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Politik

"Alex" landet trotz Verbots in Lampedusa

6. Juli 2019

Erneut ist ein Flüchtlingsrettungsschiff unerlaubt in den Hafen der italienischen Insel eingelaufen. Von Bord gehen darf niemand. Innenminister Seehofer und sein Amtskollege Salvini liefern sich ein Wortgefecht.

Migranten auf einem NGO-Boot von Mediterranea Saving Humans
Nahezu 60 Personen statt 18: Das Schiff "Alex" ist überfülltBild: picture-alliance/O. Calvo

Das Segelschiff der italienischen Organisation Mediterranea wartete zunächst vor der Zwölfmeilenzone um Lampedusa auf eine Lösung für die verbliebenen 41 Migranten an Bord. Dann steuerte die "Alex" - trotz eines bestehenden Verbots - auf die italienische Mittelmeerinsel zu und machte im Hafen fest. Die Mannschaft hatte zuvor "angesichts der unerträglichen Gesundheits- und Hygienesituation" den Notstand an Bord erklärt. Insgesamt seien fast 60 Personen auf dem Schiff, zugelassen sei es für 18.

Mediterranea verlangte, dass die Migranten die "Alex" verlassen dürfen. Der italienische Innenminister Matteo Salvini antwortete, sein Land werde einer Erpressung nicht nachgeben. "Ich werde nicht erlauben, dass Menschen an Land gehen, die nichts auf die italienischen Gesetze geben und die (Menschen-)Schmugglern helfen", stand in einer Mitteilung des Innenministers.

Er hatte zuvor ein Verbot für das Schiff bekräftigt, die Insel anzulaufen. Salvini ließ nach eigenen Angaben Wasser und Decken an Bord bringen, während das Schiff noch auf See war. Zum gleichen Zeitpunkt seien 13 Migranten von Bord genommen worden, darunter vier schwangere Frauen, ein Junge und vier Säuglinge.

Lange Fahrt nicht machbar

Die Besatzung der "Alex" hatte laut italienischen Medien erklärt, das Schiff sei unter den aktuellen Bedingungen nicht imstande, ohne Verletzung elementarer Sicherheitsregeln eine mehr als zehnstündige Fahrt nach Malta zu unternehmen. Eine Eskortierung durch Motorboote der italienischen Küstenwache lehnte die Besatzung ab. Salvini bezeichnete die Weigerung als "Forderung nach präventiver Straflosigkeit". Mediterranea teilte weiter mit, man habe "verschiedene Lösungen vorgeschlagen, um die Schiffbrüchigen nach Malta zu bringen", aber immer nur ein "Nein" zur Antwort erhalten.

Das Segelschiff "Alex" der italienischen Organisation Mediterranea hat den Hafen von Lampedusa erreichtBild: picture-alliance/AP Photo/Ansa/Elio Desiderio

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) forderte seinen italienischen Amtskollegen Salvini auf, die Dauerkrise der Rettungsschiffe im Mittelmeer zu beenden. "Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden", schrieb Seehofer, der zuvor angeboten hatte, einen Teil der Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, in einem Brief an Salvini. "Ich appelliere daher eindringlich an Sie, dass Sie Ihre Haltung, die italienischen Häfen nicht öffnen zu wollen, überdenken", fügte Seehofer hinzu. 

Lässt keine zivilen Flüchtlingsrettungsschiffe mehr anlanden: der italienische Innenminister Matteo SalviniBild: Getty Images/AFP/M. Medina

Salvini wies diese Forderung kategorisch zurück. "Die Bundesregierung bittet mich, italienische Häfen für die Schiffe zu öffnen? Absolut nicht", erklärte er. Stattdessen fordere Italien "die Merkel-Regierung auf, den Schiffen die deutsche Flagge zu entziehen, die Menschenhändlern und Schmugglern helfen, und ihre Bürger zurückzuholen, die die italienischen Gesetze missachten", fügte der rechtspopulistische Politiker hinzu.

"Alan Kurdi" fährt nach Malta

Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" mit 65 Geretteten an Bord nahm nach stundenlangem Warten vor der italienischen Insel Lampedusa inzwischen Kurs auf Malta. Zuvor hatte das Schiff vergeblich auf die Erlaubnis zum Einlaufen in den Hafen gewartet. Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte das strikt verboten. 

"Wir können nicht abwarten, bis an Bord der Notstand ausbricht. Jetzt muss sich zeigen, ob andere europäische Regierungen die harte Haltung Italiens stützen oder den Menschen einen sicheren Hafen anbieten", sagte Sea-Eye-Einsatzleiter Gorden Isler der Deutschen Presse-Agentur. Ohne Hilfe von außen werde die Lage in zwei bis drei Tagen kritisch an Bord. In Malta werde die "Alan Kurdi" voraussichtlich am Sonntagmittag eintreffen. 

Auf der "Alan Kurdi" befinden sich laut Sea-Eye 65 Migranten, von denen 39 angeben, minderjährig zu sein. Marcel Ditt, ein Teammitglied auf dem Schiff, sagte der Deutschen Welle, alle Geretteten seien sehr erschöpft. "Einige sind in einem schlechten Zustand. Man kann sehen, dass sie in den letzten Monaten oder sogar Jahren an einem schrecklichen Ort waren."

Dieses Foto der Organisation Sea-Eye zeigt, wie am Freitag die Migranten an Bord der "Alan Kurdi" genommen wurdenBild: picture-alliance/dpa/Fabian Heinz/Sea-Eye

Immer wieder wird von Migrationsgegnern und Rechtspopulisten argumentiert, die aus dem Mittelmeer geretteten Menschen könnten zurück nach Libyen gebracht werden, da das nordafrikanische Land oftmals näher liege als die europäische Küste.

Nach internationalem Seerecht gibt es allerdings keine Pflicht, den nächstgelegenen Hafen anzulaufen, wie Nele Matz-Lück, Professorin für internationales Recht und Seerecht an der Universität Kiel, der DW sagte. "Aber es muss ein sicherer Ort sein", erklärte die Seerechtsexpertin. "Ein sicherer Ort, heißt nicht nur, trockener Boden unter den Füßen, sondern auch, ein Ort, wo für elementare Bedürfnisse gesorgt wird." Libyen ist nach ihrer Ansicht nicht als solcher Ort qualifiziert. Ein Sprecher der Organisation Sea-Eye verwies auf jüngste Berichte von Folter, sexueller Gewalt, Menschenhandel und Ermordungen in Libyen.

Wachsende Zustimmung

Wegen seiner harten Haltung bei Flüchtlingsrettungen ist Salvinis Popularität sowie die seiner rechtsradikalen Partei Lega in Italien gestiegen. Laut einer in der Zeitung "Corriere della Sera" veröffentlichten Umfrage stimmen 59 Prozent der Italiener der Schließung italienischer Häfen für Rettungsschiffe von Nichtregierungsorganisationen zu. In Deutschland befürworten das nach einer Umfrage von infratest dimap nur 27 Prozent der Befragten. 

Aus Solidarität mit zivilen Seenotrettern und zur Unterstützung der Rechte von Flüchtlingen sind an diesem Samstag Tausende Menschen in zahlreichen Städten auf die Straße gegangen. Laut der Bewegung Seebrücke waren Kundgebungen in mehr als 90 Städten in sechs Ländern geplant. Daran hätten bis zum Nachmittag rund 30.000 Menschen teilgenommen.

ust/jj/haz (afp, kna, epd, dw, dpa)

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