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Alles bestens außer der Stimmung

Juri Rescheto aus dem Studio Moskau
13. Juni 2017

Wenige Tage vor dem Confed Cup in Russland ist in den Stadien alles vorbereitet. Viel Geld wurde auch in Sicherheit und Infrastruktur investiert. Nur Fußballbegeisterung und Turnierstimmung wollen noch nicht aufkommen.

Russland Vorbereitung FIFA Confederations Cup 2017 in Moskau
Bild: picture-alliance/dap/A. Denisov

Der russische Präsident Wladimir Putin ist bisher nicht unbedingt durch seine Vorliebe für Fußball aufgefallen - auch nicht für die russische Nationalelf. Auf die Frage nach der staatlichen Unterstützung für den russischen Fußball soll er einmal geantwortet haben: "Russischer Fußball? Den kenne ich nicht." Ob dieser Satz tatsächlich stimmt, weiß man allerdings nicht genau. Fakt ist, die russische Nationalelf ist weder beim russischen Präsidenten noch beim russischen Volk besonders beliebt. Nach Skandalen und Enttäuschungen in den vergangenen Jahren ist das aber auch kein Wunder. "Kaum einer würde unsere Spieler auf der Straße erkennen - sagt der Politologe Michail Winogradow der DW. "Sport ist natürlich Politik, auch in Russland, aber nicht unbedingt Fußball."

Fußball hier ist in erster Linie Sicherheit. Nach dem jüngsten Terroranschlag in der U-Bahn von Sankt Petersburg wurden die Sicherheitsmaßnahmen im ganzen Land verschärft. Das Demonstrationsrecht gilt zwar immer noch, aber die Straßendemos müssen nach dem Erlass von Präsident Putin zusätzlich vom Geheimdienst FSB genehmigt werden. Verschärfte Kontrollen auch an den Grenzen. Ausländer müssen sich spätestens am nächsten Tag bei der Migrationsbehörde melden, was sehr stressig ist. Normalerweise benötigt man dafür fünf Tage. Das Resultat: lange Schlangen in den Meldestellen, noch längere Gesichter bei den Touristen.

Keine Begeisterung für die Sbornaja

Kein Fußballfest also in Russland? Gedämpfte Stimmung, und das nur eine Woche vor dem wichtigsten internationalen Sportwettbewerb des Jahres? Die Meinungen gehen auseinander: Für den Politologen Winogradow war die jüngste russische Meisterschaft mit dem sensationellen Sieg von Spartak Moskau bereits das Ereignis des Jahres: "Über den Confed Cup spricht dagegen keiner."

Auch wenn Präsident Wladimir Putin kein Fußball-Fan ist, macht er doch Werbung für Confed Cup und WMBild: picture-alliance/dpa/S. Karpukhin

Die Fußball-Legende Jewgenij Lowtschew, Fußballer des Jahres 1972 in der Sowjetunion, schätzt das bevorstehende Turnier aber sehr. In einem DW-Interview sagt er: "Erstens wegen der Infrastruktur. Wir können vier neue Stadien testen, die extra dafür gebaut oder umgebaut wurden. Zweitens können wir international unseren Ruf als Sportnation verbessern." Damit meint der verdiente Sportler den Doping-Skandal und die seiner Meinung nach ungerechte Behandlung aller russischer Sportler. "Und drittens können wir unser Nationalteam testen." Hier stockt Lowtschew allerdings: "Wobei wenn wir ehrlich sind... Ein Team, das auf der FIFA-Skala irgendwo hinter Platz 60 liegt, kann das Ruder auch nicht mehr rumreißen." Und genau das ist das Problem. Weil das eigene Nationalteam hierzulande seit Jahren niemanden vom Hocker reißt, kommt keine richtige Fußballstimmung im Land auf. Bisher zumindest nicht.

Kostenfreier Transport

Und das trotz der vielen Maßnahmen, die Russland im Vorfeld des Confed Cup unternommen hat. Die Russische Eisenbahn RZD will die Fans kostenlos durchs Land befördern. Das Stadionticket soll die Bahnkarte ersetzen. Zusätzliche Züge sollen zwischen den Spielstätten Moskau, Kasan, Sankt Petersburg und Sotschi kursieren, behindertengerecht und mit Bio-Toiletten ausgestattet - beides eine Seltenheit in Russland.

Die Eintrittskarten sollen auch als U-Bahn-Tickets geltenBild: picture alliance/dpa/A. Shcherbak

Die Moskauer Verkehrsbetriebe Mosgortrans bieten den Fans an Spieltagen kostenlose Bus- und Tramfahrten durch die Millionenmetropole an. Auch hier soll der Fanpass als Fahrkarte gelten.

In der U-Bahn bekommen die legendären grimmig dreinschauenden Rolltreppenaufseherinnen eine schicke neue Uniform und sollen künftig sogar lächeln. Doch der wahre Fortschritt kommt, wenn die komplizierten kyrillischen Stationen- und Liniennamen wie Petrowsko-Razumowskaja oder Serpuchowsko-Timirjazewskaja durch schlichte farbige Nummern ergänzt werden, die wohl dann jeder Ausländer auch ohne Kyrillischkenntnisse versteht. Da werden übrigens die Russen ebenfalls dankbar sein, denn nicht einmal ihnen, die Muttersprachler, kommen die Namen der palastartigen Moskauer U-Bahn-Stationen so schnell über die Lippen.

170.000 Freiwillige

Viele Freiwillige - meistens Jugendliche und Studenten - wollen zum Gelingen des Confed Cup beitragenBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Fast elf Milliarden Rubel, das sind umgerechnet 1,75 Milliarden Euro, hat der russische Staat für die Infrastruktur-Projekte des Confed Cup 2017 und die der anschließenden WM 2018 vorgesehen. Alles im Einklang mit den Forderungen des Fußballweltverbands FIFA, heißt es. Alle Mittel sollen total transparent und unter schärfsten Kontrollen ausgegeben werden. Zwei Mega-Events, auf die natürlich viele gespannt sind.

Wie die 21-jährige Freiwillige Maria Rjazhanowa aus Kasan. Als die WM-Entscheidung 2010 zu Gunsten Russlands ausfiel, war sie erst 14 Jahre alt. Ein Kind. "Damals dachte ich: wie schön! Wenn ich erwachsen bin, kann ich eine echte Fußball-WM in meiner Stadt erleben", erzählt Maria der DW. Marias Stadt Kasan ist bereits jetzt eine der vier Austragungsorte des Confed Cup. So wie sie müssen damals 170.000 andere russische Jungen und Mädchen gedacht haben, die sich jetzt, sieben Jahre später, als Freiwillige für den Confed Cup beworben haben. "Ein Wettbewerb wie beim Einschreiben einer Elite-Uni", erzählt Maria stolz. Auf ihre Fußballbegeisterung ist jetzt Verlass. Immerhin…

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