zwei weitere Menschenrechtsorganisationen in diesem Jahr den Friedensnobelpreis - das ukrainische "Center for Civil Liberties" und "Memorial International" aus Russland.

Wechsel zur belarussischen Sprache

Geboren wurde Ales Bjaljazki am 5. September 1962 als Sohn belarussischer Eltern in der russischen Republik Karelien. Im Studium an der Universität Gomel begann er, sich für die belarussische Sprache und Geschichte zu begeistern, was damals in der Sowjetunion ungewöhnlich war. Um ihn herum entstand eine Gruppe gleichgesinnter Studenten, die auch im Alltag nicht mehr Russisch, sondern Belarussisch sprachen. Während seines Studiums lernte er 1981 Natalia Pintschuk kennen, die er 1987 heiratete. Das Paar hat einen Sohn, der nun gemeinsam mit seiner Mutter auf Bjaljazkis Freilassung hofft.

Nach seinem Hochschulabschluss arbeitete Bjaljazki zunächst als Lehrer. Mitte der 1980er Jahre trat er in die Graduiertenschule des Literaturinstituts in Minsk ein und gehörte zu den Gründern des belarussischen Schriftstellerverbandes sowie des Vereins "Martyrologium von Belarus", der den kommunistischen Repressionen in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg nachging.

Der junge Schriftsteller gehörte in den 80er Jahren zu den Organisatoren der ersten oppositionellen Demonstration in der Belarussischen Sowjetrepublik. Im Oktober 1988 trat Bjaljazki dem Organisationskomitee der Bewegung "Belarussische Volksfront" bei, auf deren Grundlage anderthalb Jahre später die erste Oppositionsfraktion im belarussischen Parlament und später die erste politische Oppositionspartei gebildet wurde.

2020 gingen die Behörden gewaltsam gegen die Massenproteste in Belarus vorBild: Vasily Fedosenko/REUTERS

Ein ganzes Leben als Menschenrechtsaktivist

1994 gewann Alexander Lukaschenko in Belarus die ersten Präsidentschaftswahlen nach der Unabhängigkeit. Sein politisches Regime nahm jedoch immer autoritärere Züge an. Menschen, die darunter litten, brauchten Hilfe - rechtliche, materielle und psychologische. Im Zuge der oppositionellen Massenproteste gründete Bjaljazki daher das Menschenrechtszentrum Wjasna. Später sagte er einmal, er habe damals nicht damit gerechnet, sich noch so viele Jahre lang der Menschenrechtsarbeit widmen zu müssen.

Die Aktivisten beobachteten die Wahlen in Belarus, klagten gegen illegale Verhaftungen und kämpften gegen die Anwendung der Todesstrafe. Wjasna war den Behörden ein Dorn im Auge und wurde 2003 per Urteil des Obersten Gerichts aufgelöst. Aber die Aktivisten ließen sich nicht stoppen und setzten ihre Arbeit im Untergrund fort.

2006 überreichte der Ex-Präsident der Tschechischen Republik, Vaclav Havel, Ales Bjaljazki den Homo-Homini-Preis für hervorragende Verdienste für Menschenrechte, Demokratie und die gewaltfreie Lösung politischer Konflikte. Von 2007 bis 2016 war Bjaljazki Vizepräsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH). Ihm folgte später auf dieser Position der stellvertretende Wjasna-Vorsitzende Waljanzin Stefanowitsch.

Haftstrafe wegen "Steuerhinterziehung"

Offiziell gibt es in Belarus keine politischen Gefangenen. Menschen werden wegen der "Teilnahme an Unruhen", "Beleidigung von Lukaschenko", "Extremismus" oder "Finanzbetrug" ins Gefängnis gesteckt. Die aktuelle Inhaftierung ist nicht die erste im Leben des 60-jährigen Bjaljazki.

Die Opposition demonstriert unter der historischen Flagge der belarussischen NationalbewegungBild: Natalia Fedosenko/Imago Images/ITAR-TASS

2011 hatten die Behörden in Minsk auf eigenes Ersuchen Informationen über Bankkonten von Wjasna in Litauen erhalten. Die belarussischen Steuerbehörden erklärten das Geld zu persönlichen Guthaben von Bjaljazki und Stefanowitsch und ließen die beiden "wegen Verheimlichung von Einkünften und Steuerhinterziehung" festnehmen. Das Europäische Parlament forderte in einer Resolution die sofortige Freilassung der Oppositionellen.

Damals erhielt Bjaljazki viereinhalb Jahre Gefängnis, wurde jedoch nach drei Jahren 2014 im Rahmen einer Amnestie vorzeitig freigelassen. Danach erklärte er, er werde sich auch weiterhin für Menschenrechte einsetzen und betonte: "Ich möchte, dass Belarus ein Land ohne politische Gefangene wird."

2020 veränderte erneut alles

Auf dem Höhepunkt der Massenproteste in Belarus nach den vom Lukaschenko-Regime gefälschten Präsidentschaftswahlen im August 2020 trat Bjaljazki dem Koordinierungsrat der Opposition bei. In dieser Zeit spielten Menschenrechtler und Wjasna-Vertreter eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Opfern staatlicher Gewalt. Die Aktivisten sammelten Informationen über Inhaftierte und Verstöße gegen ihre Rechte.

Am 14. Juli 2021 wurde Ales Bjaljazki erneut festgenommen. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Am selben Tag wurden auch sein Stellvertreter Waljanzin Stefanowitsch und der Wjasna-Anwalt Wladimir Labkowitsch verhaftet. Bjaljazki wird vorgeworfen, "Aktionen organisiert zu haben, die die öffentliche Ordnung grob verletzen, oder sich aktiv an ihnen beteiligt zu haben". Allen dreien droht eine Haftstrafe von sieben bis zwölf Jahren.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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