Südafrikas Corona-Lockdown ist einer der strengsten weltweit. Seit Ende März darf dort kein Alkohol verkauft werden. Zu Unrecht, beklagt Hellen Ndlovu vom größten südafrikanischen Braukonzern SAB im DW-Interview.
Bild: privat
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In Südafrika herrscht seit Beginn des landesweiten Lockdowns zur Eindämmung des Coronavirus ein absolutes Alkoholverbot. Besonders davon betroffen ist Südafrikas größter Bierproduzent South African Breweries (SAB), bekannt für die im südlichen Afrika beliebte Biermarke Castle. SAB ist Teil von Anheuser Busch InBev, der weltgrößten Brauereigruppe, zu der auch Marken wie Beck's und Corona gehören. Im Interview mit der DW wirft SAB-Vorstandsmitglied Hellen Ndlovu der südafrikanischen Politik vor, bei der Eindämmung des Virus intransparent und unverhältnismäßig gehandelt zu haben. [Anm. d. Red: Inzwischen wurde das Ende des landesweiten Alkohlverbots in Südafrika ab dem 1. Juni angekündigt. Das Interview wurde vor der Ankündigung geführt.]
DW: Seit Ende März darf in Südafrika kein Alkohol mehr verkauf werden. Was hat das für Auswirkungen auf das Geschäft von South African Breweries?
Hellen Ndlovu: Massive Auswirkungen. Seit mehr als sieben Wochen können wir keine Geschäfte mehr betreiben – daran leidet die gesamte Belieferungskette. Landwirte, unsere 3700 Zulieferer, Großhändler und Einzelhändler, davon gibt es 34.000. Und die beschäftigen 250.000 Menschen.
Sie haben fast 6000 Mitarbeiter. Wurden bereits Angestellte entlassen?
Noch nicht. Aber wir haben bereits seit Januar einen Einsparungsprozess gestartet, der jetzt abgeschlossen wurde. Dabei wurden 350 Angestellte entlassen. Aber wir können zukünftig nicht ausschließen, dass es weitere Entlassungen geben wird. Vor allem wenn sich die Situation nicht ändert. Wenn der Lockdown weitergeht, wird das Jobs bei SAB kosten.
Mit Ananasbier dem Alkoholverbot trotzen
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Erklärt die Regierung ihr Lockdown-Vorgehen gegenüber den betroffenen Firmen gut genug?
Da gibt es eine Menge Raum für Verbesserung. Wir Südafrikaner sind an einen klaren Weg der Rechtsetzung gewöhnt, die das Parlament und die Öffentlichkeit einbezieht. Niemand hat erwartet, dass auf einmal der Notstand ausgerufen wird – der uns alle verfassungsmäßigen Rechte wegnimmt. Wir versuchen mit der Regierung zu reden – und mittlerweile gibt es zumindest wieder Treffen. In den ersten sechs, sieben Wochen gab es da eine totale Stille. Das war eine sehr seltsame Zeit in unserer Demokratie. Man wacht auf und erfährt von neuen Regulierungen, die eine massive Auswirkung auf sein Geschäft und persönliches Leben haben – ohne, dass man irgendetwas beeinflussen konnte.
Die Regierung und Mediziner argumentieren, dass wegen dem Alkoholverbot die Krankenhäuser und Notaufnahmen viel leerer sind. Weniger Unfälle, weniger Gewalt. Ist das nicht gut?
Das ist gut. Aber wir stimmen nicht zu, dass das damit zu tun hat, dass es keinen Alkohol mehr gibt. Es gibt einen Schwarzmarkt. Wer einen Drink will, bekommt den auch. Außerdem haben wir in anderen Ländern mit Lockdowns ohne Alkoholverbot gesehen, dass dort auch die Kriminalität und die Zahl der Patienten gesunken sind. Das hat vor allem damit zu tun, dass mehr Sicherheitskräfte unterwegs sind – und die Leute zu Hause bleiben.
Das Interview führte Adrian Kriesch.
Wie Südafrikaner mit der Ausgangssperre umgehen
Südafrika ist das Land mit den meisten bestätigen Covid-19-Fällen in Afrika. Präsident Ramaphosa will das Virus mit strengen Gegenmaßnahmen eindämmen. Eindrücke aus einem Land im Ausnahmezustand.
Bild: AFP/M. Longari
Johannesburg bleibt zuhause
Wohl dem, der einen Balkon hat: Bewohner eines Hauses im Johannesburger Stadtteil Hillbrow beobachten, wie die Polizei auf der Straße versucht, die landesweite Ausgangssperre durchzusetzen.
Bild: AFP/M. Longari
Eine Armlänge Abstand
Vor einem Supermarkt in Yeoville, Johannesburg, klappt es noch nicht ganz mit dem Sicherheitsabstand. Seit dem 27. März gelten in ganz Südafrika strikte Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus.
Bild: AFP/M. Longari
Sitzordnung beim Einkaufen
In einem Einkaufszentrum nahe Pretoria sorgen Stühle für soziale Distanz zwischen den Wartenden. Derzeit dürfen in Südafrika nur noch Lebensmittel und lebensnotwendige Produkte verkauft werden, alle anderen Läden müssen geschlossen bleiben.
Bild: AFP/P. Magakoe
Keine Versammlungen, kein Alkohol
Auch öffentliche Zusammenkünfte jeder Art sind in ganz Südafrika verboten - ebenso wie der Verkauf von Alkohol und Zigaretten. Für acht Männer in Johannesburg endete ein Kartenspiel auf der Polizeistation.
Bild: AFP/L. Sola
Militär im Wohngebiet
Wie hier in Kapstadt patrouillieren inzwischen Soldaten der südafrikanischen Armee auf den Straßen des Landes. Präsident Ramaphosa hatte zuvor angeordnet, dass das Militär für die Zeit der Krise auch Polizeiaufgaben übernehmen soll.
Bild: AFP/P. Bauermeister
Rabiate Methoden
Polizei und Sicherheitskräfte setzen die Maßnahmen Berichten zufolge auch mit Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen durch. Verteidigungsministerin Mapisa-Nqakula verurteilte die Gewalt am Montag und versprach Konsequenzen.
Bild: AFP
Sorge in den Townships
Im Township Khayelitsha am Stadtrand von Kapstadt erklärt eine Gesundheitshelferin, warum Abstand halten wichtig ist. Gerade in den überfüllten Armenvierteln des Landes ist das besonders schwierig. Polizei und Militär sind mittlerweile in Townships eingerückt und setzen die Ausgangssperre teilweise gewaltsam durch - so die Aussagen von Anwohnern.
Bild: Reuters/M. Hutchings
Schutz für Obdachlose
Polizisten eskortieren eine obdachlose Frau im Johannesburger Central Business District zu einer Sammelstelle. Die Regierung hat angekündigt, allen Obdachlosen für die Zeit der Ausgangssperre eine sichere Unterkunft zu bieten.
Bild: AFP/M. Spatari
Nichts geht mehr
Das Zugdepot in Johannesburg ist voll: Alle Verbindungen im Nah- und Fernverkehr sind für die Dauer der Ausgangssperre annulliert. Taxis und Busse dürfen dagegen unter Auflagen weiter fahren, um systemrelevante Arbeiter zu ihren Jobs zu bringen.
Bild: AFP/M. Longari
Ausgangssperre bis Mitte April
Noch bis mindestens zum 17. April soll die Ausgangssperre in Südafrika andauern. Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle im Land - am Dienstag meldete das Gesundheitsministerium 1353 - dürfte bis dahin trotz der Maßnahmen weiter steigen. Präsident Ramaphosa kündigte für die kommenden Tage massenhafte Tests im ganzen Land an.