Am Rande des EU Gipfels - Kopfschmerz wegen Griechenland
18. Dezember 2014Normalerweise mischt sich die EU bei Wahlen in den Mitgliedsländern nicht ein, das gilt als schlechter Ton. Vor der Präsidentenwahl in Athen aber machten EU-Offizielle eine Ausnahme. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte die Abgeordneten offen, sich für den einzigen Kandidaten Stavros Dimas zu entscheiden und damit die Regierung Samaras zu unterstützen. Die Griechen wüssten doch, "was ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Eurozone bedeuten würde".
Und einen Tag vor dem ersten Wahlgang legte EU Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici noch nach: Er reiste in die griechische Hauptstadt, um über die Lage des Haushalts und den Stand der Reformbemühungen zu sprechen und wurde ganz deutlich: Die EU werde dem Land "nur dann weiter unter die Arme greifen, wenn es mit den Reformen der Wirtschaft vorangehe". Gleichzeitig lockte er nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche, wenn die Regierung nur noch ein paar weitere Maßnahmen beschließen und ein wenig mehr umsetzen würde, dann könnten die verhassten Haushaltsaufseher vom Internationalen Währungsfonds, der EU und der Europäischen Zentralbank auch sehr bald abziehen.
Premier Samaras pokert um die Macht
Vor zehn Tagen hatten die europäischen Finanzminister dieses Troika-Regime noch einmal bis Ende Februar verlängert. Denn sie fanden den griechischen Haushaltsplan 2015 allzu optimistisch und die Strukturreformen längst nicht so fortgeschritten, wie gewünscht. Damit fuhren sie Regierungschef Samaras in die Parade, der den Abzug der verhassten Kontrolleure schon zu Silvester versprochen hatte.
Dennoch: Seit die griechische Wirtschaft wieder etwas wächst, das laufende Defizit stark reduziert und die Arbeitslosigkeit um ein paar Prozentpunkte gesenkt werden konnten, sah er den richtigen Zeitpunkt gekommen, um seine politische Position zu stabilisieren. Deshalb das gefährliche Spiel mit der vorgezogenen Präsidentschaftswahl.
Wie sieht das "worst case scenario" für die EU aus?
Das Schlimmste für die EU wäre, wenn nach drei erfolgslosen Wahlgängen für einen Staatspräsidenten und den dann folgenden Parlamentsneuwahlen, am Ende gar keine stabile Regierung stehen würde, sagt Janis Emmanouilidis vom "Center for European Policy Studies" in Brüssel. "Denn nach dem Ende des internationalen Hilfsprogramms befände sich ab März dann alles im freien Fall." Trotzdem würden die Europäer versuchen, mit jeder neuen Regierung in Athen an den Verhandlungstisch zu kommen, auch wenn sie von der linken Syriza-Bewegung unter ihrem Chef Alexis Tsipras angeführt würde. In den Umfragen liegt er immer noch vorn, aber der Abstand zu den Konservativen verringert sich.
Die Drohungen aus Brüssel und Berlin würden durchaus Wirkung zeigen, so Emmanouilidis. Wenn es aber Anfang des Jahres zu Neuwahlen komme, sei fraglich wie lange das Bedrohungsszenario der Instabilität noch aufrecht erhalten werden könne. Vielleicht würde bei den Wählern am Ende der Anti-Establishment-Impuls über die Angst vor neuem Finanzchaos siegen. "In Athen wird hart gepokert und jeder Tag zählt. Die Frage ist auch, ob noch jemand in den nächsten Wochen einen Fehler macht", sagt der Politikwissenschaftler. Die Chancen übrigens, dass das Pokerspiel mit der Präsidentenwahl gut ausgeht und Dimas gewählt werde, schätzt er auf 50:50 ein.
Was muss die EU bei einem Sieg von Syriza befürchten?
Wenn Anfang des Jahres tatsächlich Syriza an die Macht käme, stellen sich für die EU viele Fragen: Wie stabil wäre eine solche Regierung in Athen? Denn zu einer eigenen Mehrheit wird es kaum reichen und mögliche Koalitionspartner sind schwach. Und wie stark ist überhaupt der Zusammenhalt innerhalb der Partei? Eines wird allerdings im Gespräch mit dem Syriza-Europaabgeordneten George Katrougalos deutlich: Die Partei hat ihre Rhetorik erkennbar gedämpft. "Wir sind die Hoffnung für Europa, nicht die Bedrohung", sagt er gleich beschwichtigend. Überall in Europa habe man das Versagen der Sparpolitik erlebt, nicht nur in den Südländern, deshalb glaube er auch, dass es nicht nur um ein griechisches, sondern ein gesamteuropäisches Problem gehe. Und "ich hoffe, eine linke Regierung in Griechenland könnte ein Katalysator für ähnliche Entwicklungen überall in Europa sein", sagt der Parlamentarier und nennt dabei die Podemos-Bewegung in Spanien.
Natürlich werde man ganz anders mit der EU verhandeln als die derzeitige Regierung. Schließlich sei Europa gespalten in Schuldner und Gläubiger, und deshalb verlange seine Partei eine Konferenz, ähnlich wie das Londoner Schuldenabkommen von 1953, wo Deutschland am Ende einen hohen Schuldennachlass erzielen konnte. Wie solle das funktionieren? Die europäische Zentralbank müsse Eurobonds ausgeben und frisches Geld drucken (Quantitative Easing). Was aber den Euro angeht, so wolle Syriza weder austreten noch die Gemeinschaftswährung infrage stellen. Im Gegenteil: Der Euro solle durch eine Abkehr von der Sparpolitik gerettet werden. Und schließlich: "Derzeit leihen uns der InternationaIe Währungsfonds und die EZB Geld, damit wir die Kredite zurückzahlen können. Sie haben jedes Interesse, mit uns zu verhandeln, denn wenn sie es nicht tun, bekommen sie ihr Geld nicht wieder. Wir werden nichts unilateral machen, wir werden die Verträge respektieren, die wir mit unseren Gläubigern gemacht haben, aber wir werden sie verändern", erklärt George Katrougalos.
Dieses Szenario mag vielleicht die Unterhändler der europäischen Union erschrecken, Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank, reagierte bei einer Presseveranstaltung in Brüssel darauf ziemlich ungerührt: "Wenn es in Griechenland knallen würde und es zu einem Absturz käme", wären die Folgen beherrschbar, sagt er. Die strukturelle Eurokrise an sich sei vorbei, und alle Abwehrmechanismen stehen bereit, um Erschütterungen abzuwehren, wie sie etwa von Griechenland ausgehen könnten. Bankern wie ihm scheint die unruhige politische Lage in dem Krisenland offenbar keine schlaflosen Nächte mehr zu bereiten.