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Politik

Bouteflika, die Fünfte?

Kersten Knipp | Ismail Azzam
29. Oktober 2018

Der algerische Präsident Bouteflika wird offenbar für eine weitere Amtszeit kandidieren. Trotz schlechtem Gesundheitszustand spielt der 81-Jährige im Machtgefüge eine zentrale Rolle - wenn auch nicht ganz freiwillig.

Algerien ein Anhänger des Präsidenten Abdelaziz Bouteflika
Bild: picture-alliance/dpa/M. Messara

Der Präsident selbst äußerte sich bislang nicht zu seiner erneuten Kandidatur - diese Aufgabe übernahm für ihn die Partei. Bouteflika werde für eine weitere Amtszeit kandidieren, gab Djamel Ould Abbes, der Vorsitzende der Nationalen Befreiungsfront (FLN), am Sonntag bekannt. Bliebe es dabei, könnte der inzwischen 81 Jahre alte, seit 1999 regierende Abd al-Aziz Bouteflika im April seine fünfte Amtszeit antreten.

Bouteflika selbst, vermutet Mohamed Hennad, Politologe an der Universität Algier, hat auf diese Entscheidung so gut wie keinen Einfluss. Den hätten die Menschen in seiner Umgebung. "Diese Leute können sich im Namen des Präsidenten alles erlauben. Ihre Missetaten wird die Geschichte dem Präsidenten anlasten."

"Bouteflika ist da, um zu bleiben!"

Nach mehreren Schlaganfällen ist der Präsident gesundheitlich stark mitgenommene, öffentlich äußert und zeigt er sich kaum noch. Die wenigen Fotos aus der letzten Zeit zeigen einen schwer kranken, in sich zusammengesunkenen Mann, dessen Amtsfähigkeit mit mehreren Fragezeichen versehen scheint.

Betagt im Amt: der algerische Präsident Abd al-Aziz BouteflikaBild: picture-alliance/dpa/S. Djarboub

Ein Grund abzutreten, ist das offenbar nicht. "Die derzeitige Verfassung - seine Verfassung! - würde es ihm sogar erlauben, auch 1924 noch einmal anzutreten", sagt Mohamed Hennad, Politologe an der Universität Algier. "Die Logik des derzeitigen Systems - letztlich das System eines Sultans - legt es darauf an, das Bouteflika Präsident auf Lebenszeit ist."

Bouteflika ist so lange Regierungspolitiker, wie Algerien ein selbstständiger Staat ist - seit 1962 also, als Algerien unabhängig wurde. In jenem Jahr übernahm Bouteflika das Ministeramt für Jugend, Sport und Tourismus. Ein Jahr später wurde er Außenminister - und hielt sich in dieser Position bis 1979. Staatsoberhaupt wurde er 1999.

Der offenbar zur Amtsführung auf Lebenszeit verdammte Präsident lässt für die Zukunft Algeriens nichts Gutes hoffen, sagt Mohamed Hennad im Gespräch mit der DW. "Bouteflika ist da, um zu bleiben! So einfach ist das! Seine x-te Amtsführung wird die Probleme des Landes vertiefen, nicht nur die politischen, sondern auch und vor allem die sozialen und ökonomischen. Die Jugend wird erleben, dass ihr Unglück anhält und noch mehr den Glauben an ihr Land verlieren."

Wirtschaftliche Stagnation

Tatsächlich sind die Aussichten wenig ermutigend. Die Staatsverschuldung liegt der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft "Germany Trade and Invest" zufolge bei einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts, die Arbeitslosenquote insgesamt beträgt 10,1 Prozent, unter Jugendlichen bis 24 Jahren liegt sie über 24 Prozent. Im Ranking "Ease of Doing Business" des Jahres 2018 liegt das Land auf Rang 166 von 190, im "Global Competitive Index" 2017/18 auf Rang 86 von 137.

Jugend unter Druck: Ein Kind verkauft Brot auf den Straßen von Algier, Mai 2018Bild: DW/S. Boutera

In dieser Lage soll das Land nun eine weitere Legislaturperiode offiziell von Bouteflika regiert werden. Die Gründe dafür lägen auf der Hand, sagt der an der Universität Marburg lehrende Politologe Rachid Ouaissa: Von der fünften Amtszeit des Präsidenten würden vor allem diejenigen profitieren, die das Land tatsächlich regierten. Die Macht liege nämlich nicht allein beim Präsidenten. "Algerien wird nicht von einer einzelnen Person regiert. Es gibt mehrere Gruppen, die den Staat kontrollieren - Personen, die den Reihen des Militärs und der Parteien sowie der Wirtschaft entstammen. Andere kommen aus dem Journalismus oder sind Vertreter der Stämme." Die tatsächlich relevanten Personen hielten sich im Hintergrund, sagt Ouaissa: "Diese Leute setzen auf Bouteflika, da ein nicht mehr amtsfähiger Präsident sehr gut ihren Interessen dient."

Opposition ohne Ambitionen

Dies gilt umso mehr, als die Zivilgesellschaft unter starkem politischen Druck steht. Die Macht liege vor allem in den Händen des Militärs, heißt es in einer Studie des Carnegie Middle East Centers vom Mai dieses Jahres. Kritikern und Gegnern trete die Regierung entschieden entgegen und setze sie diskret unter Druck. Sie zögere aber auch nicht, offen mit Haftstrafen zu drohen. Umgekehrt locke das System seine Repräsentanten auch mit finanziellen Mitteln. So seien die Abgeordnetenbezüge im Jahr 2008 von umgerechnet 1500 auf 2400 US-Dollar erhöht worden - das entspreche dem 14-Fachen des gesetzlichen Mindestlohns. In einer solchen Situation sei die Opposition wenig ambitioniert, so das Carnegie Center.

Eine Ausnahme bildet die Bewegung "Mouwatana" (Bürgerschaft). Sie spricht sich gegen eine fünfte Amtszeit Bouteflikas aus. Zugleich versucht sie das Engagement der politisch passiv gewordenen Algerier neu zu beleben.

Ohne eigenes nationales Engagement wird es kaum gehen, sagt Mohamed Henad. Auf Europa könnten sich die Algerier nicht verlassen. "Europa kann die Arbeit nicht an unserer Stelle tun. Wenn es bei uns schlechte Regierungsarbeit gibt, ist es an uns, sie zu verbessern. Die Europäer sagen sich, dass sie nicht algerischer sein können als die Algerier selbst - und sie haben vollkommen Recht!"

Im Dialog: Bundeskanzlerin Angelika Merkel und der algerische Premier Ahmed Ouyahia in Algier, September 2018Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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