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Alternativer Nobelpreis für "Cumhuriyet"

Helle Jeppesen22. September 2016

Die türkische Zeitung "Cumhuriyet" wird mit dem Right Livelihood Award geehrt. Auch die Feministin Mozn Hassan, die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina und Syriens Weißhelme erhalten den Alternativen Nobelpreis.

Das Redaktionsgebäude von Cumhuriyet in Istanbul (Archivbild: dpa)
Das Redaktionsgebäude von Cumhuriyet in Istanbul (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Alternativer Nobelpreis für "Cumhuriyet"

02:00

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Vor dem Krieg in Syrien waren sie Bäcker, Lehrer, oder Schneider. Heute sind sie Ersthelfer im Kriegsgebiet: die Weißhelme von der Organisation "Syria Civil Defense". Ihre weißen Helme sind zu einem Symbol der Hoffnung zwischen den Kriegstrümmern geworden. Egal wer in Syrien Bomben wirft, die rund 3000 freiwilligen Weißhelme suchen in den Trümmern nach Überlebenden, leisten Erste Hilfe und bringen die Opfer in Krankenhäuser. Oft genug sind sie die einzigen Helfer an Orten, an denen alle Hilfsstrukturen längst zusammengebrochen sind.

"Die Jury ehrt die Weißhelme in Syrien für ihren außergewöhnlichen Mut, ihr Mitgefühl und ihr humanitäres Engagement, um Zivilisten vor der Zerstörung des Krieges zu retten", zitiert Ole von Uexkull, Geschäftsführer der Right Livelihood Award Stiftung, die Begründung der Jury für einen der renommiertesten Menschenrechtspreise weltweit.

Die zweite Preisträgerin ist in diesem Jahr die ägyptische Frauenrechtlerin Mozn Hassan und ihre Organisation "Nazra", die "in Zeiten der anhaltenden Gewalt, des Missbrauchs und der Diskriminierung für die Rechte der Frauen einsteht", wie es in der Begründung heißt. Mozn Hassan wurde im Juni in Kairo die Ausreise verweigert, als sie an einer Konferenz für Frauen- und Menschenrechte in Beirut teilnehmen wollte. Aktuell wird ihr vorgeworfen, Geldmittel aus dem Ausland angenommen zu haben und mit ihrer Arbeit die "nationale Sicherheit" zu bedrohen.

Ehrenamtliche Helfer der "Weißhelme" Anfang Juni im Einsatz in AleppoBild: Getty Images/AFP/T. Mohammed

Als Staatsfeind beschuldigt

Auch die dritte Preisträgerin lebt gefährlich: Die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina kämpft seit Jahrzehnten mit ihrer Organisation "Zivile Unterstützung" für Migranten, Flüchtlinge und ethnische Minderheiten. Mit landesweit 50 Büros unterstützt die "Zivile Unterstützung" Menschen, die in Russland willkürlichen Gerichtsverfahren ausgesetzt sind. Allein für Migranten hat die Organisation im letzten Jahr rund 20.000 Konsultationen durchgeführt. Ein Abschiebungsverfahren in Russland dauere im Durchschnitt rund drei Minuten, erzählte Gannuschkina in einem Interview mit dem deutschen Sender "Deutschlandradio". Demnächst könnte es für Swetlana Gannuschkina noch schwieriger werden, die Arbeit fortzusetzen. Sie wird wegen finanzieller Unterstützung aus dem Ausland für ihre Organisation als ausländische Agentin beschuldigt.

Mozn Hassan kämpft mit ihrer Organisation Nazra für Frauenrechte in ÄgyptenBild: Getty Images/AFP/M. El Sahed
Seit Jahrzehnten setzt sich Swetlana Gannuschkina in Russland für Menschenrechte und Migranten einBild: DW/Y. Wischnewetskaya

Dem Vorwurf für fremde Mächte als Staatsfeind im eigenen Land unterwegs zu sein, sieht sich auch die türkische Zeitung "Cumhuriyet" ausgesetzt. "Wir verleihen den Preis an die türkische Zeitung "Cumhuriyet" für ihren furchtlosen investigativen Journalismus. Ungeachtet der Unterdrückung, der Zensur, der Verhaftungen und der Todesdrohungen setzt sich die Zeitung für die Meinungs- und Pressefreiheit ein", so die Begründung der Jury.

Schwierige Aufgabe

Für die Jury war es auch diesmal eine schwierige Aufgabe, die vier Preisträger auszuwählen. Jeder kann Kandidaten für den Preis vorschlagen - außer Mitglieder der Jury und Mitarbeiter der Right Livelihood Award Stiftung. In diesem Jahr kamen 125 Kandidaten aus 50 Ländern zusammen. "Jedes Jahr haben wir viel mehr Kandidaten, als wir je auszeichnen könnten. Es ist wirklich eine schwierige Aufgabe", erzählt Ole von Uexkull.

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Eine Aufgabe, die auch hoffen lässt. "Die Grundidee des Right Livelihood Award ist, dass wir Menschen ehren und auszeichnen wollen, die beispielhaft Lösungen auf dringliche globale Probleme geschaffen haben. Und es ist unglaublich, zu sehen, wie viele Menschen es gibt, die einen wirklichen Unterschied in ihrer Gesellschaft bewirken."

Auszeichnung gibt Sicherheit

Mit der Verleihung des Right Livelihood Award können auch die diesjährigen Preisträger auf etwas mehr Sicherheit hoffen. "Viele frühere Preisträger haben uns erzählt, dass sie glauben, dass der Preis ihr Leben gerettet hat", erzählt Ole von Uexkull. Die Öffentlichkeit, die der Preis weltweit genießt, bietet auch einen gewissen Schutz für die Preisträger. "Wir arbeiten auch heute noch für Preisträger aus den 80er-Jahren und unterstützen sie aktiv".

In der Türkei gingen Tausende auf die Straße, um gegen die Festnahmen bei "Cumhuriyet" zu demonstrierenBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Monika Hauser, die 2008 mit ihrer Organisation "Medica Mondiale" den Right Livehood Award erhielt, erzählt im Gespräch mit der DW von einer jungen afghanischen Kollegin, die bei ihrer Arbeit in Kabul bedroht wurde, als sie Unterlagen bei einem Ministerium für ihre Arbeit besorgen wollte. "Nach dem Preis konnte sie dann ganz stolz sagen: Nun hat meine Organisation den Alternativen Nobelpreis bekommen und ihr seid nunmehr verpflichtet, uns anders zu unterstützen", so Hauser.

"Medica Mondiale" unterstützt weltweit Hilfsprojekte für Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten, die von sexualisierter Gewalt und Vergewaltigungen betroffen sind. Der Preis, erinnert sich Monika Hauser, hat immens viel Öffentlichkeit gebracht.

"Der Preis war für mich persönlich und für die Organisation sehr, sehr wichtig", erzählt sie. "Es war wirklich ein politisches Signal auch für die internationale Gemeinschaft."

Ein Preis mit Signalwirkung

Ein Signal für die internationale Gemeinschaft war auch 2014 die Verleihung an US-Whistleblower Edward Snowdon. Der Right Livelihood Award ist einer der renommiertesten Menschenrechtspreise weltweit und zeichnet seit 1980 Menschen aus, die sich beispielhaft für Menschenrechte, Armutsbekämpfung und Umwelt einsetzen.

Ein Preis als Schutzschild: Der Right Livelihood Award

Ursprünglich hatte der Gründer der Stiftung, Jacob von Uexkull, dem Nobelpreiskomitee angeboten, sich finanziell an zwei neuen Nobelpreisen für Menschenrechte und Umwelt zu beteiligen. Das Komitee winkte ab, und der deutsch-schwedische Publizist beschloss, eine eigene Stiftung und einen eigenen Preis zu gründen, den Right Livelihood Award, der auch als Alternativer Nobelpreis bekannt wurde.

"Ich glaube, dass viele Menschen mit dem Begriff Alternativer Nobelpreis eher etwas anfangen können. Es ist eine Beschreibung der Entstehung und der Geschichte des Preises und der Idee, eine Debatte über neue globale Prioritäten anzustoßen", sagt der Geschäftsführer der Stiftung, Ole von Uexkull.

Während die offiziellen Nobelpreise fast ausschließlich an weiße, angelsächsische Männer vergeben werden, sind die Preisträger des Right Livelihood Awards auf allen Kontinenten zu finden. Er wird vergeben an "Menschen, die nicht im internationalen Rampenlicht stehen und nicht Teil einer globalen Elite sind, die aber einen wichtigen, positiven Einfluss auf unsere globalen Zukunft haben", beschreibt von Uexkull die Preisträger.

Wo und wann die Preise in diesem Jahr vergeben werden, steht noch nicht fest. Der schwedische Parlamentspräsident hat gegen den Widerstand vieler Parlamentsmitglieder mitgeteilt, dass der traditionelle Saal im Parlamentsgebäude in Stockholm nicht zur Verfügung steht.

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