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"Pakistan hat mit großen strukturellen Problemen zu kämpfen"

Hao Gui4. August 2015

Shafqat Hussein wurde nach einem Anti-Terror-Gesetz zum Tode verurteilt. Amnesty International hält das für falsch: Die Todesstrafe ist keine Lösung im Kampf gegen den Terror, sagt Expertin Verena Harpe.

Symbolbild Todesstrafe. (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/ZUMA Press

Deutsche Welle: Frau Harpe, der Prozess um Shafqat Hussain war höchst umstritten. Das Alter des Verurteilten wurde gerichtlich nie festgestellt. Wie beurteilen Sie die Vollstreckung der Todesstrafe?

Verena Harpe: Amnesty verurteilt die Hinrichtung von Shafqat Hussain und fordert die pakistanische Regierung auf, umgehend wieder ein Hinrichtungsmoratorium einzuführen. Der Fall von Shafqat Hussain ist besonders problematisch, da er nach Angaben seiner Anwälte zum Tatzeitpunkt erst 14 Jahre alt war. Nach seiner Aussage wurde er von der Polizei so lange gefoltert, bis er ein Geständnis abgelegt hat. Außerdem wurde ihm der Prozess nach dem Anti-Terror-Gesetz gemacht, obwohl keinerlei Verbindungen zwischen ihm und einer terroristischen Gruppe bekannt waren.

Verena Harpe ist Pakistan-Expertin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI)Bild: Amnesty International

Pakistan hatte viele Jahre lang die Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt. Nach dem Anschlag auf eine Schule für Kinder des Militärs Ende 2014 wurden wieder zahlreiche Häftlinge hingerichtet. Wie viele Menschen warten noch auf die Vollstreckung?

Im Dezember 2014 wurde ein fast sechs Jahre andauernder informeller Hinrichtungsstopp aufgehoben. In den acht Monaten seitdem sind fast 200 Personen hingerichtet worden. Die Regierung hat erklärt 500 Menschen hängen zu wollen, die wegen terroristischer Straftaten inhaftiert sind. Diese Ankündigung ist umso besorgniserregender, weil in Pakistan mehr als 8000 Personen im Todestrakt sitzen.

Ist die Todesstrafe wirklich ein wirksames Instrument gegen den Terrorismus, wie die Behörden in Pakistan glauben?

Amnesty spricht sich in allen Fällen gegen die Todesstrafe aus. Die pakistanische Regierung betrachtet sie jedoch als schnelle Lösung und erklärt, dass sie nur mit Hinrichtungen auf die immer schwierigere Sicherheitslage im Land reagieren könne.

Dabei ignoriert Präsident Sharif, dass Pakistan mit großen strukturellen Problemen zu kämpfen hat, die dringend angegangen werden müssten: Die Sicherheitskräfte haben in den letzten Jahren immer weitergehende Befugnisse und Immunitäten erhalten und begehen selbst regelmäßig Menschenrechtsverletzungen, die oft ungestraft bleiben. Es wird nichts getan, um Korruption und Politisierung im Justizwesen zu bekämpfen. Die Ausbildung von Polizisten, Richtern und Anwälten müsste dringend verbessert werden, Zeugenschutzprogramme werden kaum angeboten.

Verena Harpe ist Pakistan-Expertin bei Amnesty International in Deutschland.

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