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Alle wollen Snowden hören - nur wie?

Marcel Fürstenau11. September 2014

Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages macht weiter wie vor der Sommerpause: Er streitet sich über den Umgang mit dem interessantesten Zeugen. Das kommt denen gelegen, die wenig zur Aufklärung beitragen.

Edward Snowden
Bild: REUTERS

So wird das nie was mit dem hehren Anspruch, Licht ins Dunkel des Geheimdienstdschungels zu bringen. Kaum ist die parlamentarische Sommerpause vorbei, schon dreht sich im NSA-Untersuchungsausschuss (fast) alles um die Frage, unter welchen Umständen der Whistleblower Edward Snowden als Zeuge gehört werden könnte. Jener Mann also, der seit dem Sommer 2013 die Welt mit seinen Enthüllungen über die Machenschaften des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) in Atem hält.

Konservative (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) wollen ihn in seinem Moskauer Exil befragen. Mit ihrer Mehrheit haben sie am Donnerstag gegen den Willen der Opposition einen entsprechenden Beschluss gefasst. Linke und Grüne bestehen auf einer Anhörung in Berlin. Der Streit mutet schon deshalb grotesk an, weil nach Lage der Dinge im Moment weder eine Befragung in Berlin noch in Moskau realistisch erscheint. Snowden selbst hatte im Juni einen Besuch der deutschen Abgeordneten in der russischen Hauptstadt abgelehnt, angeblich um seinen Aufenthaltsstatus nicht zu gefährden. Zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, ob das zunächst für ein Jahr gewährte Asyl verlängert werden würde.

Weder Berlin noch Moskau ist im Moment eine Option

Inzwischen hat der Kreml seinem prominentesten Asylanten zwar eine Aufenthaltsgenehmigung für weitere drei Jahre erteilt, aber warum sollte Snowden seine Entscheidung revidieren? Die russische Führung müsste jetzt genauso wenig wie vorher befürchten, der 31-Jährige könnte im Rahmen einer Befragung durch deutsche Politiker in Moskau unerwünschte Dinge sagen. Im Gegenteil: Ein ehemaliger US-Spion, der auf russischem Boden über die weltweiten Ausspäh-Aktivitäten seines Heimatlandes plaudert, wäre in Zeiten der neuer Ost-West-Spannungen eine Genugtuung für Präsident Wladimir Putin.

Abgesehen davon dürfte Snowden seine Chancen auf ein aus seiner Sicht faires Verfahren in den USA kaum vergrößern. Dass er sich unter bestimmten Bedingungen eine Rückkehr vorstellen könnte, hat der einstige NSA-Mitarbeiter bereits zu erkennen gegeben. Warum SPD und Union vor diesem komplizierten Hintergrund weiter eine Befragung in Moskau anstreben, bleibt unklar. Dass Snowden in Berlin vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen wird, halten beide Fraktionen unter Verweis auf die Haltung der Bundesregierung für ausgeschlossen. Die hat schon vor Monaten unter Verweis auf ein Auslieferungsabkommen mit den USA klargestellt, dem Whistleblower kein freies Geleit garantieren zu können - oder zu wollen.

Generalbundesanwalt und Geheimdienst-Koordinator zu Gast

Grüne und Linke wollen nun eine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung vorbereiten. Spätestens Anfang Oktober solle sie kommen, kündigte Martina Renner an, die Linken-Obfrau im NSA-Ausschuss. Unions-Obmann Roderich Kiesewetter bezeichnete das Vorhaben der Opposition als "Klamauk". Durch den Streit über den Umgang mit Snowden gerieten die inhaltlichen Aspekte des am Donnerstag geheim tagenden NSA-Untersuchungsausschusses fast in Vergessenheit. Dabei waren mit Generalbundesanwalt (GBA) Harald Range und dem im Kanzleramt angesiedelten Geheimdienst-Koordinator Klaus-Dieter Fritsche zwei interessante Gesprächspartner in Berlin erschienen.

Erster Gast: Generalbundesanwalt RangeBild: picture-alliance/dpa/Rainer Jensen

Range informierte den Ausschuss nach übereinstimmenden Angaben der Obleute über die Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Spion Markus R. Ihm wird vorgeworfen, den USA geheime Akten des Bundesnachrichtendienstes (BND) verkauft zu haben. Darunter sollen brisante Informationen über BND-Aktivitäten im NATO-Partnerland Türkei gewesen sein. Mit dem Auftritt des Generalbundesanwalts waren die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses aber nur bedingt zufrieden. Laut SPD-Obmann Christian Flisek habe man "nicht wesentlich mehr" erfahren, als aus Presseberichten schon bekannt gewesen sei. Deshalb habe man auf GBA Range "freundlich" Druck ausgeübt, bei seinen Ermittlungen endlich Kontakt mit US-Stellen aufzunehmen.

Der lange Arm der "Five Eyes"

Geheimdienst-Koordinator Fritsche informierte das Gremium über seine Reisen in jene Länder, die zum Kreis der sogenannten "Five Eyes" gehören. Damit sind die Geheimdienste der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands gemeint. Die "Five Eyes" spielen beim Umgang mit Akten für den NSA-Untersuchungsausschuss eine wichtige Rolle, weil sie intensiv mit deutschen Diensten kooperieren.

Zweiter Gast: Geheimdienst-Koordinator FritscheBild: picture-alliance/dpa/Rainer Jensen

Allzu viel erfahren die Abgeordneten aber nicht, weil ein Großteil des Materials geschwärzt ist. Darauf drängen angeblich die "Five Eyes"-Dienste. Grünen-Obmann Konstantin von Notz wirft der Bundesregierung deshalb vor, ihr Verhalten sei "zynisch und verfassungswidrig". Es sei nicht Sache der Regierung, den Aufklärungswillen des Parlaments zu hintertreiben. Geheimdienst-Koordinator Fritsche habe nun ein "Konsultationsverfahren" angekündigt, sagte SPD-Obmann Christian Flisek. In der Praxis würde das bedeuten, dass die Dienste der "Five Eyes"-Staaten entscheiden, welche Akten in welcher Form im NSA-Untersuchungsausschuss vorgelegt werden, wenn ein Bezug zu ausländischen Stellen existiert. Linken-Obfrau Renner lehnt das rundweg ab: "Es sind Dokumente der Bundesrepublik."