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PolitikGlobal

Amnesty International: Todesstrafen weltweit auf Höchststand

Julie Gregson
8. April 2025

Die Zahl der weltweit registrierten Hinrichtungen stieg 2024 auf über 1500, wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International feststellt - der höchste Wert seit 2015. Die tatsächliche Zahl könnte noch höher sein.

Eine Demonstrantin trägt eine Gesichtsbemalung in Spiegelschrift und eine falsche Schlinge, um gegen die Hinrichtungen durch das islamische Regime im Iran zu protestieren.
Im Iran wurden die meisten offiziell registrierten Hinrichtungen durchgeführtBild: Allison Bailey/NurPhoto/picture alliance

Die Zahl der weltweit dokumentierten Hinrichtungen ist 2024 dramatisch angestiegen. Drei Länder sind laut Amnesty International für den Großteil der Hinrichtungen verantwortlich: Iran, Saudi-Arabien und der Irak. Zusammen entfallen rund 90 Prozent aller registrierten Fälle auf sie. An der Spitze steht erneut der Iran, wo mindestens 972 Menschen exekutiert wurden - ein deutlicher Anstieg gegenüber 853 Fällen im Vorjahr.

Trotz der hohen Fallzahlen im Nahen Osten bezeichnet Amnesty International in seinem aktuellen Bericht China als das Land mit den meisten Hinrichtungen weltweit. Genaue Zahlen nennt die Regierung in Peking nicht, doch Amnesty International geht davon aus, dass dort Tausende Menschen exekutiert wurden. Auch Nordkorea und Vietnam stehen laut der Organisation im Verdacht, die Todesstrafe in großem Stil anzuwenden.

Todesstrafe als Mittel der Unterdrückung

In Saudi-Arabien haben sich die Hinrichtungen mit mindestens 345 Fällen nahezu verdoppelt. Es ist die höchste Zahl, welche die Menschenrechtsorganisation jemals für das Land verzeichnet hat, und das trotz angekündigter Reformen. Kronprinz Mohammed bin Salman hatte im Rahmen seiner Modernisierungsagenda zugesichert, den Einsatz der Todesstrafe zu begrenzen. Doch laut Amnesty International wird sie weiterhin gezielt zur Unterdrückung politischer Meinungsäußerung eingesetzt.

Die Menschenrechtsorganisation wirft den saudischen Behörden vor, die Todesstrafe als Instrument einzusetzen, um Angehörige der schiitischen Minderheit zu bestrafen, die sich zwischen 2011 und 2013 an regierungskritischen Protesten beteiligt hatten.

Proteste gegen Hinrichtungen in Saudi-Arabien in den USA, einem Partner des Königreichs im Nahen OstenBild: KEVIN DIETSCH/newscom/picture alliance

Ein besonders aufsehenerregender Fall war im August die Hinrichtung von Abdulmajeed al-Nimr, einem pensionierten Verkehrspolizisten. Ihm wurden Verbindungen zu Al-Qaida vorgeworfen, doch frühe Gerichtsunterlagen belegten lediglich seine Teilnahme an Protesten. "Das zeigt, wie die Erzählung von Terrorismus genutzt wird, um die Todesstrafe als notwendig erscheinen zu lassen - zur Unterdrückung von Dissens und zum Schutz der Öffentlichkeit", kritisiert Chiara Sangiorgio, Expertin für die Todesstrafe bei Amnesty International.

Im Iran kam es indes im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten, die durch den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im Jahr 2022 ausgelöst wurden, zu zwei weiteren Hinrichtungen. Einer der Hingerichteten war der 23-jährige Mohammad Ghobadlou, ein Demonstrant mit einer chronischen psychischen Erkrankung.

Mohammad Ghobadlou (links in der Collage) war einer von fünf Menschen, die im Iran innerhalb einer Woche im Jahr 2024 hingerichtet wurdenBild: Mizan/Koosha Mahshid Falahi/X/Collage:DW

Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard sprach von einem gezielten Vorgehen gegen Kritiker: "Wer es wagt, die Autoritäten herauszufordern, sieht sich mit den grausamsten Strafen konfrontiert – besonders im Iran und in Saudi-Arabien, wo die Todesstrafe gezielt eingesetzt wird, um mutige Stimmen zum Schweigen zu bringen."

