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"Kaiser-Wilhelm-Spitze"

Marc von Lüpke-Schwarz25. Oktober 2013

Der Deutsche Hans Meyer bezwang 1889 als erster Europäer den höchsten Gipfel des Kilimandscharo. Bis zum Ersten Weltkrieg galt die "Kaiser-Wilhelm-Spitze" als der höchste Punkt Deutschlands.

Kilimandscharo unter deutscher Kolonialherrschaft, Bild von 1911 (Foto: zeno.org)
Bild: zeno.org

"Hurra, hurra, hurra! ", schallte es am 6. Oktober 1889 vom Gipfel des schneebedeckten Kibo – dem höchsten Punkt des Kilimandscharo im fernen Afrika. Der deutsche Hans Meyer schrie die Worte zusammen mit seinem österreichischen Begleiter Ludwig Purtscheller in die Welt hinaus. Meyer hatte gerade als erster Europäer das Bergmassiv bezwungen – kurz vor seinem Kollegen Purtscheller. Aus 5895 Meter Höhe blickte der Deutsche nun hinunter auf die Erde. Behutsam nahm er eine kleine deutsche Fahne aus seinem Rucksack und steckte sie in den Gipfel.

Dem Deutschen Hans Meyer gelang die Erstbesteigung des KilimandscharosBild: picture-alliance/dpa

"Mit dem Recht des ersten Ersteigers taufe ich diese bisher unbekannte, namenlose Spitze des Kibo, den höchsten Punkt afrikanischer und deutscher Erde: Kaiser-Wilhelm-Spitze", erklärte Meyer stolz. Plötzlich besaß Deutschland einen Sechstausender, der bislang höchste Gipfel, die Zugspitze, maß nicht einmal die Hälfte. Auch ein Geschenk für den Namensgeber steckte Meyer in der luftigen Höhe ein. Den "obersten Stein" verehrte der Bergsteiger Kaiser Wilhelm höchstpersönlich. Der Beschenkte zeigte sich erfreut und ließ das "Souvenir" später in den Grottensaal des Neuen Palais in Potsdam einbauen.

Ein Geschenk für den Kaiser

Der zukünftige Bezwinger des Kilimandscharo wurde am 22. März 1858 in Thüringen geboren. Seine Familie war in ganz Deutschland bekannt. Denn "Meyers Konversationslexikon" stand in fast jedem bürgerlichen Haushalt. Meyers Großvater hatte die Reihe begründet. Finanziell unabhängig konnte der junge Hans unbeschwert reisen. 1887 verschlug es ihn nach Ostafrika, wo er das Bergmassiv des Kilimandscharo kennen und lieben lernen sollte. "Aus Nordwesten strahlte herrlich, groß und überirdisch das Schneehaupt des Kilimandscharo zu uns herüber", schwärmte Meyer. Der Kilimandscharo ist ein Bergmassiv, aus dem drei hohe Gipfel in den Himmel ragen. Die erloschenen Vulkane Kibo, Mawenzi und Shira. Der Kibo ist zugleich der höchste Punkt Afrikas.

Unter Bergsteigern bis heute beliebt: der KilimandscharoBild: picture-alliance/dpa

Als erster Mensch seinen Fuß auf diesen Punkt zu setzen, wurde Meyers Traum. Dabei spielte weniger die sportliche Herausforderung des Bergsteigens eine Rolle. Als überzeugter Kolonialist wollte er durch die Erstbesteigung ein Zeichen für die angebliche Stärke Deutschlands setzen. Und für das vermeintliche deutsche Recht auf Kolonien. Seit 1885 war Deutsch-Ostafrika deutsches Schutzgebiet. Es umfasste im Wesentlichen das Gebiet des heutigen Tansanias, Burundis und Ruandas. Den Deutschen ging es neben dem imperialen Glanz vor allem um eines – die wirtschaftliche Ausbeutung der Kolonie. Sie verlangten völlig überhöhte Steuern, beuteten viele der Einheimischen als Sklaven aus. Blutige Aufstände gegen die deutsche Herrschaft erschütterten das Land immer wieder. Die größte Rebellion, der Maji-Maji-Aufstand von 1905, forderte rund 100.000 Tote. Mit äußerster Brutalität, auch gegen die Zivilbevölkerung, schlugen die Deutschen die Rebellion nieder.

"Treue Neger"

Der Gipfelstürmer Hans Meyer war 1889 wie alle Deutschen in der Kolonie auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen. Als Träger transportierten sie seine Ausrüstung, versorgten ihn mit Lebensmitteln und gaben ihm Rat. Als "treue Neger" "lobte" sie Meyer in seiner rassistischen Weltsicht. Und schmiedete Pläne, wie sich die Kolonie am effektivsten ausbeuten ließe. "Als den Reichtum Afrikas" bezeichnet er ihre "noch latente Arbeitskraft". Damit aus ihnen aber gute Arbeitskräfte würden, bedürfe es noch einer "Verdichtung, Hebung und Veredelung der eigenartigen Negerkultur".

Kolonialismus: Für die Deutschen waren die Landesbewohner billige ArbeitskräfteBild: Bundesarchiv,Walther Dobbertin- CC-BY-SA

Sprich, die Menschen sollten im Sinne "deutscher Kultur" "zivilisiert" werden. Einem Einheimischen hatte Meyer besonders viel zu verdanken. Der achtzehnjährige Yohani Kinyala Lauwo vom Stamm der Chagga hatte den Deutschen auf den Gipfel geleitet. Damit war Lauwo der erste Tansanier, der den Kilimandscharo bezwungen hatte. Eine Tatsache, die in Deutschland für wenig Interesse sorgte. Der Kilimandscharo selbst wurde in Deutschland dagegen eine Berühmtheit: Männer, Frauen, Kinder wussten bald, dass der höchste Berg Deutschlands im fernen Afrika stand – dafür sorgten Zeitungen, Zeitschriften und Bücher.

Abfahrt vom Kilimandscharo

Bald wollten auch andere Deutsche den Kilimandscharo bezwingen. Aus diesem Grund errichtete man Hütten, die den Bergsteigern bei ihrem Aufstieg Schutz und Unterkunft bieten sollten. Ganz wie die Deutschen es aus den heimischen Alpen kannten. 1912 errichtete man die "Bismarckhütte", 1913 die "Petershütte", die auch heute noch, wenn auch unter anderem Namen, Bergsteiger beherbergen. Viel Zeit für alpines Wandervergnügen sollte den Deutschen allerdings nicht verbleiben. 1914 brach der Erste Weltkrieg aus, Deutsch-Ostafrika wurde Kriegsgebiet, in dem sich Deutsche und Briten bekämpften. 1919 schließlich ging die Kolonie in britischen Besitz über. Auf ihre Unabhängigkeit mussten die Menschen noch jahrzehntelang warten. Erst 1961 erkämpfte sich das spätere Tansania seine Unabhängigkeit. Am Vorabend der Unabhängigkeit wurde der höchste Punkt des Kibo erneut bestiegen – und erhielt einen neuen Namen. "Uhuru", was auf Kisuaheli "Freiheit" bedeutet.

Ein Denkmal für Hans Meyer: Hier wird explizit darauf hingewiesen, dass er der erste Europäer war, der den Kilimandscharo bestieg, nicht der erste MenschBild: Muhammad Mahdi Karim
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