1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

America first, NAFTA ade?

19. Januar 2017

Der Handelskrieg hat schon begonnen. In Mexiko wächst nicht nur die Wut, sondern auch der Widerstand gegen den von US-Präsident Donald Trump verkündeten neue wirtschaftlichen Protektionismus.

Grenze USA - Mexiko
Bild: picture-alliance/dpa/L. W. Smith

"Mit Trumps Motto hat sich eine antimexikanische Diktion durchgesetzt", sagt Günther Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "America first" sei für den mexikanischen Nationalismus schwer verdaulich, für das Land bedeute dies massive Kosten.

Doch neben der Schockstarre regt sich auch Widerstand gegen Einfuhrzölle für mexikanische Exporte oder gar einen Ausstieg aus dem Freihandelsabkommen NAFTA. So wollen mehrere Baufirmen, Tourismusunternehmen und Stadtverwaltungen ein "Zeichen nationaler Einheit" setzen und künftig US-amerikanische Autos boykottieren. 

"Wir werden keine Autos der Marke Ford mehr für unsere Flotte kaufen", kündigte der Gouverneur des Bundesstaates Campeche, Alejandro Moreno Cárdenas, in der mexikanischen Tageszeitung "El Universal" an. Dies sei eine Antwort auf den Rückzug der geplanten Investitionen des Autobauers im Land.

Land der Autobauer

Die Zeichen stehen auf Sturm. "Die Angst vor Trump hat potenzielle Investoren abgeschreckt", schreibt der mexikanische Kolumnist José Cárdenas. "Carrier, Ford, Fiat-Chrysler und General Motors haben ihre Hände in den Schoss gelegt. Sie fürchten drakonische Zölle, wenn sie darauf bestehen, Teile ihrer Produktionsstätten in Mexiko zu lassen."

Auf dem Rückzug: Ford will die Investitionen in seinen mexikanischen Fabriken zurückfahrenBild: picture alliance/AP Photo/E. Verdugo

Noch bilden Mexiko und die USA einen gemeinsamen Markt. Sie sind seit 1994 zusammen mit Kanada in dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA miteinander verbunden. Das lange umstrittene Abkommen löste einen Exportboom von Mexiko in die USA aus (siehe Grafik), aber auch wirtschaftliche Verwerfungen - sowohl in Mexiko als in den USA.

So verwandelte NAFTA Mexiko in ein Land, das Autos und Autozubehör für den US-amerikanischen Markt produziert. Das Grundnahrungsmittel Mais hingegen wird nicht mehr im eigenen Land angebaut, sondern von subventionierten nordamerikanischen Farmern importiert. In den USA wiederum führte die Auslagerung von Teilen der Automobilbranche zu Arbeitsplatzverlusten.

Abhängig vom Norden

Nach Angaben der Welthandelsorganisation (WTO) gehen mittlerweile 81 Prozent aller mexikanischen Exporte in die USA; nach Kanada sind es gerade einmal 2,8 Prozent. Bei den Einfuhren hingegen machen die Produkte aus den USA nur 47 Prozent aus, die Handelsbilanz ist für Washington also negativ. Die Lücke füllen Importe aus China (18 Prozent) und der EU (elf Prozent).

"Es gibt eine Fülle von Wertschöpfungsketten, die Mexiko, die USA, aber auch China und andere Länder einbeziehen. Diese wieder aufzulösen, ist nur unter massiven Kosten möglich", warnt Mexikoexperte Günther Maihold von der SWP. Dies würden auch die US-amerikanischen Verbraucher in deutlich gestiegenen Preisen zu spüren bekommen.

Maihold, der vier Jahre lang am Wilhelm und Alexander von Humboldt-Lehrstuhl des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Mexiko forschte, zieht eine Parallele zum Brexit. "Vieles von dem, was Trump ankündigt, ist psychologische Kriegsführung. Wenn er NAFTA aufkündet, muss über ein Nachfolgeabkommen diskutiert werden. Dies ist erst in einem Zeithorizont von zwei Jahren vorstellbar."

Recht des Stärkeren

Doch schon jetzt ist abzusehen, dass  Mexiko bei den Verhandlungen den kürzeren ziehen wird. "NAFTA war immer ein Instrument, das sehr ungleich auf die Gesellschaften gewirkt hat", erklärt Maihold. "Diese ungleiche Verteilung im Rahmen des Abkommens wird durch die Trumpsche Position noch einmal zusätzlich betont, indem er die Position des Stärkeren in Stellung bringt."

Für Mexiko kommt die Wahl Trumps zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Das Land befindet sich in einem scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Drogenmafia, die Umfragewerte von Staatspräsident Enrique Peña Nieto liegen im Keller und soziale Unruhen, Streiks und Korruption haben den Staat in eine politische Krise geführt. Angesichts des wirtschaftlich unsicheren Szenarios hat der Internationale Währungsfonds zudem seine Wachstumsprognosen abgeschwächt.

Auf Distanz: Das Verhältnis zwischen Mexikos Präsident Peña Nieto und Donald Trump ist alles andere als harmonischBild: Reuters/H. Romero

In Mexiko ist die Stimmung schlecht. "Die entscheidende Frage ist, ob unser Land in diesem Moment über Führungspersönlichkeiten verfügt, die Vertrauen genießen, um den Binnenmarkt zu stärken und die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen", schreibt Kolumnist José Cárdenas. Seine Antwort fällt negativ aus: Angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes 2018 und der zerstrittenen politischen Kasse sei dies utopisch.

Seitenhieb vom Milliardär Slim

Der mexikanische Unternehmer und Multimilliardär Carlos Slim scheint dies etwas anders zu sehen. Bei seinem Treffen mit Donald Trump im vergangenen Dezember ließ er den gewählten Präsidenten wissen, wie er sich die von ihm geplante Mauer zwischen Mexiko und den USA vorstellt. Die beste Mauer, so Slim, sei die Förderung von gut bezahlten Arbeitsplätzen in Mexiko, damit seine Landsleute nicht in die USA auswandern müssten.

Am Donnerstag versetzte Slim dem neuen Staatsoberhaupt noch einen weiteren Seitenhieb. Er kündigte an, einen eigenen Fernsehkanal für die rund 35 Millionen Mexikaner in den USA zu gründen. Nuestra Vision werde aus Mexiko senden, eine Mischung aus Sport, Nachrichten und Telenovelas anbieten und auf dem kulturellen Vermächtnis seiner Zuschauer aufbauen. Schon jetzt ist klar: Mit diesem Projekt will Slim in den USA nicht nur Geld verdienen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen