Alles wird galaktisch gut
24. Juli 2003Manchmal ist weniger mehr. Ein altes Dampfbügeleisen, lackierte Jogurtbecher, Badarmaturen oder Bleistiftanspitzer. Dazu noch spacige Quietschorgel-Musik und die typischen Damenfrisuren der 1960er. Viel mehr brauchte die siebenteilige TV-Serie "Raumpatrouille Orion – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion" aus dem Jahr 1966 nicht, um Filmgeschichte zu schreiben. Am 24. Juli 2003, fast genau 38 Jahre später, kehrt die alte Crew zurück: In Form eines in Ton und Bild digital überarbeiteten Kinofilmes. Entstanden ist ein Nostalgie-Feuerwerk, dass sich nicht nur Orion-Fans anschauen sollten.
Von der 1966 im US-Fernsehen nur neun Tage früher angelaufenen Science-Fiction-Serie "Raumschiff Enterprise" ließen sich die Darsteller damals nicht beeindrucken. Dietmar Schönherr alias Major Cliff Allister McLane wusste einfach, dass sich die "Raumpatrouille" zum Straßenfeger entwickeln würde. "Sogar an Tankstellen hat man mich mit den Worten 'Commander, darf ich Ihnen helfen' begrüßt." Und "Astrogator" F. G. Beckhaus ergänzt: "Ich fand die langen Ohren von Spock furchtbar, da standen wir drüber."
In einer fernen Zukunft
Die Idee zu der technisch überarbeiteten Fassung entstand auf Grund der positiven Resonanz auf den Director's Cut von "Das Boot", sagte Professor Thilo Kleine, Geschäftsführer der Bavaria Film GmbH. Für den so genannten Producer's Cut wurden die Filmszenen der sieben Folgen von "Raumpatrouille Orion " gekürzt, teilweise aus dem Zusammenhang genommen und zu einer abgeschlossenen Filmhandlung neu zusammengestellt. Die eigentliche Rahmengeschichte blieb jedoch erhalten: "Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschen und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen." Mit diesen Worten beginnen alle "Raumpatrouille Orion"-Folgen und auch die Kinofassung.
Im Jahr 3000 lebt die Menschheit in Frieden und tanzt "Galyxo". Wenn da nur nicht die "Exoterristen" wären. Ihre "Frogs" (Feindliche Raumschiffe Ohne Galaktische Seriennummer) bedrohen die schöne neue Zukunftswelt in hartnäckiger Weise. Zum Glück aber schieben Major Cliff Allister McLane und seine sympathische Crew Patrouillendienst im All und sind stets zur Stelle, um die Menschheit vor der Vernichtung zu retten. Die Rolle der attraktiven Agentin Tamara Jagellovsk (Eva Pflug) war revolutionär. Die Schauspielerin zeigte sich besonders von der vielen Fanpost begeistert: "Ich war die erste Frau, die im Fernsehen Befehlsgewalt (…) hatte. Das hat offenbar vielen jungen Mädchen imponiert."
Kinofassung mit hohem Wiedererkennungseffekt
In der neuen Kino-Fassung sind alle Elemente der klassischen Serienvorlage, die in den 1960er und 1970er Jahren von Schweden über Jugoslawien bis nach Singapur ausgestrahlt wurde, vertreten. Der Film ist natürlich schwarz-weiß und es fehlen weder die völlig überarbeitete und neu abgemischte Musik von Peter Thomas noch der Bleistiftspitzer, an dem Major Cliff Allister McLane immer dreht, wenn das Raumschiff Orion zu neuen Abenteuern abhebt.
Zwei kleinere Eingriffe in die Geschichte haben sich die Produzenten jedoch erlaubt: Als Sprecherin für die "Sternenschau", eine Art intergalaktische Wochenschau, wurde die Schriftstellerin und Moderatorin Elke Heidenreich in das Originalmaterial geschnitten. Im Film tritt sie stilecht mit mächtiger Bienenstock-Frisur, eng anliegender Uniform und kniehohen Stiefeln auf und die "Sternenschau-Szenen" werden so als erzählerische Überleitung zwischen den einzelnen Filmsequenzen eingesetzt.
Filmtechnische Details
Ihren ungebrochenen Kultstatus hat die "Raumpatrouille" als erste deutsche und kontinentaleuropäische Science-Fiction-Serie vor allem ihrer futuristischen Ausstattung und der damals Bahn brechenden Tricktechnik zu verdanken. Was einem heute veraltet oder gar lächerlich erscheint, war 1966 Stand der Technik. Inzwischen wird ganz selbstverständlich im Computer animiert, was Mitte der 1960er Jahre noch mühevolle Handarbeit war. So wurden zum Beispiel die Unterwasserstarts der "Orion" ins All von den Tricktechnikern der Bavaria Filmstudios mit Hilfe von Brausetabletten und künstlichen Wasserstrudeln realisiert. Das "spacige" Innendekor des Raumschiffes bastelten die Ausstatter aus Alltagsgegenständen zusammen.
Spektakuläre Low-Budget Produktion
Die Serie wurde Ende der 1960er Jahre unter Beteiligung von vier ARD-Anstalten und einem französischen TV-Sender in Auftrag gegeben. Gedreht wurde auf dem Bavaria-Gelände in Geiselgasteig bei München und in einem Braunkohlebergwerk im oberbayerischen Peißenberg. Die Produktion kostete damals 3,4 Millionen Mark und wurde in insgesamt 50.000 Arbeitsstunden erstellt. Am 17. September 1966 wurde die erste der sieben Folgen ausgestrahlt. Am 10. Dezember war wieder Schluss – abgesehen von unzähligen Wiederholungen im deutschen und internationalen Fernsehen. Und der Neuaufführung jetzt im Kino.