1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Amnesty: Zivilgesellschaft stärken

Kay-Alexander Scholz23. Mai 2013

Der Jahresbericht von Amnesty International hat die Situation in 159 Staaten untersucht und damit einen "Atlas der Menschenrechtsverletzungen" erstellt. Schwerpunkte setzt der Bericht auf den Schutz von Bürgerrechten.

Amnesty International Jahresbericht 2013: Generalsekretärin Selmin Caliskan (Foto: dpa)
Amnesty International Jahresbericht 2013: Generalsekretärin Selmin CaliskanBild: picture-alliance/dpa

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat in ihrem "Jahresreport 2013 zur weltweiten Lage der Menschenrechte" betont, wie wichtig in vielen Ländern die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) für die Entwicklung der Zivilgesellschaften sei. Im vergangenen Jahr hätten viele Regierungen versucht, ihren Bürgern gewonnene Freiheiten wieder zu nehmen. Mit Gesetzen und bürokratischen Schikanen behinderten Staaten wie Russland, Äthiopien, Ägypten und Bangladesch die Arbeit der NGOs.

"Wir legen den Fokus auf die Unterstützung der NGOs, weil sie vor Ort oftmals die treibenden Kräfte beim Schutz der Menschenrechte sind", sagte Selmin Caliskan, seit März neue Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty, bei der Vorstellung des Jahresberichts am Mittwoch in Berlin.

Abschreckende Wirkung

Ein Beispiel sei die Lage in Russland, führt Amnesty aus. Nach dem neuen Gesetz für internationale NGOs werden diese nun als ausländische Agenten eingestuft und müssen sich beim Justizministerium registrieren lassen. Im März fanden Durchsuchungen vieler NGO-Büros in Russland statt. Tausende Organisationen seien in Gefahr, warnte Caliskan. "Doch Ziel dieser Maßnahmen ist auch, die russische Zivilgesellschaft kaputt zu machen." Indem nämlich die Arbeit ausländischer NGOs von Politik und Medien in ein schlechtes Licht gerückt werde, schrecke man die Russen selbst von zivilgesellschaftlichem Engagement ab. "Damit wird der in den 1980er-Jahren begonnene Prozess der Öffnung, die Perestroika, zunichte gemacht", fasste die Amnesty-Generalsekretärin zusammen.

amnesty international: Report 2013

01:10

This browser does not support the video element.

In Äthiopien herrsche nach dem "erlassenen Maulkorb und den Handfesseln für die NGOs ein Klima der Angst", sagte Caliskan und nannte damit ein anderes Beispiel für ein Land, in dem sich die Menschenrechtslage verschlechtert habe. In der Folge "traut sich niemand mehr, politische Arbeit zu machen". Vor allem arme Menschen hätten ohne NGOs nun aber keine helfende Hand mehr, um ihre Rechte durchzusetzen.

In Uganda wurden nach Angaben von Amnesty 38 NGOs geschlossen. Das sei ein Grund dafür, weshalb die Medien dort eine "Hexenjagd gegen Lesben und Schwule" veranstalten könnten.

Auch die Entwicklung in Ägypten sei besorgniserregend. Die zahlreichen Hindernisse für die Arbeit der NGOs seien ein "Verrat am politischen Volksaufstand" im Arabischen Frühling. "Doch wir hoffen auf eine positive Wende in Ägypten durch die Zivilgesellschaft", sagte Caliskan der Deutschen Welle, "und werden die Menschen dort unterstützen".

Flüchtlingszahlen sehr hoch

Ein anderer Fokus des Amnesty-Jahresberichts liegt auf Zahlen zu Flüchtlingen. Im Jahr 2012 waren demnach weltweit 43 Millionen Menschen auf der Flucht. 15 Millionen von ihnen lebten laut Amnesty außerhalb ihres Heimatlandes. "Diese Zahlen sind sehr hoch, so hoch wie zuletzt in den 1990er-Jahren", sagte die Generalsekretärin.

Sie verwies auch auf das Schicksal der syrischen Flüchtlinge. Angesichts von insgesamt 1,4 Millionen Syrern, die vor dem Konflikt ins Ausland geflohen sind, und vier Millionen Binnenflüchtlingen fordert Amnesty von Deutschland und der EU eine großzügige Unterstützung der Nachbarländer Syriens, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. "Darüberhinaus muss die Europäische Union insgesamt ihre Flüchtlings- und Asylpolitik ändern", sagte Caliskan. "Auch 2012 war die Abschottungspolitik der EU mitverantwortlich dafür, dass Flüchtlinge im Mittelmeer starben."

"Wohin gehend Waffen die Grenzen oftmals ungehindert passieren können - das ist ein Skandal!", sagte Caliskan. Vor diesem Hintergrund sei es ein großer Erfolg, dass die Vereinten Nationen Anfang April, nach 20 Jahren Verhandlungsarbeit, einen Vertrag zur Kontrolle des globalen Waffenhandels beschlossen habe. "Der Vertrag wird viele Menschenleben retten", prophezeite Caliskan.

Doch damit dieser Vertrag in Kraft treten kann, muss er von 50 Ländern ratifiziert werden. Am Mittwoch stimmte nun die Bundesregierung den neuen UN-Regeln für Waffenhandel zu. Das sei der frühestmögliche Termin gewesen, teilte Außenminister Guido Westerwelle stolz mit. Und Regierungssprecher Steffen Seibert schrieb auf Twitter, dass die Bundesregierung hoffe, dass der Vertrag weltweit möglichst schnell in Kraft treten könne.

Slumbewohner vor Zwangsräumungen schützen

Daneben sprach Caliskan das Problem rechtswidriger Zwangsräumungen an. Laut Amnesty wurden zum Beispiel im Sommer 2012 in Nigeria 10.000 Häuser abgerissen und deren Bewohner so zu Obdachlosen gemacht. Und in Brasilien seien im vergangenen Jahr zahlreiche Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben worden, "um im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft und der Olympischen Spiele Platz für Infrastrukturprojekte zu schaffen oder um der Welt im Zuge der Sportereignisse ein geschöntes Bild des Landes zu zeigen".

Insgesamt dokumentierte Amnesty rechtswidrige Zwangsräumungen in 36 Staaten weltweit. Besonders häufig seien Slumbewohner betroffen, denen oftmals buchstäblich das Dach über dem Kopf abgerissen werde.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen