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Politik

Alijew in Aserbaidschan fest im Sattel

Daniel Heinrich
11. April 2018

Einmal Präsident, immer Präsident? Bei den Wahlen in Aserbaidschan zweifelt kaum jemand am Sieg des bisherigen Amtsinhabers Ilham Alijew. Die Opposition boykottiert die Wahlen, vom Ausland kommt scharfe Kritik.

Deutschland Präsident Aserbaidschan Ilham Alijew in Berlin ((c) Reuters/A. Schmidt)
Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew bei einem Besuch in Berlin im Juni 2016Bild: (c) Reuters/A. Schmidt

Fester Händedruck, offenes Lächeln. Hikmat Hajiyev freut sich offenbar über den Besuch aus dem fernen 'Almanya', also Deutschland. Schließlich will die Bundesregierung Gaslieferungen aus Aserbaidschan künftig mit einer Garantie in Milliardenhöhe absichern.

Hajiyev ist der Sprecher des aserbaidschanischen Außenministeriums in Baku, einem von Stacheldraht umzäunten Gebäudekomplex im Zentrum der aserbaidschanischen Hauptstadt. Was die demokratische Entwicklung angeht, sieht er sein Land auf einem guten Weg.

"Aserbaidschan ist ein junges, demokratisches Land, und wir machen jeden Tag handfeste Fortschritte in Richtung einer demokratischen Gesellschaft. Im Allgemeinen ist die Entwicklung hin zur Demokratie eine bewusste Entscheidung des aserbaidschanischen Volkes und der aserbaidschanischen Regierung", erklärt im DW-Gespräch. 

Opposition boykottiert Wahl

Rund fünf Millionen Aserbaidschaner sind an diesem Mittwoch aufgerufen, ihren Präsidenten zu wählen. Offiziell stehen acht Kandidaten zur Auswahl, der bisherige Amtsinhaber Ilham Alijew gilt als haushoher Favorit. Seit 2003 hält er die Zügel im öl- und gasreichen Land fest in der Hand. Vor ihm hatte sein Vater, Heydar Alijew, das Amt inne. Dieser galt schon zu Zeiten der Sowjetunion als mächtigster Politiker des Landes.

Futuristische Fassade: Die Architektur der Flame Towers in Baku scheint liberaler als das politische System des LandesBild: picture-alliance/dpa/D. Tanecek

Vor diesem Hintergrund bewertet man bei der Opposition die Lage nicht so rosig wie im Außenministerium. Schon kurz nachdem Staatschef Alijew Anfang Februar verkündet hatte, die Wahlen von Mitte Oktober auf Mitte April vorzuziehen, meldete sich der Vorsitzende der oppositionellen Volksfront, Ali Kerimli, zur Wort. Er kündigte an, dass die Opposition die Wahlen boykottieren wolle. Zur Begründung sagte er, dass die Opposition in Aserbaidschan in "halb-geheimer" Weise agieren müsse und dass es keine unabhängigen Medien gebe.

Schlechtes Zeugnis durch internationale Organisationen

Mehrere internationale Organisationen stützen die Aussagen Kerimlis: Reporter ohne Grenzen listet Aserbaidschan im weltweiten Ranking der Pressefreiheit auf Rang 162 von 180 Staaten - ganze sieben Plätze hinter der Türkei.

Auch Human Rights Watch stellt dem Land, das erst 1991 von der Sowjetunion unabhängig wurde, ein schlechtes Zeugnis aus. Laut der jährlichen Bestandsaufnahme der Nichtregierungsorganisation sind alleine im Jahr 2017 mindestens 25 Journalisten, Jugend- und Politaktivisten zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Im Gefängnis drohten zudem Misshandlungen und Folter.

