Alexander Gerst ist zurück. Pünktlich zu Weihnachten. Geschenke hat er keine, aber eine Ausrede. Nach fast 200 Tagen im All blieb keine Zeit zum Shoppen. Aber zumindest ein bisschen für zahlreiche Journalistenfragen.
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Irgendwie sieht Alexander Gerst durchtrainierter aus als vor seiner Weltraummission. Kann das sein? Ist sein Bizeps nicht noch ein bisschen stärker definiert, spannt sein silber-graues Polo-Shirt sogar ein klein wenig um die Oberarme herum? Oder bilde ich mir das nur ein?
Machen diesem Astronauten sechs Monate in der Schwerelosigkeit denn gar nichts aus? Fast 200 Tage in einem Zustand, der den meisten seiner Kollegen so gehörig zusetzt, dass sie nach der Landung erst einmal länger getragen oder gestützt werden müssen.
Gerst lächelt bescheiden, was er gut kann. Er beherrscht Understatement und verneint die Frage eines Journalisten nach irgendwelchen Fitnesstricks. Trainieren falle ihm eben sehr leicht und er habe auf der Raumstation sogar Muskelmasse aufgebaut: "Wir trainieren auf der ISS alle hart, aber ich habe wahrscheinlich andere persönliche Voraussetzungen, mein Körper kann sich leichter an unterschiedliche Umgebungsbedingungen anpassen."
Was noch nicht so ganz gut funktioniert, sagt Gerst, sei das Zusammenspiel seiner Muskeln, die Feinkoordination - vor allem der Rückenstabilisatoren. Manchmal taumle er noch ein bisschen. Gerst läuft viel. Auf der ISS auf dem Laufband, auf der Erde endlich wieder im Wald: "Da oben habe ich den Wind in meinem Gesicht vermisst, den Nieselregen, den Wald zu riechen oder das Gras". So etwas mache ihn jetzt, nach seiner Rückkehr, glücklich.
Für uns, die immer auf der Erde herumlaufen eher Selbstverständlichkeiten. Regen nervt uns. Vogelgezwitscher, Wasserplätschern, der Geruch frischer Winter- oder warmer Sommerluft, Blumen, Blüten, Sandstrand? Alles normal, alles selbstverständlich. Solange wir es haben.
Auf der ISS, verrät Gerst, spürt man auch, wie schlimm es ohne all dies wäre. Und malt ein Szenario aus, das bislang noch nicht real ist, aber irgendwann vielleicht schon: Kinder, die auf Weltraumstationen geboren werden und "nicht mehr wissen, was ein Wald oder ein Sandstrand ist".
Das sagt Gerst nicht überheblich oder besserwisserisch. Es ist seine wichtigste Botschaft, die er auch von der ISS unaufhörlich über Twitter kommunizierte: Schaut an, wie schön unser Planet ist und schaut, wieviel wir schon zerstört haben.
"Man realisiert da oben, was man auf der Erde hat", mahnt er immer und immer wieder, dass wir auf unseren verletzlichen Planeten aufpassen und ihn schützen müssen, denn wir haben keine zweite Erde.
Alexander Gerst war der erste deutsche Kommandant auf der ISS, jetzt wird er erst einmal auf der Erde bleiben. Genaue Pläne hat er noch nicht. Unter anderem wird er seinen Kollegen, den neuen deutschen Astronauten Matthias Maurer unterstützen, Vorträge halten, Botschafter sein für die Bedeutung der Raumfahrt und das Verständnis für die Einzigartigkeit der Erde als Lebensraum für uns Menschen.
Aber erst mal Weihnachten. Trotz strenger Regeln habe die ESA ihm erlaubt, zwei Tage mit seiner Familie zu feiern: "Darüber freue ich mich sehr". Dann lacht Gerst sein typisch verschmitztes Lächeln: "Weihnachtsgeschenke habe ich keine, aber wenigstens habe ich dieses Mal eine gute Ausrede."
Foto-Album eines Astronauten
2014 war der deutsche Astronaut Alexander Gerst zum ersten Mal für ein halbes Jahr auf der Internationalen Raumstation. Aus dem All hat er wichtige Forschungsergebnisse mitgebracht - aber auch beeindruckende Fotos.
"Hallo Berlin, von hier oben sieht man keine Grenzen!", twitterte Alexander Gerst am 9. November 2014, dem 25. Jahrestag des Mauerfalls. In 166 Tagen führte er Experimente in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen durch. Eine wichtige Forschungs-Leistung! Aber Alexander Gerst berührt Menschen auch emotional - durch das Bild, das er von unserem "Blue Dot" vermittelt.
Bild: Alexander Gerst/ESA/picture-alliance/dpa
Gerst beobachtete Polarlichter
"Durch Polarlichter zu fliegen lässt sich nicht in Worte fassen", meint Alexander Gerst. Er hat dieses Naturphänomen von der ISS aus beobachtet. Und er verfolgte ein wissenschaftliches Ziel dabei: Er wollte den Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf elektronische Geräte erforschen.
Die Sahara wird oft als endlose Wüste bezeichnet. Die Aufnahmen von Alexander Gerst über Libyen zeigen, dass auch die sandigsten Dünen einen Ausgangs- und Endpunkt haben.
Bild: ESA/NASA
Zeit zum Aufstehen!
Die meisten Menschen in Florida schliefen wahrscheinlich noch, als Alexander Gerst und seine Kollegen diesen Schnappschuss kurz vor Sonnenaufgang machten. Wenn sie wüssten, dass sechs Astronauten im All sie beim Schlummern beobachteten ...
Bild: picture-alliance/dpa/NASA
Meteoritenkrater aus dem All betrachtet
Es ist weder ein Berg, noch ein Vulkan. Auf diesem Foto von Gerst ist ein Meteoritenkrater in Arizona zu sehen. Der Krater misst 1186 Meter im Durchmesser und ist ganze 180 Meter tief.
Es scheint nur ein winziges Loch in der Wolkendecke zu sein - doch tatsächlich hat dieses Loch einen Durchmesser von 80 Kilometern! Obwohl es sehr faszinierend aussieht, richten Taifune wie dieser regelmäßig enormen Schäden an der Erdoberfläche an.
Alexander Gersts Bilder zeigen unverfälschte Momentaufnahmen. Dieses Foto zeigt eine besorgniserregende Entwicklungen: den Konflikt zwischen Israel und Gaza - fliegende Raketen und Explosionen.
Bild: picture-alliance/dpa/ESA/NASA
Glühende Atmosphäre
Ein besonderes Phänomen: Auch auf der Erde hat man selten die Chance, Nordlichter beobachten zu können. Gerst hatte das Glück, dieses wunderbare Bild aus dem Weltraum schießen zu können.
Bild: ESA/NASA
Fotos kein reiner Zeitvertreib
Astronauten stellen ihre Fotos auch für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung: Die Bilder der vom Wind zerklüfteten Täler in Nordafrika können zu Vergleichsstudien herangezogen werden. So kann man Veränderungen in der Landschaft feststellen - und analysieren, welchen Anteil der Mensch an solchen Veränderungen hat.
In vielen Regionen der Welt ist Süßwasser Mangelware. Die Kreise auf dem Bild sind nicht das Werk von Außerirdischen, sondern Bewässerungsanlagen in trockenen Gebieten Mexikos. Einige Experimente von Gerst beschäftigten sich auch mit Nahrungsversorgung. Die Astronauten pflanzten auf der ISS Salat an und arbeiteten daran, den Wasserverbrauch der Pflanzen zu verringern.
Bild: ESA/NASA
Wie ein Ölgemälde
Einige von Gersts Bildern sehen aus wie Meisterwerke berühmter Maler. Dieses Foto zeigt tatsächlich einen kurvenreichen Fluss in Kasachstan, der sich durch die Landschaft frisst. Auch Altarme, die vom Hauptfluss abgeschnitten sind, kann man auf dieser Aufnahme entdecken.
Bild: ESA/NASA
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Die ISS wird 20: Happy birthday, Raumstation!
Am 20. November 1998 wurde das erste Modul für den Bau der Internationalen Raumstation (ISS) ins Weltall geschickt, drei Jahre später zog die erste Crew ein. Seitdem wird an Bord der ISS geforscht.
