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Die Toten Hosen auf Jubiläumstour

9. Juni 2022

40 Jahre Die Toten Hosen! Anlässlich ihres runden Jubiläums tauchen wir ein in die wilden Anfangsjahre der Band in der Düsseldorfer Punkszene der 1970er Jahre.

Die Toten Hosen I Bandporträt
Die Toten Hosen werden 40Bild: GABO

Düsseldorf, Ratinger Straße 10, Anfang der 1980er Jahre. Die Kneipe "Ratinger Hof" ist seit Jahren Anziehungspunkt für Künstler und Musiker aus der Düsseldorfer Szene - ab und zu schauen auch mal Joseph Beuys oder Sigmar Polke herein. Im Keller proben Punkbands, oben finden Diskussionsforen, Konzerte und freies Theater statt.

"Normale" Altstadtbesucher oder Touristen verirren sich selten in diese von Neonröhren bestrahlte Künstlerkneipe - hier ist alles ehrlich und rau. Wie die Bands, die hier auf der aus Billardtischen zusammengezimmerten Bühne stehen. Die damalige Besitzerin, Carmen Knoebel, erinnert sich: "Wir fanden es ganz toll, mit welcher Frische die Bands auf die Bühne stiegen, ohne wirklich ihre Instrumente zu beherrschen", erzählt sie im Webmagazin der Toten Hosen. Auch die Texte fand sie damals gut und fügt hinzu: "Ich glaube, dass im deutschen Punk die Texte auch viel wichtiger waren als die Musik."

Der Ratinger Hof - Spielwiese und Sprungbrett für deutsche Punkbands

Zu den Bands, die dort auf der Bühne des Ratinger Hofs auf ihren Instrumenten herumschrammelten, gehörte auch die Band "Zentralkomitee", lässig abgekürzt mit "ZK". Die Band um den jungen Campino, mit bürgerlichem Namen Andreas Frege, gab dort genauso Konzerte wie all die anderen jungen Punkbands, die sich alle gegenseitig neugierig beobachteten und voneinander lernten. Der Ratinger Hof war Spielwiese und Sprungbrett zugleich.

Punk war Ende der 1970er von England nach Deutschland herübergeschwappt, selbst bis in die DDRBild: imago images/R. Zöllner

ZK brachten das Publikum zum Pogen, Campino war von Anfang an ein Frontmann mit Entertainerqualitäten. Unvergessen bleibt in Carmen Knoebels Erinnerung aber ein Kinderkonzert im Ratinger Hof. ZK traten in Clownskostümen auf und ließen die Kinder die Bühne entern. Die durften Blockflöten malträtieren und die Musiker schließlich mit Schokoküssen bewerfen.

Eine Kneipe komplett zerstört

In dem Buch "Die Toten Hosen - Am Anfang war der Lärm" erinnert sich Campino an die ZK-Zeit: "Jedes zweite Konzert war total scheiße. Wenn das Konzert zu Ende war, haben drei Mann geklatscht, einer rief 'Arschloch' und das war's." Trotzdem hat das Punk-Trio Singles und eine LP veröffentlicht.

Am Anfang war die Musik der Hosen nicht chartstauglichBild: United Archives/picture alliance

Auch neben der Bühne gab es unvergessene Momente, so denkt Trini Trimpop, der die Band damals begleitete und Konzertmitschnitte machte, gerne zurück an eine Nacht in einer Kreuzberger Kneipe: "Wir haben mit dem Wirt zusammen im Suff mitten in der Nacht angefangen, in der Kneipe mit einem Lederball Fußball zu spielen. Am nächsten Morgen stand nichts mehr außer dem Billardtisch - kein Glas, kein Spiegel, keine Flasche, kein Stuhl," erzählte er in einer Webradio-Sendung des Medienforums Münster. Das Beste daran sei gewesen, dass der Wirt mit vollem Enthusiasmus alles mitgemacht habe.

Die toten Hasen und andere Pseudonyme

Im Dezember 1981 war Schluss mit ZK. Wenige Monate später gründeten Campino, Andreas von Holst, Andreas Meurer, Michael Breitkopf, Walter Hartung und Trini Trimpop die Toten Hosen. Nach nur einem Monat Proben spielten sie ihr erstes Konzert in Bremen und wurden als "Die Toten Hasen" angesagt.

Die "Roten Rosen"Bild: Achim Scheidemann/dpa/picture-alliance

Die Band hatte im Laufe ihrer Karriere viele Namen. Als "Die Roten Rosen" haben sie alte deutsche Schlager gecovert, unter anderem Hildegard Knefs "Für mich soll's rote Rosen regnen", 1993 traten sie als "Das Katastrophenkommando" auf, 1998 als "Rheinpiraten". 2000 spielten sie als "Essen auf Rädern" mehrere Konzerte. Sie traten auch als "Die Jungs von der Opelgang" auf - eine Hommage an den Titel des ersten Hosen-Albums "Opel-Gang", auf dem auch ihr erster Hit, die Spaßpunk-Nummer "Eisgekühlter Bommerlunder" zu hören ist.

