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Politik

Amnesty: Türkei missbraucht Ausnahmezustand

18. Oktober 2016

Der Ausnahmezustand in der Türkei geht in die Verlängerung. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt vor Missbrauch: Die Regierung nutze Notstandsdekrete gegen immer mehr Oppositionsgruppen.

Demonstration in der Türkei (Foto: Reuters/S. Kayar)
Bild: Reuters/S. Kayar

"Es besteht ein ernsthaftes Risiko, dass es zu noch mehr Verstößen kommt als in der ersten Phase des Ausnahmezustands", sagte der Türkei-Experte von Amnesty International, Andrew Gardner, der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung nutze Notstandsdekrete zunehmend, um nicht nur gegen die Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen, sondern auch gegen andere Gruppen vorzugehen, sagte Gardner. Dass die Verlängerung nun mit der Bedrohung durch "Terrororganisationen" begründet wurde, sei ein Hinweis darauf, dass sich dieser Trend fortsetzen werde.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den 90-tägigen Ausnahmezustand in Folge des Putschversuches von Mitte Juli verhängt. Der Notstand wäre in der Nacht zu Mittwoch ausgelaufen, wurde zuvor aber um weitere 90 Tage bis Mitte Januar verlängert.

Machtsicherung per Dekret

Seit dem gescheiterten Putsch, für den die Regierung die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen verantwortlich macht, wurden per Dekret mehr als 50.000 angebliche Gülen-Anhänger nicht nur aus dem öffentlichen Dienst gefeuert, mit dem Abdruck ihrer Namen im Amtsanzeiger wurden sie außerdem öffentlich an den Pranger gestellt - ohne Gerichtsurteil. Per Dekret verfügte Erdogan außerdem, dass Verdächtige 30 statt vier Tage in Polizeigewahrsam genommen werden dürfen, bis sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen. Fünf Tage lang kann ihnen der Kontakt zu einem Anwalt verwehrt werden. Mehr als 30.000 Verdächtige sitzen seit dem Putschversuch in Untersuchungshaft.

 Die größte Oppositionspartei CHP hält viele der Maßnahmen für verfassungswidrig. Das Problem: Nach der Verfassung ist es ausgeschlossen, gegen Dekrete vor dem Verfassungsgericht zu klagen. Erdogan hat also freie Hand.

Demonstrationen und öffentliche Versammlungen untersagt

Wegen Hinweisen auf einen geplanten Terroranschlag haben die türkischen Behörden in der Hauptstadt Ankara nun auch alle Demonstrationen und sonstigen öffentlichen Versammlungen untersagt. Das Verbot soll bis Ende November gelten, teilte der Gouverneur der Provinz mit. Es soll für die gesamte Provinz Ankara gelten und umfasst auch öffentliche Aufführungen. Grundlage seien Geheimdienstinformationen, wonach eine nicht näher genannte Terrororganisation Anschläge auf Menschenansammlungen vorbereite, so der Gouverneur.

Der Türkei-Experte von Amnesty International Andrew GardnerBild: picture alliance/AA/A.Ozdil

Amnesty-Experte Gardner sagte, auch im Ausnahmezustand müssten Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden. Seine Organisation habe in den Wochen nach dem Putschversuch "schwere Vorwürfe über Folter und Misshandlungen" in Polizeigewahrsam dokumentiert, sagte er. Es sei beunruhigend, dass die Behörden "diese Vorwürfe nicht ernstgenommen haben". Erdogan weist die Folter-Vorwürfe als "Lüge" zurück.

rk/stu (dpa, afp)

 

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