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Am Ende der Ära Scharon

5. Januar 2006

Der lebensbedrohliche Schlaganfall von Ariel Scharon hat Israel und den Nahen Osten in politische Ungewissheit gestürzt. Die Reaktionen aus der arabischen Welt sind gemischt.

Rückkehr in die Politik vermutlich ausgeschlossen: Ariel Scharon (Archivfoto)Bild: dpa - Bildfunk

Ärzte kämpften am Donnerstag (4.1.2006) in einem Krankenhaus in Jerusalem nach zwei Notoperationen um das Leben Scharons (77), der in der Nacht wegen Hirnblutungen bewusstlos in das Hospital gebracht worden war. Mediziner beschrieben seinen Zustand als "sehr ernst, aber stabil". Unmittelbar nach dem Eintreffen Scharons im Krankenhaus waren die Amtsgeschäfte auf den stellvertretenden Ministerpräsident Ehud Olmert übertragen worden.

"Fast gleich null"

Scharon soll nach Informationen des israelischen Fernsehens bis Sonntag unter Narkose bleiben. Auf diese Weise solle der Erholungsprozess nach der schweren Hirnoperation in der Nacht zum Donnerstag unterstützt werden. Experten erklärten, die Chancen auf eine Genesung ohne Hirnschaden seien nach dem schweren Schlaganfall "fast gleich null".

Politische Beobachter bezeichneten den Zustand Scharons als schwere Erschütterung für Israel. Sein Ausscheiden aus dem Amt könnte die Lage im Nahen Osten weiter destabilisieren. Die dramatische Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ereilte den Regierungschef mitten im Wahlkampf. Scharon hatte erst vor wenigen Wochen den Likud-Block verlassen und die zum Friedensprozess mit den Palästinensern bereite Partei Kadima gegründet, mit der er bei den Wahlen im März antreten wollte. Zuvor hatte er gegen den Widerstand rechtsorientierter Politiker den israelischen Abzug aus dem Gazastreifen im September 2005 durchgesetzt. In den Umfragen für die Parlamentswahl am 28. März lag Kadima in den vergangenen Wochen deutlich in Führung. Wie es mit der Partei nun weitergeht, ist vollkommen unklar. Zumindest für die Übergangszeit ist Kontinuität gewährleistet: Scharons Stellvertreter Ehud Olmert steht für dieselbe Politik, was den Friedensprozess mit den Palästinensern sowie die inneren Angelegenheiten des Landes betrifft.

"Schwierige Stunde"

Ehud OlmertBild: dpa

Bei einer Dringlichkeitssitzung des Kabinetts äußerte Scharons Stellvertreter Olmert die Hoffnung, der Ministerpräsident könne wieder genesen. Die Parlamentswahlen sollten wie geplant stattfinden. "Dies ist eine schwierige Stunde für uns alle und eine Situation, mit der wir nicht vertraut sind", sagte er. Scharons Berater Raanan Gissin warnte die Nachbarn Israels und radikale palästinensische Gruppen: "Wer auch immer diese Situation auszunutzen versucht, muss wissen, dass die israelischen Sicherheits- und Streitkräfte für jede Herausforderung gewappnet sind."

In den politischen Zirkeln der arabischen Welt ist die lebensbedrohliche Erkrankung des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Der ehemalige jordanische Minister Munther Haddadin, der mit Scharon 1997 einst über die Umsetzung des jordanisch-israelischen Friedensvertrages verhandelt hatte, sagte am Donnerstag in Amman: "Wenn Scharon stirbt, dann würde sein Stellvertreter Ehud Olmert bis zu den Wahlen im März eine schwache Regierung leiten, die nicht mehr wäre als eine hinkende Ente."

"Weder mit noch ohne ihn"

Scharon wäre der "beste Mann" um Vereinbarungen mit den Palästinensern umzusetzen. Er habe seine "extremistischen Pläne" in den vergangenen Jahren aufgegeben und erkannt, dass Frieden nur am Verhandlungstisch erreicht werden könne, sagte Haddadin. Der Sprecher der radikalen Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), Maher al-Taher, erklärte dagegen, im Friedensprozess sei derzeit ohnehin kein Fortschritt zu erwarten, "weder mit Scharon noch ohne ihn".

Der syrische Parlamentsabgeordnete Mohammed Habasch äußerte dagegen die Hoffnung, "dass es um den Nahen Osten ohne Ariel Scharon besser bestellt sein wird, denn sein Name steht für Gewalt." Ahmed Dschibril, der die in Damaskus ansässige linke radikale palästinensische Splittergruppe PFLP-Generalkommando leitet, kommentierte die Nachricht vom Todeskampf Scharons mit den Worten: "Wir danken Gott für dieses Geschenk, das er uns zum Jahresbeginn beschert hat."

Der zweite Schlaganfall

Am Mittwochabend hatte Scharon plötzlich über Unwohlsein geklagt, wie sein Büro mitteilte. Er wurde sofort mit einem Krankenwagen von seiner Ranch im Süden der Wüste Negev in die etwa eine Autostunde entfernte Jerusalemer Hadassa-Klinik gefahren. Der starke Schlaganfall ereignete sich während der Fahrt, sagte der stellvertretende Klinikdirektor Schmuel Schapira.

Scharon hatte bereits Mitte Dezember einen Schlaganfall erlitten. Der 77-Jährige verließ das Krankenhaus nach nur drei Tagen wieder, und die Ärzte versicherten, er werde keine bleibenden Schäden davongetragen. Als Ursache wurde ein kleines Loch im Herzen ausgemacht, das eigentlich am heutigen Donnerstag mit einem Katheter geschlossen werden sollte. (sams)

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