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"Eine Kultur der Angst"

Jacob Resneck (wd)8. Juli 2016

Nachdem zwei Schwarze von Polizisten erschossen wurden, folgten Schüsse auf Polizisten bei einem Protest in Dallas. Wenn nicht auf Dialog gesetzt wird, dann hat das schwere Konsequenzen, sagt Politologe Scott Lucas.

USA Dallas Schießerei bei Demonstrationen gegen PolizeigewaltFoto: AFP / Laura Buckman
Bild: Getty Images/AFP/L. Buckman

DW: Wenn wir auf die aktuellen Ereignisse in Dallas schauen: Wie kann das in einer solchen Gesellschaft in heutigen Zeiten derart eskalieren ?

Scott Lucas: In den USA herrschte schon immer dieser Widerspruch. Auf der einen Seite ist es ein wirtschaftlich und militärisch starkes Land, und hat - trotz vieler Fehler - auch ein wirklich gutes politisches System. Aber gleichzeitig leben Amerikaner in einer Kultur der Angst. Es ist ein sehr verängstigtes Land, und das seit Jahrzehnten. Ich habe das selbst im Kalten Krieg durchlebt, aber auch in der Zeit nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001. Die Menschen haben Angst vor Entbehrungen und davor, was die Leute dann tun. Sie fürchten Drogen und Kriminalität.

Die Bewegung "Black Lives Matter" hat sich gegründet, nachdem in Ferguson der afroamerikanische Schüler Michael Brown von einem weißen Polizisten erschossen wurde. Die Bewegung kümmert sich um sehr wichtige Themen. Es geht ihr dabei nicht nur um Polizeigewalt oder angebliche Polizeigewalt, es geht auch um die wirtschaftliche Situation, um fehlende Arbeit in bestimmten Regionen und um Ungleichheit bei den Einkommen. Es besteht allerdings das Risiko, dass diese Bewegung als Bedrohung für die gesamte Polizei angesehen wird. Aber wenn das passiert, dann schließt man die Möglichkeit eines Dialogs aus, und es entsteht ein Konflikt.

Scott Lucas: Dialog wird benötigtBild: privat

Wir haben einen ehemaligen Abgeordneten im Kongress, Joe Walsh, der jetzt auf Twitter schreibt, es herrsche Krieg. Wenn Politiker die Situation ausnutzen und so eine Ausdrucksweise wählen, so wie zum Beispiel auch Donald Trump, wird das bald zu einer Erosion der Gesellschaft führen. Tatsächlich eigentlich sogar mehr als Erosion. Ich würde nie den Begriff "Bedrohung" verwenden, denn das würde nur zu diesem Sprachgebrauch beitragen, aber ich würde von einem ernsthaften Problem in der amerikanischen Politik sprechen.

Im Augenblick gehen die Einschätzungen und Erzählungen in den sozialen Medien völlig durcheinander. Jeder sieht sich als Opfer von Schikanen. Wie gefährlich ist das, was sich derzeit hochschaukelt ?

Soziale Medien können alles noch verstärken, weil man im Kreis seiner Verbündeten redet und gestärkt die Gegner kritisieren kann. Soziale Medien sind zudem viel schneller als traditionelle Medien, so dass sich dadurch die Debatte beschleunigt. Es hat bereits Bestrebungen gegeben, Schuldzuweisungen zu überwinden. Und ironischerweise hat die Polizei in Dallas Demonstrationen erlaubt, auch, um offen über alles zu sprechen. Doch diese Tragödie könnte noch etwas anderes zur Folge haben, auch, wenn das jetzt noch nicht der Fall ist: Es könnte passieren, dass gegen Demonstranten vorgegangen wird oder Demonstrationen generell verboten werden.

Die Polizei und auch die Demonstranten sind schnell dabei zu sagen, "Wir sind die Opfer". Aber wenn wir in diese Falle tappen und auf all das Gerede hören, dann übersehen wir dabei die Tatsache, dass es grundlegende Bemühungen gibt, von dieser Art der Kommunikation und Schuldzuweisung wegzukommen.

Besteht Ihrer Meinung nach eine Verbindung zwischen dieser Schusswaffen-Kultur und der Militarisierung der Polizei?

Das ist eine Frage, die wir seit Jahren stellen. Meine Einschätzung lautet: Bis wir es schaffen, mit den überall frei verfügbaren Waffen in Amerika umzugehen, bis wir die Hauptursachen von Gewalt im Griff haben, wird die fehlende Kontrolle von Schusswaffen unsere Gesellschaft aufgefressen haben. Wenn wir jetzt nicht auf Dialog setzen und den Konflikt noch verstärken, dann wird das schwerwiegende Konsequenzen haben.

Scott Lucas ist Politologe mit dem Schwerpunkt Amerikanische Politik an der Universität im britischen Birmingham. Er stammt aus dem US-Staat Alabama.

Das Gespräch führte Jacob Resneck.

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