1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Amazonas-Länder beraten über Schutz des Regenwalds

Louise Osborne
8. August 2023

Illegale Abholzung zerstört den Amazonas-Regenwald seit Jahren. Derzeit stagniert sie, dennoch wird befürchtet, der Wald könnte als CO2-Speicher bald ganz wegfallen. Ein Staatengipfel sucht nach Lösungen.

Bunte Aras sitzen auf einem Baum im brasilianischen Amazonas-Regenwald bei Manaus
Die Idylle trügt: Brasilien verzeichnet seit 2005 den größten Regenwaldverlust, der nicht auf Brände zurückzuführen istBild: BRUNO KELLY/REUTERS

Der Amazonas-Regenwald ist eine der wichtigsten Kohlenstoffsenken der Welt und absorbiert große Mengen an Kohlendioxid (CO2), das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wird. Dennoch ist er weiterhin bedroht. Etwa 17 Prozent des Waldes wurden bereits zerstört. 

Die Staats- und Regierungschefs von acht Ländern aus dem Amazonasgebiet treffen sich diese Woche in der nordbrasilianischen Stadt Belém zu einem Gipfel, um über den Schutz des Regenwalds, eine nachhaltige Entwicklung in der Region und die Rolle der indigenen Völker beim Schutz des Waldes zu diskutieren.

"Die Welt muss uns helfen, das Amazonasgebiet zu erhalten und zu entwickeln", sagte der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva letzte Woche vor Journalisten im Vorfeld des Treffens der Amazon Cooperation Treaty Organization (ACTO). Das Land beherbergt etwa 60 Prozent des Amazonas-Regenwalds.

Lula da Silva: neuer Staatschef, neue Hoffnung 

Lula da Silva hat das Amt des brasilianischen Präsidenten im Januar dieses Jahres übernommen. Unter seinem Vorgänger Jair Bolsonaro fielen weite Teile des Amazonasgebietes dem Bergbau, für Viehzucht und den Sojaanbau zum Opfer. Allein 2022, dem letzten Jahr von Bolsonaros Amtszeit, gingen fast zwei Millionen Hektar Wald verloren.

In seiner vierjährigen Präsidentschaft von 2019 bis 2022 schwächte der Rechtspopulist die Gesetze gegen die Entwaldung und strich Budgets von Behörden, die Umweltverbrechen überwachten. Er unterstütze Gesetze, die Bergbau in indigenen Gebieten erlauben, mit dramatischen Folgen für weltweit einzigartige Primärwälder, die ältesten und unberührtesten Wälder der Erde.

Brasilien verzeichnete seit 2005 den größten Baumverlust, der nicht auf Brände zurückzuführen ist. 2015 war Brasilien für etwas mehr als ein Viertel des weltweiten Bestandsverlusts in tropischen Primärwäldern verantwortlich.

Diese Zahl stieg auf 43 Prozent im Jahr 2022, so die Autoren eines Berichts des Global Forest Watch (GFW), der von der globalen Forschungsorganisation World Resources Institute (WRI) veröffentlicht wurde.

Große Flächen des Amazonas-Regenwalds wurden abgeholzt, um Platz für den Bergbau oder Viehzucht und Ackerbau zu schaffenBild: Bruno Kelly/REUTERS

Doch der Trend scheint sich umzukehren. Seit dem Amtsantritt von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ging die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet nach offiziellen Angaben zurück: und zwar von Januar bis Juni um 33,6 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2022.

Die brasilianische Umweltministerin Marina da Silva sagte der britischen Zeitung Guardian, die Abholzung sei im Juli um mindestens 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen. Lula hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, die illegale Abholzung im Amazonasgebiet bis 2030 zu stoppen.

Für Mercedes Bustamante, Professorin für Landnutzung und Umweltveränderungen an der Universität Brasilia, könnte der aktuelle Gipfel bei der Bekämpfung der größten Bedrohungen für den Regenwald entscheidend sein.

"Die meisten Aktivitäten im Zusammenhang mit der Abholzung des Amazonasgebiets stehen in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen - und dieses kennt keine Grenzen", sagt Bustamante im Gespräch mit der DW. "Wir brauchen also wirklich integrierte Maßnahmen zwischen den Ländern des Amazonasbeckens, damit wir diese illegalen Aktivitäten effizienter und effektiver verfolgen können."

Tropischer Entwaldungstrend: Wie viel Regenwald geht im Amazonas verloren?

Im vergangenen Jahr war Brasilien das Land mit dem bei weitem größten Verlust an Bäumen. Die Demokratische Republik Kongo und Bolivien folgten mit großem Abstand auf den Plätzen zwei und drei. Doch die Entwaldung bleibt weltweit ein großes Problem.

In den tropischen Primärwäldern gingen 2022 im Vergleich zum Vorjahr zehn Prozent mehr Bäume verloren, der Verlust an Bäumen stieg damit auf insgesamt 4,1 Millionen Hektar. Dem GFW-Bericht zufolge entspricht das einem Verlust von elf Fußballfeldern Wald pro Minute.

Das hat verheerende Auswirkungen auf das Klima. Wälder sind Kohlenstoffsenken, die etwa doppelt so viel Kohlendioxid (CO2) aufnehmen, wie sie jedes Jahr ausstoßen.

Die tropischen Regenwälder sind besonders wichtig für die Erreichung der Klimaziele, weil sie mehr CO2 aus der Atmosphäre speichern als andere Waldgebiete.

Durch den starken Baumverlust sind Teile des Regenwalds am Amazonas keine CO2-Senke mehr, denn sie geben Treibhausgase ab, als sie binden Bild: Michael Dantas/AFP/Getty Images

Wenn sie zerstört werden, geben sie einen Großteil des gebundenen Kohlenstoffs wieder an die Luft ab. Allein der Waldverlust in den Tropen verursachte 2,7 Gigatonnen Kohlendioxid-Emissionen im Jahr 2022. Das entspricht laut dem GFW-Bericht dem Treibhausgas-Ausstoß von Indien, dem bevölkerungsreichsten Land der Welt.

Extreme Entwaldung: ein Erbe aus Bolsonaros Amtszeit

Nirgendwo ist das so deutlich zu sehen wie in Brasilien, wo rund 60 Prozent des Amazonas-Regenwaldes liegen. Der Verlust an Primärwäldern des Landes ist allein von 2021 und 2022 um 15 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass die Wälder des Landes weniger CO2 speichern. Und der anhaltende Verlust könnte schließlich "zu einem Kipppunkt führen, über den hinaus der Großteil des Ökosystems zu einer Savanne wird", so der GFW-Bericht.

Dennoch sind die neuesten Zahlen, die einen Rückgang der Abholzung zeigen, in Verbindung mit einer Stärkung der IBAMA, der Behörde, die die Umweltgesetze im Amazonasgebiet durchsetzt, vielversprechende Zeichen.

Brasiliens Präsident Lula da Silva und seine Regierung haben die brasilianischen Umweltbehörden wieder gestärktBild: Ueslei Marcelino/REUTERS

Es ist derzeit unklar, ob die Abholzungsraten noch weiter sinken werden. Doch die IBAMA sei bereits gestärkt worden, berichtet Catarina Jakovac, Biologin an der brasilianischen Bundesuniversität Santa Catarina im DW-Gespräch.

"Wir haben schon in den ersten drei Monaten einen Anstieg der von der IBAMA verhängten Geldstrafen für Umweltvergehen festgestellt", so Jakovac. "Das ist ein Zeichen dafür, dass die Behörde jetzt wieder vor Ort ist und die Abholzung wirklich bekämpft. Ich hoffe, dass wir bald auch Ergebnisse sehen werden."

Kampf gegen die Entwaldung im Amazonas: Lula da Silvas Wettlauf mit der Zeit

Lula hat bereits einmal erfolgreich die Abholzung im Amazonasgebiet eingedämmt. Während seiner ersten Amtszeit als Präsident zwischen 2003 und 2010 sank die Abholzungsrate im Regenwald um 80 Prozent, bevor sie 2012 wieder anstieg, so das INPE, Brasiliens nationales Institut für Weltraumforschung.

Die Ausweitung von Schutzgebieten, die Ausweisung indigener Regionen und die Überwachung des Waldes gehörten zu den Maßnahmen, die während der ersten Amtszeit von Lula umgesetzt wurden. Die neue Regierung baue auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit auf, sagt Paulo Massoca, brasilianischer Umweltwissenschaftler an der Indiana University Bloomington.

"Die Regierung Lula hat den Prozess der Ausweisung und Abgrenzung von Schutzgebieten und indigenem Land wieder aufgenommen, weil sie erkannt hat, wie wichtig diese Maßnahmen sind, um die Umwelt zu schützen und die Bedeutung der in der Region lebenden Menschen anzuerkennen", so Massoca zur DW.

Ist der Regenwald am Amazonas noch zu retten?

10:50

This browser does not support the video element.

Solche Maßnahmen könnten nun auch auf dem aktuellen Gipfel der Amazonas-Staaten debattiert werden. Ebenfalls dürfte es darum gehen, Wege für die wirtschaftliche Entwicklung der Länder in der Region zu finden.

Über die Rolle das Amazonasgebiet gebe es dabei gegensätzliche Ansichten, sagt Mercedes Bustamante. So lehnten "konservative Kreise" einen stärkeren Schutz ab, indigene Gruppen und Teile der Zivilgesellschaft hingegen hielten den Schutz des Regenwaldes für die Wirtschaftsentwicklung für entscheidend.

"Ich denke, die Frage ist eher, welche Rolle die Politik auf dem Gipfel spielen wird", meint die Professorin.

Brasilien steht also vor großen Herausforderungen. Laut Bustamante ist das Erreichen des Ziels der Null-Abholzung im Amazonasgebiet aber unerlässlich, um ihn als eines der weltweit wichtigsten Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels zu erhalten. Und das erfordere eine konzertierte Aktion sowie finanzielle Investitionen der internationalen Gemeinschaft.

"Wir bezweifeln nicht, dass die Länder Amazoniens für das Amazonasgebiet verantwortlich sind, aber sie brauchen auch globale Unterstützung. Die Industrieländer müssen die Verpflichtung zum Schutz des Amazonasgebiets und des globalen Klimas wirklich ernst nehmen", betont die Professorin.

Redaktion: Jennifer Collins

Redaktionelle Mitarbeit: Tim Schauenberg. 

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 27. Juni 2023 veröffentlicht und am 8. August anlässlich des Amazonas-Gipfels in Belém, Brasilien, aktualisiert.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen