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Politik

Amnesty kritisiert Evakuierungsplan

1. Dezember 2017

Der Plan, libysche Flüchtlingslager zu evakuieren, werde so nicht funktionieren, sagt Franziska Vilmar von Amnesty International. Er diene vor allem dazu, dass die EU sich ihrer Verantwortung nicht stellen müsse.

Libyen Europa Migration Zustände in Flüchtlingslagern
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Brabo

"Das sind großartige Neuigkeiten", sagt Cécile Pouilly, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Sie meint damit nicht nur den auf dem EU-Afrika-Gipfel geschmiedeten Plan, Flüchtlinge und Migranten aus libyschen Lagern und damit aus katastrophalen Lebensumständen zu befreien. Sondern vor allem, dass sich die Weltöffentlichkeit endlich für die Flüchtlinge in Libyen interessiert.

Ein Video des amerikanischen Fernsehsenders CNN hatte die Aufmerksamkeit der Teilnehmer des EU-Afrika-Gipfels in Abidjan in der Elfenbeinküste erregt - und sie zum Handeln gedrängt. Das Video zeigt, wie Migranten bei Auktionen als Sklaven verkauft werden.

Die Berichte über katastrophale Zustände und Menschenrechtsverletzungen in libyschen Lagern sind nicht neu. "Amnesty International dokumentiert seit Jahren die Situation von Migranten und Flüchtlingen in Libyen", sagt Franziska Vilmar, Expertin für Asylpolitik und Asylrecht bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland. Sie spricht von Misshandlungen, Vergewaltigungen und Folter. "Es ist gut, dass die Öffentlichkeit und die Regierungen sich endlich damit beschäftigen, wie es den Menschen in den Lagern geht."

Bundeskanzlerin Merkel mit dem Vorsitzenden der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat (links), in AbidjanBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

"Es wird nicht gelingen, alle Menschen da rauszuholen"

Doch der Plan zur Evakuierung der Migranten sei, so wie er jetzt beschlossen wurde, unrealistisch, meint Vilmar. Zunächst einmal ist völlig unklar, wie viele Menschen in den libyschen Lagern leben und evakuiert werden müssten. Schätzungen zufolge sind es zwischen 400.000 und einer Million. In kleinem Maßstab finden Evakuierungen bereits statt. Dafür sind sowohl das UNHCR als auch die internationale Organisation für Migration (IOM) zuständig. Der libysche Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch versicherte beiden Organisationen zwar, dass sie Zugang zu den Lagern erhalten sollen. Doch "das halte ich für unrealistisch, weil die Regierung weder alle Lager betreibt noch auf alle Einfluss hat", sagt Vilmar. Zahlreiche Lager sind stattdessen in den Händen von Milizen. "Das heißt, es wird mitnichten gelingen, dort alle Menschen rauszuholen."

"Es gibt Lager, zu denen wir keinen Zugang haben, weil sie in den Händen von kriminellen Gruppen sind", sagt UNHCR-Sprecherin Pouilly. Das Flüchtlingshilfswerk hätte gerne längst mehr für die Menschen getan, deshalb freut sich Pouilly über die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft zu helfen. "Wir brauchen die politische Unterstützung sehr, sonst sind Hilfsorganisationen wie uns die Hände gebunden." Bis zum Jahresende sollen 15.000 Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgebracht werden, wie es in einer aktuellen Pressemeldung des IOM heißt. Die Rückführung mit Flugzeugen will die EU finanzieren. 

Wer will die Evakuierten haben?

Zurück heißt allerdings nicht unbedingt zurück in die Heimat. Viele Flüchtlinge sollen in die libyschen Nachbarländer Tschad und Niger umgesiedelt werden, in denen die Lage ebenfalls alles andere als stabil ist. Von dort aus soll eine Weiterverteilung nach Europa erfolgen. Franziska Vilmar von Amnesty International bezweifelt jedoch, dass die europäischen Staaten, die die Aufnahme von Flüchtlingen bisher verweigert haben, plötzlich Tür und Tor öffnen. "Mit dem Evakuierungsplan nimmt man sich des Themas zwar an. Aber nicht so, dass sich die EU der eigenen Flüchtlingsverantwortung wirklich stellt."

Europa first!

Dazu gehört Vilmars Ansicht nach auch, sich nicht vor der Verantwortung zu drücken, indem mit Staaten kooperiert wird, die Flüchtlingen weder ein Asylverfahren noch ausreichenden Schutz anbieten, wie etwa in Libyen. Sie wirft der EU nicht nur vor, in Libyen zu lange weggeschaut zu haben, sondern zu den verheerenden Bedingungen, unter denen die Menschen in den Lagern leben müssen, einen erheblichen Beitrag geleistet zu haben. "Die EU trainiert und finanziert seit Monaten schon die Küstenwache in Libyen, deren Beteiligung am Menschenschmuggel nicht wirklich klar ist. Die libysche Küstenwache 'rettet' Menschen aus Seenot und bringt sie zurück in diese Lager, in denen ihnen Folter, Vergewaltigung und Misshandlung drohen." Die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) erhebt dieselben Vorwürfe gegen die EU-Staats- und Regierungschefs.

Nachdem die libysche Küstenwache sie auf See gestoppt hat, werden diese Flüchtlinge in ein Internierungslager gebrachtBild: Getty Images/AFP/T. Jawashi

Die EU mache Grenzen dicht, schließe Flüchtlingsrouten und zwinge die Menschen so, andere Wege zu nehmen, sagt Vilmar. "In Libyen ist die Kooperation zwischen der Küstenwache und Menschenhändlern ein florierendes Geschäft, das umso besser funktioniert, je mehr sich die europäische Union abschottet." Daran werden die Evakuierungen wohl nichts ändern.

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