Portrait des Bloggers Alexej Nawalny
18. Juli 2013Eine rote Straßenwalze zerdrückt den grauen Moskauer Fernsehturm. Mit diesem Bild werden Besucher der Internetseite "Dobraja Maschina Prawdy" (Die Gute Wahrheitsmaschine) von Alexej Nawalny begrüßt. Es soll den Sieg über die Kreml-Propaganda symbolisieren. Hier und auf anderen Webseiten prangert der russische Blogger die in Russland weit verbreitete Korruption an. Seinen Blog im russischen "LiveJournal" lesen Hunderttausende. Ob regionale Politiker, die sich teure Luxuslimousinen auf Staatskosten bestellen, oder Machenschaften bei Rohstoffkonzernen, seit Jahren bekämpft Nawalny mit seinen Veröffentlichungen das Problem, das viele Russen in Umfragen als das größte Übel beschreiben.
Einige Abgeordnete der Kreml-Partei "Einiges Russland" sahen sich gezwungen, nach Nawalnys Enthüllungen ihr Mandat niederzulegen. Mit seiner "Stiftung gegen Korruption" hat sich Nawalny mächtige Feinde gemacht, darunter den Präsidenten Wladimir Putin. Die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" beschrieb den Blogger als "Putins stärksten Gegner".
Kraftprobe in Moskau
Die vorgezogene Bürgermeisterwahl in Moskau am 8. September 2013 ist der erste Test für Nawalny als Politiker. Dabei war seine Teilnahme alles andere als sicher. Am 18. Juli wurde er in einem umstrittenen Prozess wegen Veruntreuung als Ex-Berater eines Holzbetriebes in der Provinzstadt Kirow zu fünf Jahren Haft verurteilt. Doch schon am nächsten Tag wurde er überraschend freigelassen. Ein Gericht hatte entschieden, dass Nawalny auf freiem Fuß bleiben darf, so lange das Urteil nicht rechtskräftig ist.
Es sei der russische Präsident selbst, der das Strafverfahren gegen ihn in Auftrag gegeben habe, sagte Nawalny damals in einem Radiointerview. Viele Beobachter stellen das Verfahren in Frage. "Das ist ein rein politischer Prozess", sagte Jens Siegert, Leiter des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, der DW.
Führender Kremlkritiker
2011 begann Nawalnys schneller Aufstieg zu einem bekannten Oppositionellen. Der Blogger war es, der die Regierungspartei "Einiges Russland" erstmals eine "Partei der Gauner und Diebe" nannte. Dieser Ausdruck ist bis heute enorm populär. Nawalny steckte auch hinter dem Aufruf, Fälschungen bei den jüngsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu dokumentieren. Zehntausende folgten seinem Appell.
Groß, blond, eindrucksvoll - so beschreibt die US-Journalistin Julia Ioffe den Oppositionellen Nawalny. Sie berichtet für die Magazine "New Yorker" und "Foreign Policy" aus Moskau. Über Nawalny hat sie schon viel geschrieben. "Er ist der einzige Politiker im heutigen Russland mit Potential", sagte sie gegenüber der DW. Nawalny komme aus der Mittelschicht und verstehe deren Sorgen.
Kein klassischer Politiker
Dabei ist Nawalny kein klassischer Politiker. Eine Partei hat er auch nicht hinter sich. Der Vater von zwei Kindern studierte Jura und Börsenwesen in Moskau. Danach verbrachte er einige Zeit als Stipendiat an der renommierten Yale-Universität in den USA. Zwischen 2000 und 2007 engagierte sich Nawalny bei der liberalen russischen Partei "Jabloko". Wegen umstrittener Äußerungen wurde er aber ausgeschlossen.
Nawalny bezeichnete sich damals selbst als "vernünftigen Nationalisten". Bis vor wenigen Jahren nahm er sogar an den so genannten "Russischen Märschen" teil. Sie werden von Rechtsextremisten organisiert, die Stimmung gegen Migranten machen. Nawalny distanzierte sich später von diesen Aktionen, sagte aber, im Vielvölkerstaat Russland solle man Migrationsprobleme "nicht tabuisieren".
Dieser Überzeugung seien nicht nur einfache Russen, sondern auch Teile der Mittelschicht, glaubt die US-Reporterin Julia Ioffe. Nawalnys Beteiligung an den Märschen sei ein "zynisches Manöver" gewesen, um eine breitere Unterstützung in der Bevölkerung zu bekommen. Jens Siegert von der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau teilt diese Kritik: "Ich glaube, dass Nawalny da mit dem Feuer gespielt hat."
Blogger als Präsident?
Nawalny verdankt seinen Aufstieg in erster Linie dem Internet. Als Oppositionsführer trat er vor allem bei den Demonstrationen für mehr Demokratie im Winter 2012 in Erscheinung. Nawalny organisierte Proteste und wurde mehrfach vorübergehend festgenommen. Im Herbst 2012 erhielt er bei den Wahlen zum Koordinationsrat der Opposition, der sich als Kopf der Protestbewegung versteht, die meisten Stimmen.
Sogar für das höchste Staatsamt hatte Nawalny bereits Ambitionen bekundet. "Ich will Präsident werden und das Leben im Land verändern", sagte der Blogger in einem Interview im Frühling 2013. Doch das scheint fraglich. Die Staatsanwaltschaft hat mehrere Verfahren gegen den Blogger eingeleitet. Sollte er endgültig verurteilt werden, dürfte er diese Pläne wohl nicht verwirklichen können.