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Politik

Altmaier: Türkei verhält sich inakzeptabel

21. Juli 2017

Ankara ging an die Decke - aber Deutschland legt nach. Der Chef des Kanzleramts, Altmaier, macht vielsagende Andeutungen. Und Finanzminister Schäuble vergleicht die Türkei mit der DDR.

Deutschland Kanzleramtschef Peter Altmaier in der Fernsehsendung Anne Will
"Wir haben eine Schutzpflicht für unsere Bürger": Kanzleramtschef Altmaier (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/W. Borrs/NDR

Unbeeindruckt von Protesten der Türkei demonstriert die Bundesregierung Einigkeit in ihrem neuen scharfen Kurs gegenüber Ankara. Die von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verkündeten Maßnahmen seien "absolut notwendig", sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) der Zeitung "Bild am Sonntag". Das Verhalten der Türkei sei inakzeptabel. Hintergrund ist die Verhaftung des Deutschen Peter Steudtner und weiterer Menschenrechtler Anfang Juli.

"Wir haben eine Schutzpflicht für unsere Bürger und Unternehmen", so Altmaier mit Blick auf die von Gabriel verkündete Neuausrichtung der Türkei-Politik. Ankara müsse erkennen, dass die Bundesregierung "einig und geschlossen" sei.

"Vorbeitrittshilfen auf Eis legen"

Im ZDF-Morgenmagazin legte der Kanzleramtsminister noch einmal nach: "Wir werden zu jedem Zeitpunkt prüfen, ob weitere Beschlüsse notwendig sind." Altmaier bekräftigte, die Bundesregierung wolle erreichen, dass die Vorbeitrittshilfen der EU an Ankara auf Eis gelegt werden.

"So war es früher in der DDR": Finanzminister Schäuble (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den NATO-Partner derweil mit der DDR verglichen. "Die Türkei verhaftet inzwischen willkürlich und hält konsularische Mindeststandards nicht ein", sagte Schäuble ebenfalls der "Bild"-Zeitung. Er ergänzte: "Das erinnert mich daran, wie es früher in der DDR war. Wer dort gereist ist, dem war klar: Wenn dir jetzt etwas passiert, kann dir keiner helfen." Die Bundesregierung könne für die Sicherheit deutscher Türkei-Touristen "nicht mehr garantieren".  Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnte vor Reisen in die Türkei.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte zuvor eine "Neuausrichtung" der Politik gegenüber Ankara in Aussicht gestellt. Neben verschärften Hinweisen für Türkei-Urlauber kündigte das Außenministerium an, Wirtschaftshilfen und Exportgarantien für die Türkei zu überdenken.

Am finanziellen Nerv getroffen: Tourismuswerbung der Türkei in Berlin (Archivbild)Bild: Imago/Müller-Stauffenberg

Die Regierung in Ankara warf der Bundesregierung daraufhin "Erpressung" und eine "große politische Verantwortungslosigkeit" vor. Der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, bezichtigte Berlin im Fall des inhaftierten Menschenrechtlers Steudtner der versuchten Einflussnahme auf die türkische Justiz.

Nach Einschätzung des Deutschen Richterbundes können die in der Türkei inhaftierten Deutschen kaum auf rechtsstaatliche Verfahren und eine unabhängige Prüfung der gegen sie erhobenen Vorwürfe hoffen. "In der türkischen Justiz herrscht ein Klima der Angst", sagte der Geschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebhahn, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Anwälte, die Inhaftierte verteidigten, müssten selbst mit dem Vorwurf der Terrorhilfe rechnen und stünden mit einem Bein im Gefängnis.

Aufruf zur Mäßigung

Inzwischen sprach sich der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim für eine Deeskalation im Streit mit Deutschland ausgesprochen. "Mein Appel hier lautet, mit Besonnenheit zu handeln", sagte Yildirim in Ankara. "Es bringt weder Deutschland noch der Türkei etwas, wenn die Beziehungen geschädigt werden." Er plädierte dafür, die Spannungen nicht weiter zu erhöhen. "Unsere Regierung sieht Deutschland auch heute noch als einen strategischen Partner in Europa", so Yildirim. Er verwies auf die weit zurückreichenden bilateralen Beziehungen und auf die Waffenbrüderschaft zwischen dem Deutschen und dem Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg. Yildirim ist formell Regierungschef, tatsächlich bestimmt aber Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Kurs in Ankara.

Heftige Debatte über Schwarze Liste

Derweil sorgen Bericht über eine Schwarze Liste der Türkei mit deutschen Unternehmen und Personen  für weitere Aufregung. Nach Angaben aus deutschen Sicherheitskreisen stehen auf einer solchen einer schwarzen Liste sehr viel mehr Firmen aus der Bundesrepublik als bislang bekannt. Die Türkei führe insgesamt 681 Unternehmen auf, die sie verdächtigte, terroristische Organisationen zu unterstützen, sagte ein Insider. Bisher war lediglich die Zahl von 68 Unternehmen und Einzelpersonen bekannt, über die die Wochenzeitung "Die Zeit" diese Woche berichtet hatte. Die Angaben und Vorwürfe seien aber "wenig konkret", hieß es in den Sicherheitskreisen. Die Voraussetzungen für eine polizeiliche Bearbeitung seien daher nicht gegeben. Kurz zuvor hatte das "Handelsblatt" über die weitaus höhere Zahl berichtet.

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci wies bereits am Donnerstagabend Berichte über eine Liste als falsch zurück. Am Freitag dementierte auch Ministerpräsident Yildirim, dass gegen deutsche Unternehmen in der Türkei im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen ermittelt werde. "Das ist gänzlich gelogen, so etwas gibt es nicht." Kurz danach meldete sich auch Staatspräsident Erdogan zu Wort und bezeichnete Berichte über Ermittlungen gegen deutsche Firmen als haltlos.

jj/hk/kle (dpa, afp, rtr)

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