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AMOC: Golfstrom kollabiert nicht, aber er wird schwächer

26. Februar 2025

Eine neue Studie zeigt: Die Atlantische Umwälzzirkulation wird nicht kollabieren. Aber die Meeresströmungen werden schwächer - mit extremen Auswirkungen auf das Weltklima und die globale Niederschlagsverteilung.

Karte mit dem Golfstrom im Atlantik
Im Atlantischen Ozean wird warmes Oberflächenwasser aus dem Golf von Mexiko an der nordamerikanischen Ostküste entlang in Richtung Nordatlantik und Europa transportiert. Bild: cc-by:RedAndr-sa

Lieber erst die gute oder die schlechte Nachricht? Die gute Nachricht ist, dass die für unser Wetter wichtige Atlantische Umwälzströmung offenbar stabiler ist als angenommen. Laut Modellrechnungen bricht sie selbst unter extremen klimatischen Bedingungen nicht vollständig zusammen. Laut einer neuen Studie wird diese Umweltströmung durch Ausgleichsbewegungen in anderen Weltmeeren aufrechterhalten.

Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass sich diese Atlantische meridionale Umwälzzirkulation (AMOC), zu der auch der Golfstrom gehört, laut der Untersuchung bis zum Ende des Jahrhunderts deutlich abschwächen wird. Der Weltklimarat (IPCC) hält eine starke Abschwächung der Atlantischen Umwälzströmung im 21. Jahrhundert ebenfalls für sehr wahrscheinlich. Auch ohne vollständigen Kollaps wird dies erhebliche Auswirkungen auf das Weltklima und die globale Niederschlagsverteilung haben. Vor allem in Europa wird dies zu einem Temperatursturz führen. Laut Umweltbundesamt würden die Temperaturen um mehr als drei Grad pro Jahrzehnt sinken, in Nordeuropa sogar um 5 bis 15 Grad Celsius pro Dekade

Wie funktioniert die Atlantischen Umwälzzirkulation?

Die AMOC ist Teil der globalen ozeanischen Zirkulation. Durch die Strömung von Wassermassen wird Energie zwischen den Weltmeeren ausgetauscht. Dieses System wird als sogenanntes globales Förderband (ocean conveyor belt) bezeichnet. Im Atlantischen Ozean wird warmes Oberflächenwasser aus dem Golf von Mexiko an der nordamerikanischen Ostküste entlang in Richtung des Nordatlantiks transportiert.

Auf dem Weg in den Norden kühlt das Meerwasser ab, zudem steigt durch die Verdunstung der relative Salzgehalt. Das kältere und salzreiche Meerwasser sinkt an verschiedenen Stellen um Grönland in die Tiefe und strömt als Tiefenwasser zurück in die niederen Breiten. Diese Strömung ist für das milde Klima in West- und Mitteleuropa sowie in Teilen Nordeuropas verantwortlich.

Wie stabil ist die AMOC?

Für die aktuelle Modellierungsstudie simulierten die Forschenden die Entwicklung der Atlantischen Umwälzströmung bis zum Ende des Jahrhunderts unter extremen Bedingungen - darunter eine Vervierfachung des atmosphärischen CO₂-Gehalts sowie ein massiver Zustrom von Schmelzwasser. Bei der Studie wurden auch der Südliche und der Indische Ozean berücksichtigt.

In allen Versuchsläufen schwächte sich die AMOC-Zirkulation dadurch zwar deutlich ab, brach jedoch nicht vollständig zusammen. Der vollständige Zusammenbruch der AMOC wurde in den Simulationen durch den windgetriebenen Aufstieg von Tiefenwasser aus dem Nordatlantik im Südlichen Ozean verhindert. Die Ergebnisse der Modellierungsstudie wurden im Fachjournal "Nature" veröffentlicht.

Wie bewertet die Fachwelt die Ergebnisse?

In der Fachwelt wurde der Modellierungsansatz der Studie grundsätzlich positiv bewertet. Vor allem die globale Betrachtung und die Berücksichtigung von Ausgleichsbewegungen in anderen Ozeanen werten Experten als eine sinnvolle Herangehensweise zur Einschätzung eines möglichen AMOC-Kollapses.

Für Prof. Dr. Jochem Marotzke, Direktor der Forschungsabteilung Klimavariabilität am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie stellt die Studie "einen wohltuenden Kontrast zu den häufig unterkomplexen Katastrophenmeldungen zur AMOC dar."

Anders sieht dies Stefan Rahmstorf, Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seiner Meinung nach ändert die neue Studie "nichts an der Einschätzung des Risikos und der Auswirkungen künftiger AMOC-Veränderungen als Reaktion auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung."

Auch ohne Kollaps könnte sich die Atlantischen Umwälzzirkulation um mehr als 80 Prozent abschwächen, "was global verheerende Folgen hätte und zur Abkühlung in Europa, zur Veränderung tropischer Niederschlagsmuster und ganz besonders zur Verschiebung der Monsunsysteme in Südamerika, Afrika, und Asien führen könnte," so Prof. Dr. Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Laut Umweltbundesamt käme es in Europa zu einem Temperatursturz: Vor allem in Nordeuropa würden die Temperaturen um fünf bis 15 Grad Celsius pro Jahrzehnt fallen.

Selbst wenn es laut Modellierungsstudie keinen vollständigen Kollaps, aber eine deutliche Abschwächung der AMOC gibt, seien die erwartbaren Szenarien drastisch, so Dr. Jens Terhaar, Leitender Wissenschaftler in der Abteilung Klima und Umweltphysik der Universität Bern. "Beides wäre mit extremen Folgen verbunden und man sollte alles unternehmen, um dies zu vermeiden." Laut Terhaar müsste deshalb die menschengemachte Erderwärmung gestoppt werden. "Nur wenn die Temperatur stabilisiert wird, kommt die AMOC in Modellen wieder zu ihrer alten Stärke zurück."

Quelle:

Continued Atlantic overturning circulation even under climate extremes.

Nature. DOI: 10.1038/s41586-024-08544-0 
 

Physics-based early warning signal shows that AMOC is on tipping course

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adk1189

Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit