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GesellschaftTürkei

Das Aus für All-inclusive-Buffets in der Türkei?

21. August 2025

Unmengen an Essen landen in Hotels in der Türkei im Müll. Jetzt wollen Erdogans Berater offenbar die All-inclusive-Buffets ins Visier nehmen.

Ein Serpme-Frühstück mit Tomaten, Gurken, Paprika, Börek, Pommes, Käse, Butter, Sahne, Menemen, Oliven und weiteren Produkten
Frühstück in kleinen Tellern sind sehr beliebt, doch sie stehen derzeit in der Türkei in Kritik wegen der LebensmittelverschwendungBild: Elmas Topcu/DW

Von Böreks - gefüllten Blätterteigrollen - bis zu Suppen, von Würstchen bis zu Pasta, von Melonen bis zu Desserts: Wer einmal in der Türkei Urlaub gemacht hat, kennt die Vielfalt, die schon ein einziges Frühstücksbuffet bieten kann, besonders in den beliebten Touristenregionen.

Hotels wissen genau, wie verlockend diese Fülle ist, und schmücken ihre Webseiten mit zahlreichen Bildern ihrer Restaurants, um potenzielle Gäste von der Kochkunst ihrer Küchenchefs zu überzeugen. Viele Urlauber entscheiden sich deshalb für All-inclusive-Reisen, bei denen fast rund um die Uhr Speisen für jeden Geschmack und jedes Alter angeboten werden. Das ist besonders attraktiv für Familien.

Zugleich werden die Buffets für viele Gäste zum kleinen Abenteuer: Sie möchten möglichst viel probieren, füllen ihre Teller gleich mehrfach. Und doch landet ein Großteil am Ende im Müll.

All-inclusive ist bei Urlaubern beliebt, führt aber oft dazu, dass Gäste mehr auf ihre Teller laden, als sie essen können. Viel landet im Müll.Bild: Dmitri Maruta/Zoonar/picture alliance

Nun berichten türkische Tageszeitungen, dass die Berater von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Buffets in sämtlichen Restaurants und Hotels genauer unter die Lupe nehmen wollen. Als Mitglieder des beim Präsidialamt angesiedelten Rates für Landwirtschaft und Lebensmittel planen sie, in den kommenden Monaten ein Konzept zu erarbeiten, um die Lebensmittelverschwendung zu verringern.

102 Kilogramm Lebensmittel pro Person weggeworfen

In der Türkei  landen insgesamt jedes Jahr rund 8,7 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Diese Zahl stammt aus dem jüngsten Bericht der regierungsnahen "Stiftung für Verhinderung der Verschwendung“ (TISVA), die sich dabei auf Daten der Umweltbehörde der Vereinten Nationen (UNEP) stützt. Nach Berechnungen von TISVA würde bereits eine Verringerung um nur zwei Prozent ausreichen, um 360.000 Familien ein ganzes Jahr lang mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen.

Besonders auffällig ist die Verschwendung im Alltag: Jede Person in der Türkei wirft im Schnitt 102 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr weg - eine enorme Menge für ein Land, das seit Jahren mit wirtschaftlichen Problemen und hoher Inflation kämpft. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 78 Kilogramm pro Kopf, der weltweite Durchschnitt liegt bei 132 Kilogramm.

Ramazan Bingöl, Mitglied des Rates für Landwirtschaft und Lebensmittel im türkischen Präsidialamt, kritisiert vor allem die in den vergangenen Jahren immer beliebter gewordenen Frühstücksbuffets - das sogenannte Serpme Kahvaltı. Dabei bekommt jeder Gast 15 bis 20 Schälchen mit Käse, Wurst, Konfitüre, Honig, Sahne, Butter und eingelegtem Gemüse serviert. Dazu kommen Pfannen mit Pommes frites, Böreks, Spiegeleiern und regionalen Spezialitäten. Der Tisch ist schnell so vollgestellt, dass kaum noch Platz für den eigenen Teller bleibt.

Neue Frühstücks-Konzepte im Gespräch

Bingöl, zugleich Präsident des Verbands der Gesamtgastronomie- und Tourismusbetriebe (TÜRES), prangert dieses Konzept scharf an. Seiner Ansicht nach landet die Hälfte der aufgetragenen Speisen im Abfall, deshalb müsse das Angebot grundsätzlich reguliert werden. Künftig solle nicht mehr nur ein Standardfrühstückspaket pro Person auf der Karte stehen, sondern jeder Gast die Möglichkeit haben, sich sein Serpme-Frühstück aus den vorhandenen Produkten selbst zusammenzustellen. "Ein Diabetiker kann unmöglich drei oder vier Schälchen Konfitüre essen. Trotzdem kommen sie bei diesem Konzept automatisch auf den Tisch - und anschließend in den Müll", sagt Bingöl.

Er fordert zudem mehr Flexibilität bei den Abrechnungen in Restaurants. Derzeit sei es Pflicht, dass Gäste pro Kopf zahlen müssten. Entsprechend werde auch pro Person immer die gleiche Menge serviert. Eine Dreiergruppe könne jedoch problemlos mit einem Frühstück für zwei satt werden - und so bliebe deutlich weniger Essen übrig. Für Bingöl geht es dabei nicht nur um Lebensmittel, sondern auch um Rohstoffe, Energie, Arbeitszeit und Umweltschäden. Deshalb, betont er, sei das Thema eine Frage der nationalen Sicherheit.

Besonders Touristen aus Russland, Deutschland und Großbritannien kommen gerne in die Türkei Bild: Alexander Demianchuk/TASS/picture alliance / dpa

All-inclusive-Hotels im Visier

Auch die All-inclusive-Buffets in Hotels sollen künftig auf den Prüfstand gestellt werden. Präsidentenberater Bingöl ist der Ansicht, die Häuser sollten sich von den großzügigen Selbstbedienungsbuffets stärker in Richtung À-la-carte-Angebote orientieren. So könnten Gäste selbst bestimmen, was und wie viel sie essen möchten. In All-inclusive-Restaurants hingegen entstehe bei Urlaubern schnell der Gedanke: "Wow, eine so große Auswahl, ich muss von allem etwas probieren." Das Ergebnis, so Bingöl: Vieles bleibe am Ende auf dem Teller und lande im Müll.

Trotz der geplanten Einschränkungen bei Hotelbuffets gilt: Die größten Verursacher von Lebensmittelverschwendung sind offiziellen Angaben zufolge weltweit private Haushalte. Sie verursachen rund 60 Prozent des Abfalls. Die übrigen 40 Prozent entstehen im Dienstleistungssektor und im Einzelhandel. Das gilt auch für die Türkei.

Wie bindend sind die Vorschläge der Präsidentenberater?

Verschiedenen Berichten zufolge wollen Präsidentenberater wie Bingöl ihre Vorschläge zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung in den kommenden zwei Monaten zu einem Entwurf ausarbeiten und Präsident Erdogan vorlegen. Ob daraus letztlich Gesetze entstehen, ist bislang offen. Schon das Vorhaben selbst hat jedoch in Russland und Deutschland Schlagzeilen gemacht, nicht zuletzt, weil die meisten Türkei-Urlauber aus Russland, Deutschland und Großbritannien kommen.

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Die Vereinigung russischer Reiseveranstalter (ATOR) hat schnell und eindeutig darauf reagiert: Es seien lediglich Vorschläge von Bingöl, einem Mitglied eines rein beratenden Rates ohne konkrete Befugnisse. Die Hotels seien frei in der Gestaltung der Verpflegung für ihre Gäste. ATOR weist zudem auf einen Interessenkonflikt in den Aussagen des Beraters hin: Bingöl ist zugleich Präsident des Verbands der Gesamtgastronomie- und Restaurants (TÜRES). Gastronomiebetriebe hätten weniger Kundschaft, solange die Hotels großzügige All-inclusive-Angebote unterbreiten. Außerdem, so ATOR, besitze Tourismusminister Mehmet Ersoy selbst mehrere große und weit über die Türkei hinaus bekannte Hotels, die nach dem Ultra-All-inclusive-System arbeiten. Es wäre äußerst naiv zu glauben, dass er dieses abschaffen würde, fügt ATOR hinzu.

Nach Angaben der Pressestelle des türkischen Präsidialamtes stieg der Umsatz im Tourismussektor 2024 um 8,3 Prozent auf mehr als 61 Milliarden US-Dollar. Mit 9,6 Millionen machten Türkeistämmige aus dem Ausland den größten Teil aller internationalen Besucher aus. Ihnen folgten 6,7 Millionen Urlauber aus Russland, 6,6 Millionen aus Deutschland und 4,4 Millionen aus Großbritannien.

 

Elmas Topcu Reporterin und Redakteurin mit Blick auf die Türkei und deutsch-türkische Beziehungen@topcuelmas
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