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Licht und Schatten

Silke Bartlick23. Januar 2014

Nie war der deutsche Film so kreativ wie während der Weimarer Republik. Die Ausstellung "Licht und Schatten" im Berliner Museum für Film und Fernsehen unternimmt eine fotografische Entdeckungsreise.

Ausstellung Licht und Schatten DAS CABINET DES DR. CALIGARI copyright: Deutsche Kinemathek
Bild: Deutsche Kinemathek

Das Drama endet tödlich. Carmen, Arbeiterin in einer Zigarettenfabrik, gerät in einen Streit, wird verhaftet, verführt den Dragoner, der sie bewachen soll, nimmt ihn mit auf die schiefe Bahn und wird, als sie sich zu sehr für einen anderen interessiert, schließlich von ihm ermordet. Soweit der Plot von George Bizets Oper "Carmen". Das weltweit beliebte Werk wurde mehrfach verfilmt, auch von Ernst Lubitsch und mit dem Stummfilmstar Pola Negri in der Titelrolle. Die Uraufführung feierte man am 20. Dezember 1918. Auf den Straßen aber war die Stimmung damals nicht vergnügt, sondern diffus revolutionär. Erst im November war der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen, gerade hatte Kaiser Wilhelm II. abgedankt, und jetzt versuchten Arbeiter- und Soldatenräte, für neue Strukturen zu sorgen. Deutschlands Zukunft war ungewiss.

Licht und Schatten

Im August 1919 trat schließlich eine neue Verfassung in Kraft. Erstmals in der deutschen Geschichte wurde eine demokratische Staatsform installiert. Die Weimarer Republik endete 1933 mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Die Jahre dazwischen werden gerne als "Goldene Zwanziger" bezeichnet, hatten tatsächlich aber Licht- und Schattenseiten, vielfältig gespiegelt im deutschen Film. Der war in jener Zeit außerordentlich kreativ und hat das Zeitgeschehen, Zukunftsvisionen, Sehnsüchte und drohende Gefahren ausdrucksvoll in bewegte Bilder umgesetzt. Davon erzählt die Ausstellung im Berliner Museum für Film und Fernsehen. Dabei würdigt sie gleichzeitig die Leistungen der Filmfotografie.

Ausstellung im Museum für Film und FernsehenBild: picture-alliance/dpa

In den Archiven der Deutschen Kinemathek finden sich unzählige Aufnahmen, die im Laufe der Jahrzehnte bei Dreharbeiten geschossen wurden. Entstanden sind sie ausschließlich aus einem Grund: Sie sollten für die Filme werben – in Zeitungen und den Schaukästen der Kinos. Einige Aufnahmen dienten Grafikern auch als Vorlage großformatiger Plakate wie jenem mit Pola Negri als zügelloser Carmen. Weil man die Zuschauer oft mit einem einzigen Bild gewinnen musste, wurden für die Öffentlichkeitsarbeit natürlich besonders markante Situationen und charakteristische Portraits ausgewählt: dramatisch ausgeleuchtete Gesichter, verlorene Menschen in der übermächtigen Natur, bedrohliche Spiele mit Licht und Schatten. Das Kinoticket war seinen Preis zumeist wert, das Programm der Lichtspielhäuser überaus vielfältig.

Eine große Zeit des Kinos

Die Erfindungen und technischen Neuerungen der Zwanziger Jahre - etwa am Fließband produzierte Automobile, Rundfunkgeräte oder Schallplatten - hielten umgehend Einzug in die Filmproduktionen. Das Telefon bewährt sich als beliebtes Requisit, in "Der Mann, der seinen Mörder sucht", um einen Mord zu verhindern, in "Emil und Detektive", um einen dreisten Dieb zu stellen. Emanzipierte junge Frauen drängen in die Berufstätigkeit und tippen in vielen Produktionen mit flinken Fingern auf neumodischen Schreibmaschinen. Der UFA-Film "Wege zu Kraft und Schönheit" idealisiert Körperkult und Gymnastik, "Menschen am Sonntag" fängt den ganz gewöhnlichen Alltag ein und "Sinfonie der Großstadt" konzentriert 24 Stunden hektisches Metropolenleben.

Nosferatu, eine Symphonie des GrauensBild: Deutsche Kinemathek

In den zwanziger Jahren war die wirtschaftliche Lage in Deutschland angespannt, die Kluft zwischen Arm und Reich wuchs rasant. Friedrich Murnaus "Der letzte Mann" zeigt das Leben in einem Berliner Hinterhof, Slátan Dudows "Kuhle Wampe" erzählt vom Abstieg einer erwerbslosen Familie, und Fritz Lang hat in "Metropolis" die düstere Vision einer Zukunftsstadt entworfen, in der die Reichen sich oben vergnügen und die Armen unter der Erde schuften und wohnen.

Ende einer Ära

In den Studios entstanden monumentale Kulissen, für historische, exotische oder düster-futuristische Produktionen, das Zusammenspiel von Architektur, Raum, Licht und Kamera sorgte bei unterschiedlichsten Stilen für großen Intensität und verblüffende Wirkungen. Bildmächtige Filme wie "Das Cabinet des Dr. Caligari", "Nosferatu" oder "Der Blaue Engel" haben international Maßstäbe filmischer Ausdrucksmöglichkeiten gesetzt. Das Kino der Zwanziger Jahre galt als wegweisend.

1932, das letzte Jahr der Weimarer Republik, war dann gezeichnet von Notverordnungen, politischen Konfrontationen und wirtschaftlichen Problemen. Das Kino bot ein Kontrastprogramm, schwelgte in Liebesglück, träumte vom Aufstieg. Und Lilian Harvey sang "Irgendwo auf der Welt gibt's ein kleines bisschen Glück".

Bild: Deutsche Kinemathek

Dieses bemerkenswerte Kapitel deutscher Filmgeschichte endete jäh mit Hitlers Machtübernahme. Viele Regisseure, Autoren und Kameraleute durften ihren Beruf nicht mehr ausüben, weil sie jüdischer Abstammung waren. Manch einer emigrierte in die USA, nahm sein Know-how mit und trug es von Hollywood aus in die Welt.

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