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Als Ceaușescu die Rumäniendeutschen "verkaufte"

Marc von Lüpke-Schwarz30. Oktober 2013

Der rumänische Diktator Ceaușescu wirtschaftete sein Land in die Krise. Mit dem "Verkauf" der Rumäniendeutschen besserte er seine Kasse auf - bis zur Revolution von 1989. Dann verließen viele Rumäniendeutsche das Land.

Siebenbürger Sachsen, Trachtenfestzug (Foto: picture alliance/Bildagentur-online/Forkel)
Bild: picture alliance/Bildagentur-online/Forkel

Schüsse hallten durch die Straßen der rumänischen Stadt Sibiu. Kurz vor Weihnachten 1989 hatten sich viele Rumänen gegen ihren Diktator Nicolae Ceauşescu und seine Gewaltherrschaft erhoben. Aufständische Soldaten kämpften gegen die Männer des verhassten Geheimdienstes "Securitate". Über 100 Menschen starben allein in der siebenbürgischen Stadt. Die Revolutionäre setzten sich am Ende durch – Ceaușescu wurde gestürzt. Damit öffnete sich auch für die Menschen in Rumänien der Eiserne Vorhang, nur wenige Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer. Auch die Deutschen in Rumänien konnten aufatmen. Denn wie alle Rumänen hatte sie der Diktator in dem durch Misswirtschaft verarmten Rumänien gefangen gehalten. Ihre Ausreise ließ er sich vor seinem Sturz teuer von der Bundesrepublik Deutschland bezahlen.

Nach dem Sturz der Diktatur 1990 verließen viele Rumäniendeutsche ihre Heimat und gingen nach DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Ceaușescu soll einmal gehöhnt haben, dass "Erdöl, Deutsche und Juden Rumäniens wichtigste Exportartikel" seien. Nach seinem Sturz konnten auch die Rumäniendeutschen frei reisen – und verließen vielfach für immer das Land. Sibiu, das viele Jahrhunderte unter dem deutschen Namen Hermannstadt bekannt gewesen war, verlor dadurch einen Großteil seiner deutschen Einwohner. 1977 lebten etwa 25.000 Rumäniendeutsche in der Stadt, 1992 waren es weniger als 6.000 – Tendenz fallend. Dabei war die Stadt einst ein blühendes Zentrum der Siebenbürger Sachsen gewesen.

Deutsche in Siebenbürgen

Wilde Reitervölker machten Siebenbürgen im frühen Mittelalter unsicher. Mit viel Mühe konnten die ungarischen Könige das Gebiet befrieden. Vom Rhein strömten bald Menschen heran, aus dem Elsaß und Lothringen, aus Flandern und Luxemburg, aber auch aus Bayern und Sachsen, um das Land zu besiedeln. Einer von ihnen, ein gewisser Hermann, soll Mitte des 11. Jahrhunderts an einer günstigen Stelle eine Ortschaft gegründet haben: Hermannstadt.

Schilder verweisen heute auch auf den deutschen Namen der StadtBild: Wikimedia

Als Siebenbürger Sachsen waren diese Siedler bald in ihrer neuen Heimat bekannt. Sie entwickelten ihre eigene Kultur, erhielten viele Privilegien von der Krone – und grenzten sich stark von ihren nichtdeutschen Nachbarn ab. Auch in andere Landesteile des heutigen Rumäniens wanderten im Laufe der Jahrhunderte Deutsche ein, die als fleißig und arbeitsam galten: Die Zipser, die Banater Schwaben, die Bukowinadeutschen, die Regater Deutschen und einige andere.

Begeisterung für den Nationalsozialismus

Im Vielvölkerstaat, zu dem Rumänien spätestens nach dem Ende des Ersten Weltkriegs geworden war, suchten die Siebenbürger Sachsen ihrer alte privilegierte Rolle zu bewahren. In Hermannstadt waren sie mittlerweile in der Minderheit. Dort lebten 1941 über 30.000 Rumänen, aber nur noch knapp 23.000 Deutsche. In dem in Deutschland erstarkenden Nationalsozialismus und seiner Ideologe einer überlegenen deutschen Rasse sahen auch viele Siebenbürger Sachsen einen Ausweg. Zumal Hitler sich als Schutzpatron aller Deutschen im Ausland gebärdete.

Die Tracht der Siebenbürger SachsenBild: picture alliance/akg-images

Von Berlin aus dirigiert, wurden die Siebenbürger Sachsen "gleichgeschaltet". Die NS-Ideologie fiel hier auf fruchtbaren Boden. Viele Siebenbürger Sachsen kämpften für die Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg. Später sollte sich dies bitter rächen. Als die siegreiche Rote Armee einmarschierte, deportierte man zehntausende Rumäniendeutsche in die Sowjetunion, Männer und Frauen.

Menschenhandel

Auch in Rumänien, das bald sozialistisch wurde, galten die rund eine halbe Million Rumäniendeutschen kollektiv als "Verräter". Erst allmählich gestand man ihnen wieder Rechte zu – natürlich nur, wenn sie sich als gute Kommunisten zeigten. Mit Versen wie "Das Elend ist nun längst vorbei, das danken wir unserer Partei!" mussten sie sich "bedanken". Viele Rumäniendeutsche wollten das Land, das Nicolae Ceauşescu mit eiserner Hand regierte, Richtung Deutschland verlassen.

Der rumänische Diktator Nicolae Ceauşescu "verkaufte" die RumäniendeutschenBild: AP

Der Diktator witterte ein Geschäft. Seit 1968 verhandelte der deutsche Rechtsanwalt Heinz-Günther Hüsch im Auftrag der Bundesregierung mit der "Securitate" über einen Freikauf von Rumäniendeutschen – alles streng geheim. Beträge bis zu etwa 8.000 DM pro Kopf wechselten den Besitzer – über 200.000 Menschen wurden so von der Bundesregierung freigekauft.

Kultur bewahren

Auf ähnliche Weise musste sich übrigens Israel die Ausreise der rumänischen Juden erkaufen. Der Freikauf der Rumäniendeutsche endete erst im Dezember 1989, als in Hermannstadt Schüsse knallten. Nicolae Ceauşescu wurde mitsamt seiner Frau am 25. Dezember standrechtlich erschossen. Die Rumäniendeutschen waren frei – der Damm war gebrochen. Heute leben nur noch weniger als 40.000 Rumäniendeutsche im Land, davon ca. 1.500 in Sibiu/Hermannstadt. Einer von ihnen ist dort seit mehr als zwölf Jahren Bürgermeister – von der rumänischen Bevölkerungsmehrheit gewählt. Ein Symbol dafür, dass im lange zerstrittenen Vielvölkerstaat Rumänien überkommene nationale Grenzen überwunden werden können.

Im Jahr 2007 war Sibiu / Hermannstadt Kulturhauptstadt EuropasBild: picture-alliance/dpa

Das "Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien" vertritt die Rechte der deutschen Minderheit. Gegründet wurde es bereits wenige Tage nach dem Sturz des Diktators. Hermannstadt ist bis heute ein Zentrum der Siebenbürger Sachsen: Im Kultur- und Begegnungszentrum Friedrich Teutsch [http://www.teutsch.ro/] sammelt man die Zeugnisse der vielen aufgegebenen Gemeinden der Siebenbürger Sachsen.

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