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Als die Iren deutsche Kinder retteten

Marc von Lüpke-Schwarz27. August 2013

Am Ende des Zweiten Weltkrieges lagen Deutschlands Städte in Trümmern. Viele Erwachsene und Kinder waren von Hunger bedroht. Doch dann fanden hunderte Kinder in Irland Zuflucht.

Kinder auf der St Patrick's Day Parade ('Foto: Paul Faith/PA)
Bild: picture alliance/empics

Die Menschen der irischen Insel wussten, was Hunger ist. Mitte des 19. Jahrhundert hatte eine jahrelange Hungerkatastrophe Irland heimgesucht. Hundertausende Iren starben, Millionen wanderten aus. Die Erinnerung an diese Zeit hatte sich tief in das Bewusstsein der nachfolgenden Generationen eingepflanzt. Daher reagierte die irische Öffentlichkeit bestürzt, als sie 1946 eine Nachricht aus Deutschland erreichte: Nun waren hier, nach dem katastrophalen Zweiten Weltkrieg, unzählige Kinder von Hunger und Krankheit bedroht.

Krisentreffen in Dublin

Im Mai 1945 hatte die deutsche Wehrmacht, nachdem sie Europa und die Welt jahrelang mit Krieg überzogen hatte, bedingungslos kapituliert. Für die deutschen Städte kam die Kapitulation indes schon zu spät – unzählige Luftangriffe hatten viele Städte dem Erdboden gleich gemacht. In vielen Gegenden Deutschlands brach die Versorgung der Bevölkerung zusammen. Und besonders betroffen waren die kleinsten Mitglieder der Gesellschaft: die Kinder.

Auch die Nationalsozialisten hatten Kinder aus der Stadt aufs Land geschicktBild: picture-alliance/akg-images

Am 16. Oktober 1946 lud die resolute Kinderärztin Kathleen Murphy daher zu einem Krisentreffen in der irischen Hauptstadt Dublin ein. Ihr Ziel: etwas für die Kinder zu tun. Am Ende entstand die "Gesellschaft zur Rettung deutscher Kinder", die den Plan fasste, etwa eintausend hungernde Kinder nach Irland zu holen und sie dort in Pflegefamilien unterzubringen.

Das Rote Kreuz

Viele Mitglieder der Gesellschaft wollten in erster Linie die Kinder vor dem Hunger bewahren, andere fühlten sich Deutschland besonders verbunden. Im Ersten Weltkrieg hatten die Deutschen den Iren Waffen für ihren Widerstandskampf gegen die Briten geliefert, die die Insel damals beherrschten. Aber auch eine andere Gruppe infiltrierte die Gesellschaft: Irische Faschisten. Diese wollten durch die Evakuierung der deutschen Kinder aus einer rassistischen Sichtweise heraus das vermeintlich "deutsche Blut" retten, das ihrer Meinung nach durch den Untergang des Dritten Reiches bedroht gewesen wäre.

Das Kleeblatt (Shamrock) ist ein irisches NationalsymbolBild: picture-alliance/dpa

Die irische Regierung sorgte dafür, dass das neutrale Rote Kreuz die Organisation der Transporte übernahm. Nicht nur Kinder aus Deutschland, sondern auch aus kriegszerstörten Gebieten in Frankreich sollten in Irland Zuflucht finden. Auch einen Namen fand man für die Rettungsaktion: Operation Shamrock, zu Deutsch: Kleeblatt – ein irisches Nationalsymbol.

Deutsche Kinder in Irland

"Deutsche Kinder in Irland angekommen", titelten die irischen Zeitungen nachdem bald die ersten Transporte dort ankamen. In Glencree, unweit von Dublin, brachte man die Kinder unter. Glencree, das zuvor eine Kaserne und nun ein Krankenhaus war, diente dazu, die abgemagerten Kinder aufzupäppeln. Oft waren die Kinder, die entweder Waisen waren oder von ihren Eltern getrennt worden waren, völlig eingeschüchtert von dem fremden Land, dessen Sprache sie nicht verstanden. Teilweise besaßen sie keine Schuhe, ihre Jacken waren zuweilen aus alten grauen Soldatenuniformen zusammengenäht worden.

Dieser Brunnen in Dublin soll an die Operation Shamrock erinnernBild: cc-by-sa/Memorino

Die notleidenden Kinder aus Deutschland und Frankreich waren in Irland hochwillkommen. Eines der Shamrock-Kinder aus Frankreich erinnerte sich später, dass bei der Ankunft seines Transports die Marseillaise, die französische Nationalhymne, gespielt wurde. Doch die Trennung von den Eltern wog schwer. "Es schien mir beim Lesen des Briefes, als wenn ich bei Euch wäre", freute sich ein Kind über Post von den weit entfernten Eltern.

Pflegefamilien

Vom Krankenhaus Glencree aus wurden die Neuankömmlinge dann an Pflegefamilien vermittelt, was in der Praxis erneut Probleme hervorrief – vor allem mit der Verständigung. Gerade als viele Kinder die Landessprache gelernt hatten, kehrten sie zurück in die Heimat und hatten wiederum Probleme mit dem Deutschen. Später verzichtete die irische Regierung darum auf die Unterbringung in Pflegefamilien und quartierte die Kinder zusammen in Glencree ein, wo auch ein deutscher Lehrer unterrichtete. Als sich die Versorgungslage in Deutschland besserte, kehrten die Kinder nach und nach in ihre Heimat zurück. In den 1950er Jahren bedankte sich die Bundesrepublik Deutschland bei den Iren für ihre selbstlose Hilfe – und stiftete zur Erinnerung einen Brunnen in Dublin. Rund 50 deutsche Kinder blieben im Land und viele leben bis heute auf der grünen Insel.

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