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Politik

Lukaschenko: "Alles unter Kontrolle"

9. August 2020

Die Bürger von Belarus waren zur Präsidentenwahl aufgerufen. Staatschef Lukaschenko schien vor dem Wahltag nervös und versetzte der Opposition Nadelstiche. Nach offiziellen Angaben hat er haushoch gewonnen.

Präsidentschaftswahl in Weißrussland | Alexander Lukaschenko
Bild: picture-alliance/dpa/S. Grits

Es war eine Präsidentenwahl unter dem Eindruck massiver Polizeigewalt. Staatschef Alexander Lukaschenko zeigte sich siegessicher. Er will weiter Präsident von Belarus (Weißrussland) bleiben und strebt eine sechste Amtszeit an. Nach offiziellen Angaben der Wahlkommission liegt Lukaschenko in Nach-Wahl-Befragungen mit fast 80 Prozent Stimmanteil deutlich vorne. Die populärste Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja kam demnach nicht mal auf 7 Prozent Stimmenanteil. Wie das ZDF meldet, zeigt eine Umfrage einer regierungskritischen Organisation genau das gegenteilige Stimmenverhältnis. Demnach liegt Tichanowskaja bei 70 Prozent und Lukaschenko kam auf etwa 16.

Überschattet wurde die Wahl in der ehemaligen Sowjetrepublik von Protesten und Festnahmen. Lukaschenko versicherte, alles sei unter Kontrolle. "Das Land wird morgen nicht ins Chaos oder einen Bürgerkrieg stürzen", sagte er nach der Stimmabgabe in der Hauptstadt Minsk. "Das garantiere ich." Der 65-Jährige ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht. Wiederholt warnte Lukaschenko vor Unruhen.

Kurz vor der Präsidentenwahl an diesem Sonntag sind in Belarus weitere führende Vertreter der Opposition festgenommen worden. Dazu gehört die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa. Nach Angaben ihres Wahlkampfteams wurde sie von Polizisten in Gewahrsam genommen und nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Angeblich habe es sich um eine Verwechslung gehandelt. Kolesnikowa gehört zu einem Frauen-Trio, das als größte Herausforderung seit Jahren für den Langzeit-Staatschef Alexander Lukaschenko gesehen wird.

Die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa in MinskBild: Imago Images/ITAR-TASS/N. Fedosenko

Ebenfalls inhaftiert wurde die Wahlkampfleiterin der führenden Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja. Maria Moros werde voraussichtlich bis Montag festgehalten, sagte eine Sprecherin Tichanowskajas der Nachrichtenagentur AFP. Der Grund für die Festnahme sei unklar. Moros war bereits Anfang der Woche in Gewahrsam genommen worden, nachdem sie die litauische Botschaft in Minsk besucht hatte. Wenig später wurde sie wieder freigelassen.

Hoffnungsträgerin der Opposition

Tichanowskaja ist inzwischen zur wichtigsten Rivalin des seit 26 Jahren autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko aufgestiegen, der sich um eine sechste Amtszeit bewirbt. Die 37-Jährige trat an, nachdem ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, von der Wahl ausgeschlossen und inhaftiert wurde. Tichanowskaja, die ein Bündnis mit zwei weiteren von der Wahl ausgeschlossenen Oppositionellen einging, gilt zwar als politisch eher unerfahren, konnte bei Kundgebungen aber bereits Tausende Menschen mobilisieren. Es waren die größten Proteste in der Ex-Sowjetrepublik seit Jahren.

Belarus: Hoffnung auf Wandel

03:36

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Sie selbst geht jedoch nicht von einer fairen Wahl am Sonntag aus. In einer Videoansprache betonte sie, dass eine starke Führungspersönlichkeit keine Wahlen fälschen müsse. "Es ist eine Person, die Wahlbeteiligung aufbauschen muss, Stimmzettel austauscht und sich Stimmen aneignet, um Präsident zu bleiben", sagte Tichanowskaja.

Zur Wahl stellen sich neben Tichanowskaja und Lukaschenko drei weitere Kandidaten. Die vorzeitige Stimmabgabe begann bereits am Dienstag, der eigentliche Wahltag ist aber diesen Sonntag. Die Wahllokale sind seit 7 Uhr MESZ geöffnet und schließen um 19 Uhr. Internationale Beobachter sind diesmal nicht zugelassen. Bisher haben Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) noch keine Wahl in Belarus als demokratisch eingestuft.

Wachsende Unzufriedenheit

Die Behörden gingen vor der Präsidentenwahl massiv gegen die Opposition vor. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wurden bisher mehr als 1300 Personen in Haft genommen. Belarus liegt traditionell im Spannungsfeld zwischen dem Westen und Russland. Das osteuropäische Land, das noch die Todesstrafe vollstreckt, gilt als letzte Diktatur Europas. In den vergangenen Wochen war es immer wieder zu Protesten gekommen, die sich gegen die Politik Lukaschenkos richten. In der Bevölkerung herrscht große Unzufriedenheit mit der Lage der Wirtschaft, mit der Verletzung von Menschenrechten und mit dem Vorgehen Lukaschenkos in der Corona-Krise.

Polizisten führen am Samstag in Minsk einen mutmaßlichen Oppositionellen abBild: picture-alliance/AP/S. Grits

Ende Juli wurde auch der Politikberater Witali Schkliarow bei einem Besuch seiner Eltern in Belarus festgenommen. Schkliarow ist gebürtiger Belarusse, lebt aber in Washington. Am Samstag wurde er nun beschuldigt, an der Organisation von Massenunruhen vor der Wahl mitgewirkt zu haben. Schkliarow drohten bis zu drei Jahre Gefängnis, teilte sein Anwalt mit.

Der Politikberater bestreitet die Vorwürfe. Er sagt, Grund seiner Festnahme seien seine Kommentare zur belarussischen Politik. Das Staatsfernsehen hatte unter Berufung auf den belarussischen Sicherheitsdienst berichtet, Schkliarow habe den inhaftierten Tichanowski beraten. Der Politikexperte bestreitet jedoch jede Zusammenarbeit.

Auch Festnahmen in Russland

Am Samstag wurden zudem in Russland drei Aktivisten der russischen Opposition festgenommen, die als Wahlbeobachter nach Belarus reisen wollten. Der Geschäftsführer der Bewegung Open Russia (Offenes Russland), Andrej Piwowarow, und zwei weitere Mitglieder seien aus einem Bus geholt und "ohne jede Erklärung" festgenommen worden, teilte die Gruppe mit. Piwowarow drohten bis zu 15 Tage Haft wegen Widerstands gegen Grenzbeamte.

Lukaschenko hatte Russland Einmischungsversuche in die Wahl in Belarus vorgeworfen. Kreml-Kritiker gehen jedoch davon aus, dass der Kreml Lukaschenko unterstützt. "Ein Diktator wird immer einen Diktator unterstützen", erklärte der Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow auf Facebook.

kle/bru/AR (rtr, afp, dpa)

Dieser Artikel wurde nach dem Schließen der Wahllokale aktualisiert.

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