Sie nahmen sich 1985 selbst aufs Korn, als sie in einem Kinofilm über die damals in Deutschland populären Musiksendung "Formel 1" mitwirkten. Um an einen Auftritt in der Show zu kommen, müssen sie die Konkurrenz aus dem Weg schaffen und geben sich verschiedene Pseudonyme: "Little Pepito and the Swinging Pesetas", "Die Flinger Domspatzen", "Ricky Curl and the Standing Ovations" oder "Evil Kids". So versuchen sie nach und nach Superstars der 80er auszuschalten, wie etwa Limahl oder Falco. Der kultige Filmklamauk führte immer noch nicht zum Durchbruch - das Interesse der Medien blieb überschaubar. "Aus denen wird eh nichts", hieß es bis Mitte der 80er aus Pressekreisen - das sollte sich bald ändern.

Die Toten Hosen 1985Bild: United Archives/picture alliance

Politisch aktiv bis heute

Die Jungs aus Düsseldorf sind immer wieder durch deutliche politische Botschaften aufgefallen, die sich vor allem gegen Rechts richten. 1986 spielten sie erstmals vor einem wirklich großen Publikum - unter anderem mit Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg auf "WAA-hnsinns - Festival" gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf vor 100.000 Leuten.

Am Rande des WAA-hnsinnsfestivals: Campino (l), Udo Lindenberg (Mitte), und Wolfgang Niedecken von BAPBild: Kemmether/dpa/picture alliance

Mit dem Album "Ein kleines bisschen Horrorschau" - basierend auf der Musik der Bühnenfassung von "The Clockwork Orange" - schafften sie 1988 den Durchbruch, unter anderem mit der Single "Hier kommt Alex". Sie spielten Konzerte vor ausverkauften Hallen, die immer größer wurden - machten aber auch immer wieder kleinere Sachen wie Überraschungsauftritte in Haftanstalten.

1992 erschien der Anti-Nazi-Song "Sascha, ein aufrechter Deutscher" - entstanden als Protest gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Damals hatten Skinheads unter Applaus in Rostock-Lichtenhagen ein Asylbewerberheim mit Molotowcocktails in Brand gesteckt.

Ein "aufrechter Deutscher" bei den Krawallen in Rostock-LichtenhagenBild: Jens Kalaene/ZB/picture alliance

Die Toten Hosen unterstützen bis heute Kampagnen gegen Armut, Umweltzerstörung, Fremdenhass und setzen sich für verschiedenste Hilfsorganisationen ein.

Hymne ja, aber bitte nicht für die CDU

Einer der erfolgreichsten Songs der Band ist "Tage wie diese" (2012). Die Hymne wurde zum Soundtrack der Fußball-Europameisterschaft 2012 und verkörpert eine Art gemeinschaftlichen Freudentaumel. Als sich am Abend der Bundestagswahlen 2013 die Wahlsieger von der CDU des Songs bedienen, ist die Band not amused - sie hatten sich schon während des Wahlkampfes verbeten, diesen Song für politische Zwecke zu nutzen - und es kam so weit, dass sich die gerade frisch wiedergewählte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Campino höchstpersönlich telefonisch entschuldigte: "Lieber Herr Campino, ich rufe an, weil wir ja am Wahlabend so auf ihrem Lied herumgetrampelt sind. Keine Angst, es soll nicht die nächste CDU-Hymne werden. Aber Sie haben da so ein schönes Lied geschrieben."

Bis heute ist Campino der Meister des gestreckten Beins. Seine gesprungenen Spagate sind legendärBild: Anthony Anex/KEYSTONE/picture alliance

"Tage wie diese" ist einer von über 500 Songs, die Campino für die Hosen geschrieben hat. Hinzu kommen 196 Coversongs - das ist rekordverdächtig. Auch das letzte Studio-Album "Learning English Lesson 3" besteht nur aus Coverversionen englischer Hits. In diesem Jahr aber gibt es wieder neue Töne: Zum 40. Bandjubiläum ist im März 2022 "Scheiss Wessis" erschienen - eine Zusammenarbeit mit dem Musiker Marteria, der zeitgleich den Song "Scheiss Ossis" veröffentlicht hat - eine Gemeinschaftsaktion gegen Vorurteile und fürs Zusammenwachsen. Am 27. Mai kam ein neues Best-of-Album mit sieben frischen Songs raus. Und nun geht die Band auf nahezu ausverkaufte "Alles aus Liebe - 40 Jahre die Toten Hosen"-Tour durch Deutschlands Stadien. Die Konzerte starteten am 7. Juni in Flensburg, Abstecher nach Österreich und in die Schweiz gibt es auch.

Dies ist die aktualisierte Version eines Artikels, der erstmals am 24.03.2022 erschienen ist. 

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online
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