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Umstrittene Altkleiderspenden

Christina Ruta30. März 2012

Bedürftigen etwas zum Anziehen schenken – diesen Gedanken verbinden viele Deutsche mit dem Gang zum Altkleidercontainer. Tatsächlich werden mit den Spenden Geschäfte gemacht - mit Folgen für Entwicklungsländer.

Eine Frau sucht auf einem Secondhandmarkt in Nairobi nach Kleidung. (Bild: AP)
Kenianerin auf der Suche nach Secondhandkleidung in NairobiBild: AP

Die Deutschen sind spendenfreudig - auch bei Altkleidern. Doch die Menge von aussortierten Jeans, T-Shirts und anderer Stücke ist so groß, dass sie den Bedarf karitativer Einrichtungen für ihre Sozialarbeit in Deutschland weit übersteigt. Das ist der Hauptgrund für die Kommerzialisierung der Altkleider-"Spenden". In vielen Fällen sammeln Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz die Altkleider allerdings nicht selbst, sondern stellen lediglich ihr Logo und ihren Namen den Sammelbetrieben zur Verfügung. Und die wollen mit der Altkleidersammlung ausschließlich Geld verdienen.

Die Altkleider werden zunächst an Sortierbetriebe weitergegeben und schließlich – je nach Qualität – als Rohstoffe oder Secondhandware verkauft. Das Sammeln, Sortieren und der Transport der Kleidung kosten Geld. Deshalb sei gegen den Verkauf von Altkleidern grundsätzlich nichts einzuwenden, meint Andreas Voget. Er ist Geschäftsführer des Dachverbandes FairWertung, ein Zusammenschluss gemeinnütziger und kirchennaher Organisationen, der sich für mehr Transparenz und Verantwortung bei Altkleidersammlungen einsetzt: "Oft wollen die Menschen für die Altkleider bezahlen. Das ist eine Frage der Würde, auch in Afrika." Außerdem seien die Menschen bereit, einen kleinen Teil ihres beschränkten Budgets auszugeben, um selbst über ihre Kleidung und Modestil entscheiden zu können und um eine bessere Qualität zu erstehen.

Preis und Qualität als Kaufargument

Günstiger Preis, gute Qualität und große Auswahl: Das sind die Gründe, warum Menschen in afrikanischen Ländern aus Europa oder Nordamerika importierte Altkleider kaufen. Weder die lokal produzierten Textilien, noch die aus China importierte Kleidung können da mithalten. Schätzungen zufolge werden in vielen afrikanischen Ländern zwischen 60 und 80 Prozent des Kleidungsbedarfs durch Altkleider gedeckt. Dies ist zunächst positiv zu bewerten, da sich die Versorgung von Menschen mit wenig Geld dadurch verbessert hat, meint Andreas Voget: "Die weltweite Nachfrage nach Secondhandkleidung wächst – armutsbedingt. Der Hauptgrund für die große Nachfrage nach gebrauchter Kleidung ist die mangelnde Kaufkraft und das geringe Einkommen vieler Menschen."

Friedel Hütz-Adams von SüdwindBild: Fotolia© Garrincha

Es ist jedoch umstritten, ob tatsächlich nur wirklich arme Menschen Altkleider kaufen - oder ob auch Menschen aus der Mittelschicht zugreifen. Viele Kritiker sehen in den Altkleiderimporten eine wesentliche Ursache für den Rückgang der lokalen Textilproduktion in vielen afrikanischen Ländern. Friedel Hütz-Adams von der Nichtregierungsorganisation Südwind erklärt: "Der Niedergang der lokalen Textilindustrien, der in vielen Ländern in den achtziger und neunziger Jahren zu beobachten war, ist einer Studie zufolge ungefähr zur Hälfte auf den Import von Altkleidern zurückzuführen. Und das obwohl sie eigentlich gespendet wurden, um Bedürftigen zu helfen. "Als weitere Ursache für den Rückgang der lokalen Produktion nennt Hütz-Adams die schlechten Produktionsbedingungen in den betroffenen Ländern.

Lokale Textilproduzenten unter Druck

Durch den Rückgang der heimischen Industrie seien, so Hütz-Adams, Potenziale für die Weiterentwicklung der afrikanischen Staaten verloren gegangen. Nigeria, Südafrika und Äthiopien hätten aus gutem Grund Altkleiderimporte verboten. Und auch Ghana, Tansania, Uganda und Ruanda diskutierten Einfuhrbeschränkungen, um eine lokale Industrie wiederaufzubauen.

Andere afrikanische Länder haben dagegen nichts gegen Altkleiderimporte unternommen. Auch in Deutschland gibt es Experten, die eher skeptisch sind, wenn es um die Einschränkung von Textilimporten in afrikanische Länder geht. "Es wird so getan, als gäbe es ohne die Einfuhr von Gebrauchtkleidung blühende Textilindustrien in den afrikanischen Importländern. Das ist eine völlige Fiktion, die mit der Realität nichts zu tun hat", kritisiert Andreas Voget. Die in Deutschland geführte Diskussion über das Für und Wider von Gebrauchtkleidung finde sich in den meisten afrikanischen Importländern gar nicht wieder. Denn für Menschen mit wenig Geld sei Secondhandkleidung einfach die preisgünstigste Möglichkeit, sich einzukleiden. Dementsprechend groß sei die Nachfrage und genau deshalb kauften afrikanische Importeure bei deutschen, amerikanischen oder asiatischen Anbietern Kleidung ein.

Nach Voget hätten auch die einheimischen Textilbetriebe, die es teilweise noch gebe, eine Nische gefunden. Sie bedienten kaufkräftigere Kunden und hätten sich auf den Export nach Europa und Amerika spezialisiert.

Diskussion über Marktregulierung

Auch die Bundesregierung lehnt bislang Exportbeschränkungen für Altkleider ab und verweist in einer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen darauf, dass der Rückgang der lokalen Textilproduktion nur teilweise auf den Import von Altkleidern zurückzuführen sei. Außerdem seien wirtschafts- und handelspolitische Probleme des jeweiligen Entwicklungslandes für den Produktionsrückgang verantwortlich. Dazu zählten schlechte gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen, die mangelnde Produktivität von Betrieben, staatliche Eingriffe in Privatunternehmen und Wettbewerbsverzerrungen - etwa dadurch, dass textile Rohmaterialien mit höheren Zöllen belegt werden als Fertigprodukte.

Chinesischer Laden in Senegals Hauptstadt DakarBild: AP

Durch den Einbruch der lokalen Textilindustrie sind nicht nur Arbeitsplätze weggefallen, sondern auch verlagert worden. So sind Jobs im Bereich der Weiterverarbeitung entstanden, weil viele Altkleider erst umgenäht werden müssen, damit sie afrikanischen Menschen passen. Vor allem der Handel mit Altkleidern ist in vielen Ländern zu einem wichtigen Wirtschaftszweig und Beschäftigungsmarkt geworden.

Lukratives Geschäft

Doch kommt das Geld, das durch den Handel erwirtschaftet wird, bei denen an, die eigentlich von der "Kleiderspende" profitieren sollten? Lukrativ ist das Geschäft mit den Altkleidern auf jeden Fall. In Deutschland lag der Preis für Altkleider in den letzten Jahren bei durchschnittlich rund 300 Euro pro Tonne. Durch die arbeits- und zeitintensive Sortierung - oft außerhalb Deutschlands - steigt der Preis noch einmal deutlich an, erklärt Hütz-Adams von Südwind: "Exporte auf afrikanische Märkte kosten bis zu 1000 oder sogar 1500 Euro pro Tonne, je nach Qualität und Empfängerland. Das Geld bleibt also zum Teil bei den deutschen Organisationen im Zwischenhandel, in den Sortieranlagen, und schließlich im Zwischenhandel in den afrikanischen Ländern." Schließlich verweist er auf eine Fernsehdokumentation aus Tansania, die einen großen Altkleiderimporteur gezeigt habe, der mehrere große, neue Geländewagen vor der Tür stehen hatte. "Also auch hier blieb das Geld nicht bei den Armen, an die die Spender und Spenderinnen gedacht haben, sondern bei den Händlern, die man überhaupt nicht auf der Rechung hatte."

Altkleidercontainer in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

In einer Hinsicht sind sich aber die Experten einig: Ein großes Problem sei, neben der Vielzahl von illegal aufgestellten Containern in Deutschland, die mangelnde Transparenz beim Sammeln von Altkleidern. Der deutsche Konsument und vermeintliche Spender müsse darüber informiert werden, dass mit seinen Altkleidern Geschäfte gemacht werden – nicht mehr, aber auch nicht weniger.