Bild: NASA
19.000-Kilo schwerer "Grundstein"
Der erste Abschnitt der ISS, der vor 20 Jahren seinen Weg ins All nahm, war das russische Fracht- und Kontrollmodul Sarja. Es wog gut 19.000 Kilogramm und war mehr als 12 Meter lang. Sarja wurde von den USA in Auftrag gegeben und bezahlt, aber von einem russischen Raumfahrtunternehmen entwickelt und gebaut. Internationale Kooperation von Kindesbeinen an!
Bild: NASA
Wohngemeinschaft für sechs
Sechs Menschen leben und arbeiten gleichzeitig auf der Internationalen Raumstation ISS, während diese mit einer Geschwindigkeit von über 27.000 km/h durchs Weltall rast. Alle 90 Minuten umkreist die ISS die Erde einmal. Die Raumstation ist nach dem Mond das hellste Objekt am Nachthimmel und lässt sich sogar mit bloßem Auge sehen.
Bild: Reuters/NASA
Expedition 1
Das hier war die erste Langzeit-Crew auf der ISS: US-Astronaut William Shepherd (Mitte) mit seinen zwei russischen Mitbewohnern Yuri Gidzenko (links) und Sergei Krikalev (rechts). Sie zogen am 2. November 2000 ein und blieben für 136 Tage.
Bild: NASA
Mietverträge bis zu einem Jahr
Im Durchschnitt bleiben die Crews fünfeinhalb Monate auf der ISS. Zwei Bewohner, die es länger aushielten: NASA-Astronaut Scott Kelly (Foto) und Roskosmos Kosmonaut Mikhail Kornienko. Sie verbrachten ein ganzes Jahr auf der Raumstation.
Bild: picture-alliance/dpa/NASA
Multinational
Der kanadische Astronaut Chris Hadfield auf der ISS, Weihnachten 2012. In den vergangenen Jahren waren Menschen aus 18 Ländern an Bord der Raumstation. Die größte Anzahl von Crew-Mitgliedern kam aus den USA, gefolgt von Russland. Weitere Herkunftsländer sind unter anderem Japan, Kanada, Italien, Frankreich, Deutschland, Brasilien und Großbritannien.
Bild: Reuters/NASA
Der Bus hält vor der Tür
Mitarbeiter und Vorräte treffen über Raumfähren beziehungsweise Raumfrachter ein. Hier dockt gerade Space Shuttle Atlantis an die ISS an. Atlantis war bis 2011 im Einsatz. Heutzutage reisen alle Astronauten in Sojus-Kapseln in ihr neues Zuhause.
Bild: Getty Images/NASA
Mal kurz Luft schnappen
Mehr als 210 Weltraumspaziergänge gab es bisher außerhalb der ISS - im Astronautensprech heißen die 'EVA': extra-vehicular activity. Mike Hopkins sah sich am 24. Dezember 2013 die ISS von außen an.
Bild: Reuters/NASA
Außergewöhnliche Einrichtung
Mehrere Roboterarme schmücken die Raumstation. Dieser hier, Canadarm2, ist fast zwanzig Meter lang und hat sieben motorisierte Gelenke. Er kann 100.000 Kilogramm hochheben - oder auch nur einen Astronauten, etwa wie hier auf dem Bild Stephen Robinson.
Bild: Reuters/NASA
Forscher-WG
Die Crew-Mitglieder verbringen etwa 35 Stunden jede Woche mit ihrer Forschung. Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst war 2014 das erste Mal auf der ISS. Damals beobachtete und analysierte er, welche Veränderungen der menschliche Körper in der Schwerelosigkeit durchmacht. Sein zweiter ISS-Einsatz begann im Juni 2018. Seit Oktober 2018 ist er der erste deutsche Kommandant der Raumstation.
Bild: Getty Images/ESA/A. Gerst
Nervenaufreibender Auszug
Ist ihre Zeit auf der ISS abgelaufen, gelangen die Astronauten über Sojus-Kapseln zurück zur Erde. Das letzte Stück legen sie per Fallschirm zurück. Willkommen auf der Erde!