Hitler privat bei den Wagners
28. Juli 2016"Weiche, ungewöhnlich große, regelrecht marmeladige Augen", erblickt die Zeit-Autorin Christine Lemke-Matwey in Hitlers Gesicht. Die Journalistin der Wochenzeitung "Die Zeit" hat zwei wiederentdeckte Filme gesehen, die Hitler im Kreise der Wagner-Familie zeigen. Dass der Diktator gern gesehener Dauergast bei der Familie Wagner in Bayreuth war, den Nachkommen des Komponisten Richard Wagner, ist bekannt. Dass Filmmaterial vom Wagner-Enkel Wolfgang aber noch existiert und abspielbar ist, das war lange unklar.
Sylvia Krauss, die Nachlassverwalterin von Wolfgang Wagner, hatte hartnäckig nach dem Film gefahndet. Und tatsächlich, im Dezember 2015 wurde man in Bayreuth fündig und stellte ihr die Filmrollen zur Verfügung. Im zweiten Stock des Festspielhauses hatten die historischen Filme in alten Agfa-Filmdosen all die Jahre gelegen.
Hitler im Garten, Speer beim Dinner
Ein etwa zehnminütiger Film zeigt Hitler im Garten der Villa Wahnfried, umgeben von Mitgliedern der Familie Wagner und Freunden der Familie. Der zweite Film ist rund vier Minuten lang. "Man schaut die Szenen mit einer gewissen Beklemmung an", beschreibt die Historikerin Krauss. "Man sieht Hitler in ganz unbekannter Pose, nicht das Staatsmännische, sondern er kommt ganz freundlich rüber." Ein lockeres Beisammensein im Sommer 1936, es wird gescherzt und geplaudert.
Auch Hitlers Vertraute Hermann Göring und Joseph Goebbels tauchen auf den Aufnahmen auf - gemeinsam mit ihren Frauen als Besucher der Wagner-Festspiele. Ebenso sind Filmszenen überliefert, die Hitlers Architekten Albert Speer beim Dinner mit dem Wagner-Clan zeigen.
Nicht für die Öffentlichkeit
Die breite Öffentlichkeit wird das Filmmaterial vorerst nicht sehen können, obwohl die Filme in diesem Jahr aufwendig digitalisiert worden sind. Da Verena Lafferentz, die jüngste Schwester von Wolfgang Wagner noch lebt, müssten Persönlichkeitsrechte geschützt werden, erklärte Sylvia Krauss gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Forscher sollen jedoch die Möglichkeit erhalten, die Filme zu sichten.
sek/rey (dpa/ZEIT)