Schwierige Lage der Zivilgesellschaft

Nur rund zwei Kilometer vom aserbaidschanischen Außenministerium entfernt, empfängt Kestutis Jankauskas in einem modernen Bürogebäude in der Innenstadt von Baku. Jankauskas ist der EU-Botschafter in Aserbaidschan. Diplomatisch geschult stellt der gegenüber der DW der gesamten Zivilgesellschaft im Land ein schlechtes Zeugnis aus: "Es wäre wünschenswert, wenn wir eine viel lebendigere Zivilgesellschaft in diesem Land hätten. Wenn es darum geht, eine moderne Gesellschaft zu entwickeln, bedeutet das für mich nicht nur, dass man in einzelnen Wirtschaftsbereichen hochentwickelte Technologien verwendet. Es bedeutet auch, dass man die Zivilgesellschaft am Prozess der Modernisierung teilhaben lässt."

Das staatliche Vorgehen gegen Journalisten in Aserbaidschan sorgt international immer wieder für Proteste Bild: DW/N. Jolkver

Jankauskas setzt in diesem Zusammenhang insbesondere auf den positiven Einfluss ausländischer Institutionen. Gerade aber das erscheint derzeit gerade unmöglich: Die aserbaidschanische Gesetzeslage ähnelt der in Russland, China oder Ägypten und ist zudem geprägt vom tiefen Misstrauen gegenüber ausländischen Einflüssen. Keine einzige der deutschen politischen Stiftungen betreibt noch ein Büro im Land.

Umstrittene Verfassungsänderungen sichern Aliyevs Macht

Ob sich an den Verhältnissen in Aserbaidschan nach den Präsidentschaftswahlen etwas ändert, erscheint zweifelhaft: Der heute 56-jährige Staatschef Ilham Alijew hat mit umstrittenen Verfassungsänderungen schon vor Jahren seine Macht gefestigt. Nach seiner Wiederwahl 2008 sicherte er sich so weitere Amtszeiten, seine vierte könnte nun seine bisher längste werden. 2016 wurde die Amtszeit mit einem umstrittenen Referendum von fünf auf sieben Jahre verlängert. Seine Frau Mehriban Alijew setzte er obendrein als offizielle Vizepräsidentin und Stellvertreterin ein.

Es sind Maßnahmen wie diese, die das Land in internationalen Demokratie-Indizes regelmäßig niedrige Plätze belegen lassen. So zählt die renommierte Nichtregierungsorganisation Freedom House Aserbaidschan zu den repressivsten Gesellschaften der Welt. Ein hartes Urteil fällt auch der britische "Economist". Laut des jährlich veröffentlichten Demokratieindex der britischen Wochenzeitung, der den Grad der Demokratie in  verschiedenen Ländern bemisst, rangiert Aserbaidschan auf Rang 140 von 167 Ländern.

Unverständnis an Kritik im Außenministerium

"Deutschland ist ein Freund der Pressefreiheit"

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Der Sprecher des aserbaidschanischen Außenministeriums, Hikmat Hajiyev, kann dieser kritischen Betrachtung seines Landes gegenüber der DW wenig abgewinnen: "Manchmal sehen wir uns in der westlichen Presse, auch in der deutschen Presse, unfairer Kritik ausgesetzt. Die Verhältnisse in Aserbaidschan werden basierend auf Missverständnissen und Ignoranz dargestellt." Die Realität vor Ort, so Hajiyev, sehe komplett anders aus: "Wir finden es sehr schade, dass über manche Themen einseitig berichtet wird. Einige Medien geben nur einen Aspekt eines Themas wider – und fragen nicht andere Teile der aserbaidschanischen Gesellschaft oder die Regierung nach ihrer Meinung."

Um einer einseitigen Sichtweise über den Ablauf der Präsidentschaftswahlen vorzubeugen und der Öffentlichkeit ein möglichst breites Bild zu liefern, entsendet alleine die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) 300 Wahlbeobachter ins Land. Bisher fiel das Fazit der Organisation immer einhellig aus: Noch nie hat die OSZE eine Wahl in Aserbaidschan als fair und frei erklärt.

Der Autor hat mit Unterstützung der Heinz-Kühn-Stiftung für sechs Wochen in Aserbaidschan recherchiert.