Amnesty-Kritik an EU
20. Juni 2007Amnesty International hat der Europäischen Union (EU) vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen in ihren Mitgliedsstaaten kaum Beachtung zu schenken. Damit untergrabe die EU ihre Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Staaten wie beispielsweise China, sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Barbara Lochbihler, am Mittwoch (20.6.07) vor Journalisten in Berlin. Im neuen EU-Vertrag müssten nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation die Grund- und Menschenrechte zur rechtsverbindlichen Grundlage der Europäischen Union werden. Die grundlegenden Rechte dürften "nicht zur Fußnote einer möglichen Verfassung verkommen", forderte sie mit Blick auf den anstehenden EU-Gipfel.
Zum Abschluss der deutschen EU-Präsidentschaft zog die Menschenrechtsorganisation eine zurückhaltende Bilanz. Die Bundesregierung habe sich "bemüht", das Thema Menschenrechte in die Außenbeziehungen "einzubringen". Dies gelte insbesondere für den Dialog mit den zentralasiatischen Staaten. Entscheidend sei allerdings, dass entsprechende zwischenstaatliche Verabredungen auch umgesetzt werden.
Umgang mit Flüchtlingen gleicht "Lotterie"
Lochbihler bemängelte, dass unter deutscher Ratspräsidentschaft keine weiteren Schritte zur Abschaffung der Folter unternommen worden seien. Selbst in Deutschland sei das entsprechende Zusatzprotokoll noch nicht ratifiziert. Dagegen habe sich das Auswärtige Amt für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern eingesetzt. Sie hoffe, dass die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft diesen Prozess aufnehme.
Amnesty kritisiert insbesondere den EU-internen Umgang mit "irregulären" Flüchtlingen, denen immer wieder ein faires Asylverfahren verweigert werde. Die Praxis in den einzelnen EU-Staaten gleiche einer Lotterie, sagte der Direktor des Brüsseler Amnesty-Büros bei der EU, Dick Oosting. Trotz wiederkehrender Katastrophen an der EU-Südgrenze verstießen die Mitgliedsstaaten systematisch gegen geltendes Völkerrecht wie die Europäische Menschenrechtskonvention.
Kritik an Diskriminierung
Oosting forderte die EU-Staaten auf, die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot sicherzustellen. Dazu müssten klare Verantwortlichkeiten definiert werden. Eine "Auslagerung" der EU-Grenzkontrolle und des Flüchtlingsschutzes an Nachbarstaaten wie etwa Weißrussland oder Marokko dürfe es nicht geben. Wenn eine Zusammenarbeit mit diesen Staaten vereinbart werde, müsse sichergestellt werden, dass die Menschenrechte der Flüchtlinge gewahrt werden. In der Vergangenheit war es den Angaben zufolge wiederholt zu Aussetzungen von Flüchtlingen in der Wüste gekommen, beispielsweise in Marokko.
Ferner kritisierte Amnesty die in manchen EU-Staaten verbreitete Diskriminierung von Homosexuellen, Roma und Muslimen. Mit Blick auf die über zwei Millionen Flüchtlinge aus dem Irak vor allem in Jordanien forderte Oosting mehr Solidarität der Europäer und höhere Aufnahmequoten. Zudem sieht die Menschenrechtsorganisation die Glaubwürdigkeit der Europäer durch ihre Beteiligung an den geheimen Verschleppungsflügen des US-Geheimdienstes CIA und die geheime Inhaftierung von Terrorverdächtigen in Frage gestellt. (rri)