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Politik

Umstritten: Laurent Wauquiez, der neue Chef der Republikaner

12. Dezember 2017

Die französischen Republikaner haben einen neuen Vorsitzenden gewählt: Laurent Wauquiez. In der Partei ist er umstritten, einigen gilt er als Opportunist. Er könnte die Partei aber auch zu neuen Erfolgen führen.

Frankreich Politiker Laurent Wauquiez in Saint-Pries
Bild: Reuters/R. Pratta

Kein größeres Glück als das Leben auf dem Lande. In der Region Haute-Loire sei er zu Hause, hatte Laurent Wauquiez, der am Wochenende frisch gekürte Vorsitzende der französischen Partei Les Républicains (Die Republikaner, LR), im Oktober dem Magazin Paris Match erklärt. Dort, im stillen Südwesten des Landes, im Schatten der Schule des Örtchens Chambon-sur-Lignon, sei er geformt worden, dort habe er grundlegende Erfahrungen des Lebens gemacht. "Dort habe ich gelernt zu reiten und Forellen zu fischen. Dort habe ich auch um meine Frau geworben".

Das Lob des Landlebens hat in aufgewühlten Zeiten Konjunktur, auch in Frankreich. Insofern passten Wauquiez´ Erinnerungen ganz zum Stil der Zeit. Dass man sie allerdings stark relativieren müsse, erklärte der Öffentlichkeit dann ausgerechnet seine Mutter, die amtierende Bürgermeisterin von Chambon-sur-Lignon. Ihr Sohn, ließ sie wissen, sei hauptsächlich am Kolleg Victor-Duruy zur Schule gegangen, gelegen im wenig ländlichen siebten Arrondissement von Paris.

Spiel mit der Sehnsucht

Die kleine Korrektur konnte Wauquiez´ Karriere nichts anhaben - zu tief sind offenbar die Sehnsüchte nach dem reinen unverfälschten Leben. Ebenso die nach religiöser Hingabe. Wenigstens zehn Mal, erklärte der frisch gewählte Chef der Republikaner im Fernsehsender France 2, habe er Soeur Emmanuelle getroffen, eine in Frankreich sehr populäre, als "Mutter der Müllmenschen von Kairo" bekannte Ordensschwester, die 2008 verstorben war. Gleich mehrere französische Zeitungen, darunter Le Monde, wiesen nach, dass auch diese Behauptung in den Bereich freischaffender Erinnerung gehört.

Drift nach rechts: Der ehemalige LR-Vorsitzende N. Sarkozy und sein Nachfolger L. WauquiezBild: Getty Images/AFP/D. Faget

Von beflügelnder Phantasie lässt sich Wauquiez, Jahrgang 1975, gelegentlich auch bei seinen Auslassungen zur Politik leiten. Das gesamte im Großraum Paris (Ile-de-France) produzierte Fleisch sei nach dem islamischen Reinheitsgebot ("halal") produziert. Tatsache, stellten Journalisten klar, ist, dass von den 941 in Frankreich zugelassenen Schlachthöfen 128 für Vieh und 68 für Geflügel über eine entsprechende Genehmigung verfügten - das, klärte Le Monde die Leser auf, mache 21 Prozent aller Betriebe aus. Auch die von Migranten wild bevölkerten "Dschungel", die Wauquiez nach Art des berühmt-berüchtigten "Dschungels" von Calais ausmachte, ließen sich nirgends entdecken.

Was in der politischen Realität nicht zutrifft, ist nach Maßgabe politischer Emotionen aber lange noch nicht irreal. Wauquiez, so Le Monde,  bediene "die identitären Ängste", die Sorge der Franzosen um die nationale Identität, die sich vor allem durch eines speise: "die Obsession des Islam". Mit diesem Thema lassen sich in Frankreich viele potentielle Wähler fangen - etwa die des Front National, auf die es Wauquiez ausdrücklich abgesehen hat. Um sie zu erreichen, präsentiert er sich seit dem Jahr 2009 - damals verschrieb der damalige Parteivorsitzende Nicolas Sarkozy der Partei einen deutlichen Rechtsruck - als überzeugter Konservativer. Damals habe er seine Schlussfolgerungen aus der politischen Wirklichkeit gezogen, erklärt Wauquiez gerne.

Fest im Blick von Wauquiez: Die Wähler des Front NationalBild: Reuters/P. Rossignol

Umstrittener Kurs

Ehemalige Weggefährten sehen das anders. Wauquiez´ ideologische Entwicklung sei einem genauen Kalkül gefolgt, eng orientiert zudem an politischen Meinungsumfragen. Wie sehr sich einige - längst nicht alle - Mitglieder der Republikaner an diesem Kurs stören, zeigte sich zwei Tage nach der Wahl: Xavier Bertrand, der Vorsitzende des LR-Verbandes Hauts-de-France ganz im Nordwesten der Republik, erklärte nach der Wahl Wauquiez´ zum neuen Vorsitzenden der Partei seinen Austritt. Er wolle den nun sich anbahnenden Rechtsruck der Partei nicht mitmachen, erklärte er. "Nicolas Sarkozy oder Alain Juppé hätten eine solche Drift niemals zugelassen."

Wie umstritten sein Kurs ist, weiß Wauquiez selbst. Eben darum, vermutet die Zeitung Le Figaro, dürfte er ihn bewusst ambivalent halten. Denn er muss nicht nur die Parteimitglieder, sondern auch die Wähler von sich und seinen Ansichten überzeugen. Der Grad, auf dem er wandert, ist schmal: Einerseits hat er gute Chancen, mit seinem Kurs dem Front National - dieser ging aus den Präsidentschaftswahlen im Mai dieses Jahres mit gut 21 Prozent als zweitstärkste Kraft hinter Emmanuel Macron hervor - eine ganze Reihe Wähler abzujagen. Andererseits würde ein allzu weit nach rechts ausschlagender Kurs die Wähler aus der politischen Mitte verschrecken.

"Nicht alles von der Linken kaufen"

Der zweideutige Kurs, den er derzeit fährt, birgt, Wauquiez´ eigener Analyse zufolge, ein weiteres Problem. Wenn nämlich der derzeitige Präsident Macron mit seinem Experiment jenseits von rechts und links scheitern sollte - dann, so der neue LR-Chef, wollten die Wähler vor allem eines: "Klarheit". Spätestens dann auch müsste sich Wauquiez, nach derzeitigem Stand Macrons bedeutendster Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen 2022, eindeutig positioniert haben. Er wolle darum, erklärte er dem Figaro, "die Hand ausstrecken, alle einladen, an Bord zu kommen, um die politische Rechte wieder auf Kurs zu bringen."

Zu entsprechenden Diskussionen über den Kurs der Partei hat er darum schon eingeladen. "Wir müssen das Gedankengebäude der Rechten rekonstruieren, anstatt immer nur alles von der Linken zu kaufen", erklärte er. "Als wäre die Philosophie der Rechten nicht reich genug."

Wohin Wauquiez die Partei dann führt, ist wohl auch ihm selbst noch nicht ganz klar. "Er kann seinen Kurs anpassen", erklären namentlich nicht genannte Parteimitglieder dem Figaro. "Er ist kein Ideologe, er ist ein Opportunist."

Ob er einer bleibt, wird sich erst bei den nächsten Wahlen zeigen. Gewinnt er sie, dürfte er nicht mehr als Opportunist gehandelt werden, sondern vielmehr als "Stratege" - womöglich sogar als "Visionär".

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika