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Terrorismus

Amaq: Terror-Propaganda made in Germany

Fabian von der Mark
9. Juni 2017

Das Bekennervideo des Attentäters Anis Amri wurde von "Amaq" verbreitet, dem Sprachrohr des "Islamischen Staates". Hat ein Syrer in Deutschland die Terrororganisation mit derartigen Inhalten versorgt?

Bild aus dem Bekennervideo von Anis Amri
Bild aus dem Bekennervideo von Anis AmriBild: picture-alliance/abaca/B. Press

Mohammed G., ein 23-jähriger Syrer, ist dringend tatverdächtig, Mitglied des "Islamischen Staates" (IS) zu sein. Deswegen ordnete der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Untersuchungshaft an. Das alleine wäre keine Besonderheit - allein in 2016 wurden etwa 200 Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer islamistischen Terrororganisation eingeleitet.

Der Fall des Syrers Mohammed G. ist aber deshalb interessant, weil es um mögliche Verbindungen zum Propagandanetzwerk "Amaq" geht und um die Fragen: Wie gelangen Bekennervideos zum IS? Findet eine Anleitung von Attentätern auch aus Europa heraus statt? Der Generalbundesanwalt beschuldigt G., "als Kontaktperson zwischen der dem IS zuzurechnenden Nachrichtenagentur Amaq und möglichen Attentätern der Terrororganisation" agiert zu haben.

Ohne Bekenntnis keine IS-Propaganda

Konkret beschuldigt die Bundesanwaltschaft den 23-Jährigen, mindestens einen Monat lang über soziale Medien mit einem Mann in Kontakt gewesen zu sein, der am 11. Oktober 2016 in Schweden einen Brandanschlag auf ein schiitisches Gemeindezentrum verübt haben soll. Einen Tag nach dem Attentat soll Mohammed G. von dem vermeintlichen Attentäter ein Bekenntnis zur Tat verlangt haben - nach DW-Informationen in Form einer Audiodatei. Die Begründung: Ohne einen solchen Beweis würde "Amaq" den Anschlag nicht als IS-Aktion verbreiten. Der IS legt offensichtlich wert darauf, möglichst authentische Bekenntnisse und sogenanntes "Täterwissen" von Terroristen zu bekommen.

Deutschsprachige Amaq-Propaganda (nach dem Anschlag von Manchester): Vermeintliches "Echtheitszertifikat"Bild: IS-Agentur Amaq

Tatsächlich hat die Terrororganisation ein hohes Interesse daran, möglichst viele Anschläge wie Taten des selbst ausgerufenen "Kalifats" erscheinen zu lassen. In den Bekenntnissen ist dann von einem "Kämpfer" oder "Soldaten" des "Islamischen Staates" die Rede und jeder Anschlag soll die Stärke der Terrormiliz unter Beweis stellen - auch wenn der IS in Syrien und im Irak massive Verluste erleidet. Ob ein Attentäter überhaupt in Verbindung mit dem IS stand und wenn ja in welcher, bleibt häufig offen. Aber auch wenn ein Anschlag nicht vom IS beauftragt, sondern nur "inspiriert" war - ein "Amaq"-Bekenntnis wirkt in der Öffentlichkeit wie ein Echtheitszertifikat für IS-Terror. Erst recht, wenn es Informationen über die Identität des Täters enthält, bevor diese der Polizei bekannt ist.

Der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, war in seinem Bekennervideo mit weißen Kopfhörern in den Ohren auf einer Brücke zu sehen, als er seinem Anschlag ein dschihadistisches Motiv gab. Der Attentäter von Würzburg fuchtelte während der Aufnahme seines Bekennervideos mit einem Messer herum. Beide Filme wurden - kaum einen Tag nach den Taten - über die IS-Propaganda-Plattform "Amaq" verbreitet, mit dem Hinweis, es handele sich um Kämpfer oder Soldaten des "Islamischen Staates". Fragt sich, wie die Videos so schnell zu "Amaq" gelangen und auf welchem Weg? Nach den Terroranschlägen in Deutschland wird immer noch nach möglichen Verbindungsleuten der toten Attentäter zum "Islamischen Staat" ermittelt.

Kontakt zu "Amaq" mit Insiderwissen möglich

Das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz spricht bei den Tätern von Würzburg und Ansbach von "Terroristischen Selbstanbietern" die vor ihren Anschlägen entweder direkt oder über Zwischenpersonen den Kontakt zu "Amaq" suchten: "Mit etwas Insiderwissen lässt sich dies über szenebekannte Social-Network-Kanäle erreichen", so die Verfassungsschützer - etwa mithilfe des Messengerdienstes "Telegram". Mohammed G. könnte ein solcher Zwischenmann gewesen sein, mit Wissen über und Zugang zu den Propagandakanälen des IS.

Bei den Terroristen von Ansbach und Würzburg sprachen die deutschen Geheimdienste von sogenannten "ferngesteuerten" Attentätern, weil sie bis kurz vor ihrer Tat in Kontakt mit IS-Leuten standen, die sie detailliert angeleitet haben. Bisher lag die Vermutung nahe, dass diese "Fernsteuerung" vom IS-Kernland ausging, etwa von Rakka aus und dass über diese Kanäle auch die Bekennervideos übermittelt wurden. Erhärten sich die Vorwürfe gegen Mohammed G., hat es aber auch in Deutschland zumindest einen solchen IS-Anleiter gegeben, der die propagandistische Verwertung eines Anschlags in Europa aus Europa gesteuert hat.