Jeder, der die Kolonie zum ersten Mal sieht, reibt sich verwundert die Augen: Sie sieht aus, als habe man im Norden Potsdams eine Kulisse für einen russischen Märchenfilm gebaut. Ihre Geschichte ist überaus spannend.
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Alexandrowka: auf russischen Spuren in Potsdam
Ein "Russendorf" in Preußen: Die kleine Kolonie für die russischen Sängersoldaten sollte deren Heimweh erträglich machen.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
Als "Izba" verkleidet
Eigentlich wurden die Häuser eines preußischen Architekten unter der Leitung von Peter Joseph Lenné in klassischer deutscher Fachwerktechnik gebaut, nur die Verkleidung der Fassaden ist eine Nachahmung der traditionellen russischen Holzhäuser, "Izba" genannt.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
Kleinrussland nach Plan
Insgesamt wurden 14 Häuser in den Jahren 1826/27 errichtet, 12 Gehöfte, eine Kirche sowie ein Haus bei der Kirche. Die Gehöfte waren streng geordnet auf zwei sich kreuzenden Straßen. Niemals sahen Straßen in russischen Dörfern so aus - hier hat die Anordnung aber durchaus ihren Reiz. Jedem Haus wurde ein Grundstück für den Anbau von Obst und Gemüse zugewiesen.
Bild: public domain
Rangfolge beachtet
Das größte Haus an der Kreuzung war für den Dorfältesten bestimmt. König Friedrich Wilhelm III., der sich für russische Kunst und Architektur interessierte, ließ aus Petersburg Zeichnungen von Ornamenten und Motiven russischer Holzarchitektur kommen, damit die neuen Bauwerke stilecht realisiert werden konnten.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
Privatmuseum bietet Rückschau
Heute beherbergt das Haus ein kleines Privatmuseum, gegründet auf Initiative des aus Westfalen stammenden Arztes Hermann Krämer, einem großen Alexandrowka-Fan. Die kleine Ausstellung versucht die Lebenswelt der ersten Kolonisten zu rekonstruieren.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
Kirche zum Gedanken an einen Helden
Was ist ein Dorf ohne eine Kirche? Auch die wurde im Dorf gebaut und Alexander Newski geweiht. Pikantes Detail: Der heilig gesprochene Fürst ging in die Geschichte ein, weil er 1242 den Deutschen Orden besiegte. Bis heute werden in der 1829 eingeweihten orthodoxen Kirche Gottesdienste gefeiert.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
Schöner wohnen
Die meisten Häuser sind seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 in Privatbesitz - besondere Bauwerke in einer boomenden Region mit zahlreichen modernen Häusern. Dennoch gehört Alexandrowka als Teil der Potsdamer Kulturlandschaft zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Bild: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv
Der gemeinsame Obstgarten
Der gleichzeitig mit dem Bau der Kolonie angelegte Obstgarten gehörte dem preußischen König. Die Kolonisten durften jedoch einen Teil der Ernte für sich nutzen oder verkaufen.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
Vom Winde der Geschichte verweht
Alexander Jablokoff war einer der zwölf Soldatensänger. Sein Sohn Nicolaj wohnte ebenfalls im Dorf. Der letzte russische Sänger verstarb 1861, zur Zeit der Weimarer Republik wohnten in Alexandrowka nur vier Familien mit russischen Wurzeln. 2008 starb der letzte Nachfahre der russischen Kolonisten.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
"Fensterchen nach Russland"
Dennoch bleibt Alexandrowka ein reizendes Denkmal für die gemeinsame deutsch-russische Geschichte - einer Verbindung, die sich keineswegs auf die Fassade beschränkt, sondern tief im kollektiven Gedächtnis beider Völker verwurzelt ist.
Bild: DW/Maksim Nelioubin
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Alles fing, so die Legende, mit einem Lied an - gesungen von ein paar russischen Soldaten, die in den Wirren der Napoleonischen Kriege in preußische Gefangenschaft gerieten. Vielleicht war es ein trauriges Lied, das die große Sehnsucht der Grenadiere nach der Heimat zum Ausdruck brachte. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. muss davon so begeistert gewesen sein, dass er den russischen Zaren Alexander I., mit dem Friedrich eng befreundet war, nach Ende des Krieges darum bat, einige Soldatensänger in Potsdam zu lassen. Der russische Zar willigte nicht nur ein, sondern schickte noch ein paar weitere Gardisten an den preußischen Hof.
Zehn Jahre später, 1826, tief erschüttert vom plötzlichen Tod Alexanders I., der 1825 mit 48 Jahren auf einer Reise starb, ordnete Friedrich Wilhelm III. die Gründung einer russischen Kolonie an - als "bleibendes Denkmal der Erinnerung an die Bande der Freundschaft" zwischen ihm und dem russischen Zaren. Zu dessen Ehren erhielt die Kolonie den Namen "Alexandrowka". Auch ein Obstgarten wurde angelegt.
Der König hoffte, dass die russisch anmutenden Häuser und die orthodoxe Kirche den Kolonisten ein Stück weit die Heimat ersetzen könnten und dass Alexandrowka auf Dauer eine russische Insel in Preußen bleiben würde - mit Sprache, Kultur und Gesang. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht: Bereits die nächste Generation sprach kaum noch Russisch. Dennoch wurde Alexandrowka zum Symbol für die Nähe zwischen beiden Nationen.