Hinrichtungen wegen Drogendelikten vor allem in Asien

Mehr als 40 Prozent der weltweit verzeichneten Hinrichtungen im Jahr 2024 standen im Zusammenhang mit Drogendelikten. Laut dem Amnesty-Bericht ist die Anwendung der Todesstrafe für Drogendelikte insbesondere in Ländern wie Singapur und China weit verbreitet.

"In vielen Fällen trifft die Todesstrafe Menschen aus benachteiligten Verhältnissen, ohne dass ein nachweisbarer Effekt auf den Rückgang des Drogenhandels erzielt wird", erklärte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard.

Sie forderte Länder wie die Malediven, Nigeria und Tonga, die aktuell die Einführung der Todesstrafe für Drogendelikte in Erwägung ziehen, dazu auf, bei der Gestaltung ihrer Drogenpolitik stärker auf die Wahrung der Menschenrechte zu achten.

In Malaysia hingegen wurden rund 1000 Menschen, die wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden waren, begnadigt. Dies ist das Ergebnis von Reformen, die 2023 eingeleitet wurden. Im Rahmen dieser Reformen hat das Land die Todesstrafe für bestimmte Straftaten, einschließlich Drogenhandel, abgeschafft.

Der demokratische Sonderfall: Die Vereinigten Staaten

Die USA bleiben unter den westlichen Demokratien ein Sonderfall in Bezug auf die Todesstrafe. Im Jahr 2024 stieg die Zahl der Hinrichtungen nur leicht von 24 auf 25, doch Amnesty International zeigte sich besorgt über bestimmte Entwicklungen.

In diesem Raum im US-Bundesstaat Alabama fand 2024 die erste Hinrichtung mit Stickstoffgas stattBild: AP Photo/picture alliance

"Obwohl die Gesamtzahlen sowohl bei den Hinrichtungen als auch bei den Todesurteilen historisch niedrig sind, gab es 2024 besorgniserregende Rückschläge", erklärte Amnesty-Forscherin Chiara Sangiorgio. So hätten vier Bundesstaaten - South Carolina, Georgia, Utah und Indiana - die Vollstreckung wieder aufgenommen, nachdem jahrelang keine Hinrichtungen stattgefunden hatten.

In Alabama verdoppelte sich die Zahl der Exekutionen, darunter eine durch Stickstoffgas. UN-Beobachter warnten, dass die Hinrichtung durch Stickstoffhypoxie einer Folter gleichkommen könnte. Stickstoffhypoxie ist eine Methode, bei der Stickstoffgas in die Atemwege einer Person geleitet wird, um den Sauerstoffgehalt im Blut zu verdrängen, was zum schnellen Verlust des Bewusstseins und zum Tod führt.

Zeichen der Hoffnung: Exekutionen in weniger Ländern

Trotz des besorgniserregenden Anstiegs der Hinrichtungen im Jahr 2024 zeigt sich Amnesty International in einem Aspekt optimistisch: Laut der Nichtregierungsorganisation wurden Todesurteile nur in 15 Ländern vollstreckt - der niedrigste Wert seit Jahren. Dies sei das zweite Jahr in Folge mit einer solch geringen Zahl und deute auf eine Abkehr von der "grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Strafe" hin, so Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard. "Es ist offensichtlich, dass die Staaten, die die Todesstrafe beibehalten, eine isolierte Minderheit darstellen."

Insgesamt haben inzwischen 145 Länder die Todesstrafe gesetzlich abgeschafft oder wenden sie in der Praxis nicht mehr an. Zum ersten Mal stimmten zudem zwei Drittel der UN-Generalversammlung für ein Moratorium zur Anwendung der Todesstrafe.

Ein bedeutender Schritt erfolgte 2024 in Simbabwe, wo ein Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe verabschiedet wurde. Das Land behält sich jedoch das Recht vor, die Todesstrafe im Falle eines Ausnahmezustands wieder einzuführen. Rund 60 Personen, die zum Tode verurteilt wurden, sollen stattdessen Haftstrafen verbüßen. Seit 2021 haben auch sechs weitere afrikanische Länder ähnliche Schritte unternommen.

Todesstrafen-Expertin Chiara Sangiorgio würdigte diese Entwicklung in Afrika: "Insgesamt ist die Geschichte in Afrika eine Erfolgsgeschichte. Eine Geschichte der Hoffnung, des Engagements für Menschenrechte und des Widerstands gegen das Narrativ, die Todesstrafe sei eine Lösung für Kriminalität und gesellschaftliche Probleme."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

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