1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Alzheimer: Medizinpreis für Entdeckungen zur Proteinfaltung

Gudrun Heise
16. Januar 2019

Für ihre Forschungen an Alzheimer und Parkinson erhalten Franz Ulrich Hartl und der Arthur L. Horwich den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis - einen der renommiertesten Medizinpreise Deutschlands.

Kernspinaufnahmen eines Gehirns
Bild: Colourbox

Proteine sind lebenswichtig. Damit sie funktionieren können, müssen sie sich falten und zwar dreidimensional. Das ist ein komplizierter und aufwändiger Prozess, den der Deutsche Franz Ulrich Hartl und der Amerikaner Arthur L. Horwich erforschen. Die beiden Preisträger haben mit den Ergebnissen ihrer Forschung ein zentrales Dogma aus den 1970er Jahren widerlegt. Damals war die Überzeugung, dass Proteine sich alleine und spontan richtig falten können. Aber das war offenbar ein Trugschluss. 

Für ihre Entdeckungen zur Proteinfaltung erhalten sie den diesjährigen Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis. "Die beiden haben ein fundamentales Prinzip beschrieben", erklärt Professor Thomas Boehm. "Mit ihren Arbeiten haben sie ein völlig neues Forschungsfeld begründet. Es ist bei der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer äußerst wichtig", so Boehm weiter. Er ist Vorsitzender im Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung.

Ein erfolgreiches deutsch-amerikanisches Forscherduo

Hartl (61) ist Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in München, Horwich (68) forscht am 'Boyer Center for Molecular Medicine' der Yale School of Medicine. Die beiden sind Pioniere auf dem Gebiet der zellulären Proteinchemie. Sie haben dazu beigetragen, die molekulare Maschinerie aufzuschlüsseln, die an der Proteinfaltung beteiligt ist, und sie haben erkannt, wie wichtig dieser Prozess ist.

Prof. Dr. Franz-Ulrich Hartl vom Max-Planck-InstitutBild: Max-Planck-Institut/A. Griesch

Wenn die Proteine nicht richtig gefaltet sind, können die Lebensfunktionen der Zellen nicht ausgeübt werden. Das kann dann fatale Auswirkungen haben. "Die Zellen sterben, und das hat Auswirkungen auf das Nervensystem und auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer", erklärt Boehm.

Chaperone, die kleinen Helfer der Proteine

Dr. Arthur L. Horwich von der Yale UniversityBild: Yale University/T. Dagradi

Der Prozess der Proteinfaltung ist kompliziert und energieaufwändig. Das schaffen die Proteine nicht alleine, sie sind auf Hilfe angewiesen. Die übernehmen die sogenannten Chaperone. Entdeckt wurden sie von Hartl und Horwich. Die Chaperone funktionieren wie kleine Käfige. Sie schirmen die Proteinketten von den übrigen Eiweißen in einer Zelle ab. So bekommen diese die Chance, schnell und ungestört ihre korrekte, dreidimensionale Form zu entwickeln.

Gefahr durch falsch gefaltete Proteine

Erst wenn die Proteine ihre richtige Form gefunden haben, können sie funktionieren und sich zu größeren, molekularen Einheiten zusammentun. Falsch gefaltete Proteine hingegen verklumpen und werden so zur Gefahr für die Zellen und für den gesamten Organismus. "Diese Verklumpungen haben die unangenehme Tendenz, dass sie andere Proteine mit in diese Klumpen hineinziehen und dann das Gleichgewicht der Proteine in der Zelle stören", erklärt Boehm. "Man muss sich vorstellen, dass die Zelle ein Ensemble ganz verschiedener Proteine ist. Sie alle haben eine bestimmte Funktion, und sie alle müssen an der richtigen Position in der Zelle angelagert sein", sagt Boehm. Nur so könnten Stoffwechselvorgänge geordnet ablaufen.

Große Bedeutung für die Medizin

Falsch gefaltete und verklumpte Proteine kennzeichnen viele neurodegenerative Erkrankungen. Dazu gehören beispielsweise Morbus Parkinson, Alzheimer Demenz und auch Amyotrophe Lateralsklerose. Die Proteinfaltung ist eine wichtige Grundlage, um diese Erkrankungen besser zu verstehen und schließlich auch nach Heilungsmethoden zu suchen. "Werden die Faltungskapazitäten der Zellen künstlich erhöht, können diese Proteinablagerungen deutlich reduziert werden."

Auch das sei ein Erfolg der Arbeiten von Hartl und Horwich, so Boehm. "Es ist zumindest ein Hoffnungsschimmer, dass man unter Umständen diesen pathologischen Ablagerungen bei Alzheimer entgegenwirken kann, indem die Faltungskapazität der Zellen gesteigert wird", fasst Boehm zusammen.

Dahinter steckt letztendlich auch die Hoffnung, die Grundlage für Therapien und Medikamente zu schaffen. Hartl und Horwich haben mit ihrer Forschung auf jeden Fall einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Neurodegenerative Erkrankungen auch beim Nachwuchspreis im Fokus

"Dorothee Dormann hat sich mit dem Oberthema beschäftigt, wie die Zelle Funktionen in einzelne Bereiche delegiert", erklärt Thomas Boehm zur Vergabe des Nachwuchspreises. Die Zelle ist kein Wirrwarr von Molekülen und verschiedenen Funktionen. Vielmehr ist alles sehr genau aufgeteilt: Welcher Teil, in welcher Zelle, welche Aufgabe übernimmt.

Preisträgerin Dorothee Dormann Bild: Magdalena Jooss, München

"Dorothee Dormann hat sich mit einem Phänomen beschäftigt, das man in der letzten Zeit besonders in den Blick genommen hat. Es geht um sogenannte membranlose Organellen. Die Proteine, die sich im Zellplasma befinden, liegen nicht ungeordnet vor. Sie finden sich vielmehr zu kleinen Einheiten zusammen. "Aber sie sind eben nicht von Membranen umschlossen. Das nennt man Phasenübergänge", erklärt Boehm.

Auf diesem Gebiet liegt Dormanns Hauptinteresse: Wenn sich kleine Gruppen von Proteinen gegenüber anderen Proteingruppen abgrenzen. Sie will herausfinden, welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Erkrankungen wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und die Frontotemporale Demenz. Diese Erkrankungen sind noch nicht behandelbar. Die Patienten versterben meist nach wenigen Jahren.

Die 42-jährige Grundlagenforscherin hofft, etwas zum Verständnis der molekularen Mechanismen beitragen zu können, die hinter der Neurodegeneration stecken. Dafür wird sie dann auch das Preisgeld verwenden.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen