Ursprünglich wollte das Museum Frieder Burda seine eigene Sammlung US-amerikanischer Expressionisten präsentieren. Doch dann holte sie die Gegenwart und Donald Trump ein - und eine Planänderung wurde nötig.
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"America! America! How real is real?" - eine kritische Ausstellung
Wie steht es um den "American way of life"? Ist aus dem American Dream ein Alptraum geworden? Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden sucht Antworten in den Werken US-amerikanischer Künstler der Gegenwart.
Bild: VG Bild-Kunst
"Imaginary Flag for U.S.A.," William N. Copley (1972)
Die Flagge ist eines der wichtigsten Symbole der US-amerikanischen Identität. Der Surrealist William N. Copley ersetzte die 50 Sterne in seiner Version mit dem Wort THINK (Denk): eine subversive Antwort auf den ideologischen Patriotismus seines Landes gegen Ende des Vietnamkrieges und zu Beginn des Watergate-Skandals. Es ist das Leitmotiv der Ausstellung.
Bild: VG Bild-Kunst
Tom Wesselmann: "In Alice’s Front Yard" (1992)
US-amerikanische Künstler der Gegenwart halten ihre Epoche für zukünftige Generationen fest und geben zugleich kritische Denkanstöße. Die Ausstellung im Museum Frieder Burda zeigt rund 70 Werke aus der eigenen Sammlung und zahlreichen Leihgaben, die die Realität zwischen dem "American Dream" und dem "American way of life" kommentieren.
Bild: VG Bild-Kunst
Tom Wesselmann: "Smoker #10" (1973)
In den 1960er Jahren stellte Andy Warhol die Darstellung des "American way of life" auf den Kopf, indem er zeigte, wie das Konsumverhalten den Alltag seiner Landsleute bestimmt. Andere Pop-Art-Künstler wie Tom Wesselmann und James Rosenquist benutzten die Methoden der kommerziellen Werbung, um auf die Gefahren der Produkte hinzuweisen.
Bild: VG Bild-Kunst
"Scott and John", Alex Katz (1966)
Der Einfluss der Pop Art wird nicht nur in der Themenwahl, sondern auch in den Techniken vieler US-amerikanischer Künstler deutlich. Auch Alex Katz, geboren 1927 in New York, übernahm Elemente dieser Bewegung. Das Gemälde "Scott and John" ist typisch für sein Stilmittel der Reduktion, mit der er das innere Wesen dieser beiden jungen Amerikaner festhielt.
Bild: VG Bild-Kunst
"The Haunting (Triptychon)" von Robert Longo (2005)
Die Wahrnehmung der Wirklichkeit wird zunehmend von den Medien geformt, was die Gefahr der Manipulation birgt. Schreckliche Ereignisse, die sich ins kollektive Gedächtnis der Amerikaner eingebrannt haben, sind das Thema von Robert Longos Werken: wie hier die Flugzeuge, die ins World Trade Center einschlagen.
Bild: VG Bild-Kunst
Jeff Koons' "Bear and Policeman. 1988"
Diese lebensgroße Skulptur eines Bären, der einen britischen Polizisten umarmt, ist Teil der Serie "Banality" von Jeff Koons. Sie sieht kitschig aus, und das soll sie auch: Koons' zentrales Thema ist die Darstellung von massenproduzierten Konsumgütern, Popkultur und Kitsch. Eine künstlerische Gratwanderung, an der sich immer wieder die Geister scheiden.
Bild: Jeff Koons
Cindy Sherman, "Untitled (Marilyn)" (1982)
Cindy Sherman ist eine der bedeutendsten Fotografinnen und Performance- Künstlerinnen der Gegenwart. Auf ihren Bildern inszeniert sie sich selbst in unterschiedlichsten Posen. Hier verkörpert sie Hollywood-Ikone Marilyn Monroe vor einer Filmkulisse. Die Kleidung ist ungewöhnlich für das US-amerikanische Sexsymbol, doch die Mimik samt leicht geöffnetem Mund verrät unverkennbar die Monroe.
Bild: Cindy Sherman
"Living Room Scene III", Eric Fischl (2002)
Der sogenannte "American way of life" ist ein Mythos, der von den Medien und der Unterhaltungsindustrie ausgeschlachtet wird. Immer wieder hinterfragen Künstler diesen Mythos in ihren Werken. Hier Eric Fischl, dessen "Living Room Scene III" an die Melancholie Edward Hoppers erinnert. "America! America! How real is real?" ist bis zum 21. Mai 2018 im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen.
Bild: Eric Fischl
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Die USA haben einen besonderen Stellenwert in unserem kulturellen Bewusstsein: Abstrakte Konzepte wie der "American dream" und der "American way of life" sind Unterrichtsstoff in Klassenzimmern auf der ganzen Welt.
Die wahre Bedeutung dieser Konzepte aufzudecken und zu erforschen, ist das erklärte Ziel der Ausstellung im Museum Frieder Burda. "America! America! How Real is Real?" zeigt rund 70 Werke von US-amerikanischen Künstlern der Gegenwart, darunter Roy Lichtenstein, Cindy Sherman, Eric Fischl und William N. Copley (Artikelbild: "Imaginary Flag for U.S.A.", 1972).
Trump verändert alles
Ursprünglich war eine Ausstellung geplant, die der eigenen umfangreichen Sammlung US-amerikanischer Meisterwerke eine Bühne bieten sollte. "Dann wurde uns bald klar, dass unter den gegebenen Umständen einer veränderten, auch irritierenden politischen Haltung und Ausdrucksweise des damals noch neuen US-Präsidenten (Donald Trump) eine Frage nach dem, was wir bis dahin mit Nordamerika verbunden hatten, über den abstrakten Expressionismus der eigenen Sammlung hinausgehen musste," erzählt Kurator Helmut Friedel. Also wurde die Auswahl mit Leihgaben ergänzt. Die Werke von Künstlern der Gegenwart wie Jeff Koons, Cindy Sherman und Eric Fischl erweitern den Diskurs nun um eine aktuelle Komponente. Dabei geht es um das Auseinanderdriften von Realität und dem, was in den Medien als solche verkauft wird in Zeiten einer Regierung, deren Auffassung von "echt" und "fake" viele Menschen verunsichert zurücklässt.
Die Schau beginnt mit Andy Warhols Siebdrucken von Verbrecherfotos, Autounfällen und dem elektrischen Stuhl und stellt diese alptraumhaften Bilder dem Mythos des "American way of life" gegenüber, der von Hollywood und den Medien oft glorifiziert wird. Die Fragen rund um den Kapitalismus und das Konsumverhalten, die die Pop-Art-Bewegung aufgeworfen hat, sind auch heute noch zentrale Themen der Gegenwartskunst. Die Ausstellung zeigt: Einfache Antworten darauf gibt es nicht. Sie regt an zur Auseinandersetzung mit der Rolle der USA und ihrem visuellen Gedächtnis.
Auseinandersetzung mit der eigenen Realität erwünscht
Robert Longo thematisiert den Impuls, Ereignisse mit Nachrichtenwert rund um die Uhr zu dokumentieren: in einem Triptychon, das ein Schwarzweiß-Bild der ins World Trade Center rasenden Flugzeuge abbildet. Ein Selbstporträt von Cindy Sherman als Marilyn Monroe führt Andy Warhols Idee fort, den Starkult und seine Auswirkungen auf das moderne Leben unter die Lupe zu nehmen.
"Es ist uns ein großes Anliegen, mit dieser Ausstellung einen Gedankenaustausch zu den aktuellen Themen 'Umgang mit der Wahrheit' und 'Respekt vor der Wahrheit' im individuellen, aber auch im globalen Kontext anzuregen", erklärt Museumsdirektor Henning Schaper.
"America! America! How real is real?" ist die jüngste in einer Reihe von Ausstellungen in Deutschland, die sich derzeit mit den Vereinigten Staaten undihren Künstlernbeschäftigen. Sie ist noch bis zum 21. Mai im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen.